Landesaktionsplan Sachsen-Anhalt

Grundlage dafür sind die Herstellung der Barrierefreiheit auf allen gesellschaftlichen Ebenen und die konsequente Anwendung des universellen Designs. Barrierefreiheit und universelles Design umfassen die Gestaltung der Infrastruktur, den Zugang zu Gebäuden und Verkehrsmitteln ebenso wie den Zugang zu Dienstleistungen, Kommunikationsmitteln und Informationen. Barrierefreiheit und universelles Design auf allen gesellschaftlichen Ebenen sichert Menschen mit Behinderungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. Darüber hinaus profitieren jedoch alle Menschen gleichermaßen vom Abbau von Barrieren und der universellen Gestaltung von allen Angeboten von allgemeinem Interesse.
Die Regierung des Landes Sachsen-Anhalt unterstützt die Umsetzung der Konvention nachhaltig. Mit dem Landesaktionsplan und der Fortschreibung des Landesaktionsplans, dem Landesaktionsplan 2.0, erfüllt sie die Verpflichtungen des Landes, die aus der Behindertenrechtskonvention erwachsen.
1. Zur Bedeutung der Behindertenrechtskonvention
Mit der Resolution vom 13. Dezember 2006 setzte die Generalversammlung der Vereinten Nati- onen das „Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinde- rungen (VN-Behindertenrechtskonvention – BRK)“ in Kraft.
Die Behindertenrechtskonvention ist ein internationales Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und verfolgt den Zweck, „den vollen und gleichberechtigten Ge- nuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen zu för- dern, zu schützen und zu gewährleisten und die Achtung der ihnen innewohnenden Würde zu fördern“, Art. 1 BRK.
Das Übereinkommen konkretisiert die bestehenden und universell geltenden Menschenrechte mit Blick auf die Lebenslagen von Menschen mit Behinderungen. Es verbietet jegliche Diskrimi- nierung von Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen und garantiert ihnen unein- geschränkt die bürgerlichen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschen- rechte.
Die Konvention stärkt damit die „universalen Menschenrechte“, die jedem Menschen aufgrund seines Menschseins zukommen. Sie schafft nicht „Spezialrechte“ für eine besondere Gruppe von Menschen, sondern fordert die Verwirklichung der universalen Menschenrechte aus der Perspektive der Lebenslagen von Menschen mit Behinderungen. Außerdem steht die Konventi- on für die Überwindung des Defizitansatzes. Sie fordert die gesellschaftliche Wertschätzung von Menschen mit Behinderungen als Normalität menschlichen Lebens und gesellschaftlichen Zu- sammenlebens. Die Konvention fordert den subjektorientierten, insbesondere an den individuel- len Rechten ausgerichteten Umgang mit Behinderungen. Sie konkretisiert vor dem Hintergrund sehr unterschiedlicher Lebenslagen der Menschen mit Behinderungen die universalen Men- schenrechte und präzisiert die staatlichen Verpflichtungen. Aus den individuellen Rechten leitet sie staatliche Verpflichtungen ab in Form von Achtungs-, Schutz- und Gewährleistungsverpflich- tungen. Sie zählt auch Handlungsmöglichkeiten mit Empfehlungscharakter auf. Die Verpflich- tungen beruhen auf den Grundsätzen von Gleichbehandlung, Selbstbestimmung und Chancen- gleichheit, insbesondere aber auf der Idee der Inklusion, und fordern insbesondere den Abbau von einstellungs- und umweltbedingten Barrieren in der Gesellschaft. Der abstrakte Teilhabe- begriff wird in den Artikeln konkret auf einzelne Lebensbereiche wie z.B. Bildung, Arbeit oder Gesundheit bezogen, und es werden konkrete Ziele und Maßnahmen benannt.
Das Übereinkommen verpflichtet die Vertragsstaaten günstige Rahmenbedingungen und ange-messene Vorkehrungen für die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Leben in der Gesellschaft zu schaffen. Dazu gehören u.a. die Schaffung von Gesetzgebungs- und Verwal-tungsmaßnahmen zur Beseitigung jeder Art von Diskriminierung sowie die Schließung beste-hender Lücken zwischen Gesetzeslage und Praxis. Die Behindertenrechtskonvention fordert insbesondere, dass die Rechte von Menschen mit Behinderungen in allen politischen Konzepten und Programmen berücksichtigt werden. Menschen mit Behinderungen sollen die Möglichkeit haben aktiv an Entscheidungsprozessen über politische Konzepte und über Programme mitzuwirken, insbesondere wenn diese sie unmittelbar betreffen.
