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Laura (19 Jahre)
„Auch wenn man Angst hat, sollte man nicht still sein. Auch wenn es einem unangenehm ist, sollte man die blauen Flecken nicht über schminken. Es gibt Hilfe.“
Meine Geschwister und ich wurden seit unserer frühesten Kindheit geschlagen. Als Älteste kümmerte ich mich viel um meine jüngeren Geschwister und fühlte mich verantwortlich für die beiden. Dass unsere familiären Verhältnisse schwierig waren, wussten Freunde und Lehrerinnen, dennoch konnte ich deren Hilfsangebote nicht annehmen, da ich nicht ohne meine Geschwister gehen wollte. Eines Tages jedoch eskalierte ein Streit derart, dass meine Eltern einen Krankenwagen rufen musste. Ich hatte schlimme Verletzungen davon getragen. Sie begründeten dies mit einem Selbstmordversuch, was nicht stimmte. Dennoch hoffte ich anfangs noch, dass der kurze Abstand die Situation entspannen würde, aber es zeigte sich schnell, dass dem nicht so ist. Eine sozialmedizinische Mitarbeiterin des Krankenhauses machte mir das Angebot in eine Wohngruppe einzuziehen. Meine Eltern versuchten das mit verschiedenen Mitteln zu verhindern, sie setzte mich unter Druck und verweigerten mir am Ende sogar den Kontakt zu meinen Geschwistern. Zuletzt war ich gezwungen, in einem Frauenhaus Zuflucht zu suchen. Für mich gab es keinen Weg mehr zurück. Der Aufbruch in meine Zukunft war für mich emotional und psychisch wahnsinnig herausfordernd. Glücklicherweise begleiteten mich die Mitarbeiterinnen und Pädagoginnen des Frauenhauses mit viel Unterstützung und Nachsicht bis ich so stabil war, um eine Ausbildung beginnen zu können und mein Leben in die eigenen Hände zu nehmen.
Ausführliche Darstellung: Meine Schwester ist nur wenige Jahre jünger als ich. Mein Bruder mehr als zwölf Jahre jünger. Als er geboren wurde, war meine Mutter schwer krank. Also habe ich mich um ihn gekümmert. Jeden Morgen vor der Schule und immer nach der Schule. Wir waren immer zusammen. Deswegen bin ich auch so lange geblieben. Ich wollte meine Geschwister nicht zurück lassen. Als wir Großen noch kleiner waren, schmiedeten wir immer heimlich Fluchtpläne. Wir packten sogar unsere Rucksäcke und überlegten, wo wir hingehen könnten. Aber wir sind nie gegangen. Auch aus Angst um unseren Bruder. Er war zu klein. Wir hätten ihn nicht mitnehmen können. Und dass ich ihn jetzt nicht mehr sehen kann, das halte ich kaum aus. Aber meine Eltern lassen mich nicht mehr zu ihm. Das kann ich ihnen nicht verzeihen. Ich kann ihnen vieles nicht verzeihen. Auch nicht, dass sie mich krankenhausreif geprügelt haben. Den Sanitätern erzählten sie, dass ich mich umbringen wollte. Das stimmte aber nicht. Das wollte ich nie. Im Krankenhaus gab es eine Sozialarbeiterin, die gesehen hat, was los war. Sie hat mir von den Möglichkeiten erzählt, die ich habe. Ich wollte erstmal ein bisschen Abstand von meinem Elternhaus. Ich dachte, dass die Situation sich wieder beruhigt. Aber als sie hörten, dass ich in eine Wohngruppe kommen soll, da haben sie richtig Stress gemacht: Sie behielten mein Handy und sperrten mein eigenes Konto. Es war so schlimm, dass man mich in ein Frauenschutzhaus brachte. Da stand ich dann, nur mit einem Rucksack und zwanzig Euro in der Tasche. Ich konnte auch meine Geschwister nicht mehr sehen und niemanden kontaktieren. Das Schlimmste war, dass auch meine Großeltern nichts mehr mit mir zu tun haben wollten. Dabei wussten sie, wie es bei uns zuhause war und mein Opa war eigentlich immer eine wichtige Bezugsperson für mich. Aber sie hielten zu ihnen und machten mir Vorwürfe. Ich war auf einmal ganz allein. Das war sehr hart. Zum Glück gab es die Frauen im Frauenhaus. Am Anfang war ich fast zu nichts fähig. Ich lag tagelang einfach nur auf der Couch im Büro bei der Leiterin. Wenn ich die Kraft hatte, dann half ich mit. Wenn nicht, dann durfte ich trotzdem bei ihnen sein. Einfach so. Das hat mir viel bedeutet. Als es mir etwas besser ging, half ich bei der Kinderbetreuung. Das ist etwas, das ich gut kann. Und es macht mir Spaß. Im Moment kommen alle Kinder gern zu mir. Immer wenn die anderen Frauen ein bisschen Ruhe brauchen, kommen die Kinder in mein Zimmer. Das finde ich schön. Mir geht es jetzt viel besser als früher. Ich weiß, dass ich hier nicht mehr lange bleiben kann. Ich muss mir eine Ausbildung suchen und dann eine eigene Wohnung. Auch wenn ich ein bisschen Angst davor habe, freue ich mich doch auch auf alles was kommt. Irgendwann, wenn meine Geschwister alt genug sind, dann können wir uns auch wiedersehen. Das wird dann ganz besonders schön.