In der Bundesrepublik Deutschland ist die Konvention ratifiziert und seit dem 26. März 2009 verbindlich. Die Behindertenrechtskonvention ist seither geltendes Recht und eine wichtige Leit-linie für die Behindertenpolitik in Deutschland. Die Umsetzung der Behindertenrechtskonvention beginnt in Deutschland nicht bei „Null“. Als Meilensteine der Behindertenpolitik sind zu nennen die Ergänzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in Artikel 3 Grundgesetz um Satz 2 „Nie-mand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ (1994), das Neunte Sozialgesetz- buch „Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen“ (2001) und die Behinder- tengleichstellungsgesetze des Bundes und der Länder. Die verfassungsrechtliche Kompetenz- ordnung ist bei der Umsetzung der Behindertenrechtskonvention zu berücksichtigen. Nur durch das Zusammenwirken von Bund, Ländern und Gemeinden können die Ziele der Konvention im föderalen System der Bundesrepublik erreicht werden. Sowohl der Bund als auch Länder und Kommunen sind aufgefordert, Aktionspläne zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention zu entwickeln und dazu ihren Kompetenzrahmen auszuschöpfen. Verbände und Organisationen von Menschen mit Behinderungen, Wohlfahrtsverbände sowie kirchliche Einrichtungen, Arbeitgeber und Gewerkschaften leisten ebenfalls einen wertvollen Beitrag.
Sachsen-Anhalt sieht sich als Bundesland in der Verantwortung, die inhaltliche Auseinandersetzung mit der Behindertenrechtskonvention aktiv voranzubringen, Maßnahmen zu entwickeln und im Land umzusetzen. An diesem Prozess sollen die Zivilgesellschaft, Menschen mit Behinderungen, die Verbände und Interessensvertretungen maßgeblich mitwirken.
2. Menschen mit Behinderungen
Die Konvention selbst enthält keine abschließende Definition des Begriffs „Behinderung“. Ihr liegt vielmehr ein dynamisches Konzept von Behinderung zugrunde, das für Entwicklungen of- fen ist. Auch aus diesem Grunde umreißt die Konvention ihren „Anwendungsbereich“ durch eine Zielbestimmung. Ziel der Konvention ist die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen an der Gesellschaft, ohne dass hierbei eine langfristige körperliche, seelische, geisti- ge oder Sinnesbeeinträchtigung einen Unterschied machen darf. Demgemäß zählen zu den Menschen mit Behinderungen im Sinne der Konvention diejenigen, die auf Grund einer Beein- trächtigung in Wechselwirkung mit einstellungs- oder umweltbedingten Barrieren an der vollen und wirksamen Teilhabe an der Gesellschaft gleichberechtigt mit anderen gehindert werden.
Damit setzt die Konvention den Begriff der Behinderung in ein enges Verhältnis zu Barrieren, die Menschen mit Beeinträchtigungen einschränken. Sie betrachtet Behinderung nicht als indi- viduelles Merkmal, sondern als Ergebnis mehrerer Faktoren. Der Wesensgehalt einer Behinde- rung ist ohne eine genaue Analyse der Barrieren nicht zu verstehen. Konkret heißt es in der Präambel (Buchstabe e) sowie in Art. 1 Abs. 2 BRK:
„…in der Erkenntnis, dass das Verständnis von Behinderung sich ständig weiterentwickelt und dass Behinderung aus der Wechselwirkung zwischen Menschen mit Beeinträchtigungen und einstellungs- und umweltbedingten Barrieren entsteht, die sie an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern,“
„Zu den Menschen mit Behinderungen zählen Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiede- nen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können.“
Nahezu gleichlautend ist in § 2 Abs. 1 des Behindertengleichstellungsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt formuliert:
„Menschen mit Behinderungen im Sinne dieses Gesetzes sind Menschen mit einer nicht nur vo- rübergehenden körperlichen, seelischen, geistigen oder Sinnesbeeinträchtigungen, die sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft hindern können.“
3. Der Nationale Aktionsplan des Bundes
Die Bundesregierung hat mit Kabinettsbeschluss vom 15.06.2011 einen “Nationalen Aktionsplan der Bundesregierung zur Umsetzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen” (Nationaler Aktionsplan, NAP) verabschiedet. Damit will die Bundesregierung einen Prozess anstoßen, der in den kommenden zehn Jahren nicht nur das Leben von Menschen mit Behinderungen maßgeblich beeinflussen wird, sondern das Le- ben aller Menschen in Deutschland. Sie sieht in der Idee der Inklusion den zentralen Leitgedan- ken der Behindertenrechtskonvention. Unter Inklusion versteht sie „Gemeinsamkeit von Anfang an“ und die Überwindung des „Wechselspiels von Exklusion (= ausgrenzen) und Integration (= wieder hereinholen)“. Mit dem Nationalen Aktionsplan will die Bundesregierung die Umsetzung der Behindertenrechtskonvention in den nächsten zehn Jahren systematisch vorantreiben1. In- nerhalb dieses Zeithorizontes von zehn Jahren soll der NAP regelmäßig auf den Prüfstand ge- stellt und entsprechend weiterentwickelt werden2. Inklusionsfortschritte sollen messbar werden. Die Grundlagen soll der neue Behindertenbericht der Bundesregierung liefern3.
1 s. NAP, herausgegeben vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Referat Öffentlichkeitsarbeit, Internet 11017 Berlin, Stand: September 2011, S. 11.
2 Ebenda S. 14.
3 Ebenda S. 13.
4. Die Umsetzung der Behindertenrechtskonvention in Sachsen-Anhalt
4.1 Die Verpflichtung zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention
Nach Art. 4 Abs. 5 BRK gelten die Bestimmungen des Übereinkommens ohne Einschränkung oder Ausnahme für alle Teile eines Bundesstaats, mithin auch für die Bundesländer und die Kommunen in Deutschland.
4.2 Zum Stand der Umsetzung der Behindertenrechtskonvention in Sachsen-Anhalt
Eine Vielzahl der in der Behindertenrechtskonvention geforderten Maßnahmen ist bereits ge setzlich verankert bzw. umgesetzt. Teilweise beruht dies auf bundeseinheitlichen Maßgaben, teilweise auf Regelungen oder Initiativen des Landes Sachsen-Anhalt. Eine Bestandsaufnahme soll den derzeitigen Entwicklungsstand erfassen. Dazu werden gesetzliche Regelungen und Ak tivitäten auf Bundes- und Landesebene aufgeführt, die der Gleichstellung und der Verwirklichung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Leben in der Gesellschaft dienen.
Mittels eines Abgleichs der Bestandsaufnahme mit den Vorgaben der Behindertenrechtskonvention werden Handlungsbedarfe herausgearbeitet. Dabei sind die Kompetenzverteilungen des Grundgesetzes insbesondere mit Blick auf die Zuständigkeit des Bundes zu beachten. Dies be-deutet, dass sich die Bestandsanalyse und der daraus abzuleitende Handlungsbedarf für das Land im Wesentlichen auf die Einflussbereiche beschränken, für die das Land im föderalen Sys- tem Verantwortung trägt. Diese Analyse ist ein Kernbestandteil des Landesaktionsplans.
Seit dem Inkrafttreten der Behindertenrechtskonvention in Deutschland am 24. März 2009 hat das Land einige weitreichende Schritte zu ihrer Umsetzung unternommen. Herauszuheben ist die Neufassung des Behindertengleichstellungsgesetzes des Landes (BGG LSA), das am 28.12.2010 in Kraft getreten und nach § 1 Abs. 1 das Ziel verfolgt, in Umsetzung des Überein- kommens der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen im Land Sachsen-Anhalt zu verhindern und zu beseitigen, gleichwertige Lebensbedingungen und Chancengleichheit so- wie die gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten und eine selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen.
Es führt die Begriffe der Behindertenkonvention in das Gleichstellungsrecht des Landes ein und leitet aus diesen die wesentlichen Verpflichtungen der Träger der öffentlichen Verwaltung ab. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang insbesondere:
- der dynamische, soziale, funktionale Behinderungsbegriff, vgl. Präambel Bst. e sowie Art. 1 Abs. 2 BRK und § 2 BGG LSA,
- die umfassenden Begriffe der Kommunikation und der Sprache, vgl. Art. 2 Abs. 1 und 2 BRK und § 6 BGG LSA,
- der weite Begriff der „Diskriminierung aufgrund von Behinderung“ in Verbindung mit dem Begriff der „Versagung angemessener Vorkehrungen“, vgl. Art. 2 Abs. 3, 4 BRK und § 4 BGG LSA,
- die Verpflichtung zur Gleichstellung und das Benachteiligungsverbot, vgl. Art. 3 Bst. b, e, Art. 4 und 5 BRK sowie Abschnitt 2 BGG LSA,
- die Verpflichtung zur Herstellung von Zugänglichkeit und Barrierefreiheit, vgl. Art. 9 BRK und Abschnitt 3 BGG LSA,
- die Gewährleistung der unabhängigen Lebensführung und der Einbeziehung in die Ge- meinschaft, vgl. Art. 19 BRK und Abschnitt 2 BGG LSA,
- die Verwirklichung des Zugangs zu Informationen, vgl. Art. 21 BRK und Abschnitt 3 BGG LSA,
- die Gewährleistung der Teilhabe am politischen und öffentlichen Leben, vgl. Art. 29 BRK und § 12 sowie Abschnitt 5 BGG LSA.
Die zur Konkretisierung in §§ 14, 15 und 16 BGG LSA enthaltenen Verordnungsermächtigungen hat die Landesregierung mit Erlass der Verordnung zur Gleichstellung von Menschen mit Be- hinderungen in der öffentlichen Verwaltung des Landes Sachsen-Anhalt (Behindertengleichstellungsverordnung des Landes Sachsen-Anhalt - BGGVO LSA) vom 23. Februar 2012 ausge- schöpft und dabei zugleich mit Blick auf die Barrierefreiheit der Informationstechnik in der öffent- lichen Verwaltung die aktuellen internationalen Standards – d.h. die sog. Web Content Accessi- bility Guidelines (WCAG) 2.0 – in das Landesrecht übernommen.
4.3 Der Landesaktionsplan
Im Koalitionsvertrag für die sechste Legislaturperiode des Landtags von Sachsen-Anhalt ist zwi- schen den die Regierung tragenden Fraktionen die Erstellung eines Landesaktionsplans zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention (LAP) vereinbart worden. Sachsen-Anhalt will sich durch eine zukunftsgerichtete teilhabeorientierte Behindertenpolitik verstärkt in dem Prozess des Abbaus von Barrieren engagieren und auf den Weg zu einer inklusiven Gesellschaft bege- ben. Menschen mit Behinderungen und Interessenverbände sollen einbezogen und ermutigt werden, diesen Prozess aktiv mitzugestalten.
Der Landesaktionsplan dient der systematischen Erfüllung der Verpflichtungen des Landes, die aus der Behindertenrechtskonvention erwachsen. Richtungsweisend sind insbesondere das Ziel der Verwirklichung der universalen Menschenrechte, das Recht aller Menschen auf Gleichbehandlung, Selbstbestimmung, Chancengleichheit und Teilhabe an allen Bereichen des gesell- schaftlichen Lebens und des Abbaus von einstellungs- und umweltbedingten Barrieren in der Gesellschaft.
Zentrale Leitlinie ist die Idee der Inklusion. Unabdingbar für die Verwirklichung der Teilhabe ist die Umsetzung des universellen Designs bei der Gestaltung der Infrastruktur, der Ausgestaltung von Dienstleistungen und Programmen, mithin bei allen Angeboten von allgemeinem Interesse. Universelles Design bedeutet eine Gestaltung von Produkten, Umfeldern, Programmen und Dienstleistungen in der Weise, dass sie von allen Menschen möglichst weitgehend ohne Anpas- sung oder ein spezielles Design genutzt werden können. Es schließt Hilfsmittel für bestimmte Gruppen von Menschen mit Behinderungen, soweit sie benötigt werden, nicht aus, vgl. Art. 2 BRK. Durch die Beachtung dieses Prinzips der Gestaltung wird eine Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft in Normalität möglich. Der Verweis auf „Sondersysteme der Teilhabe“ erübrigt sich.
Der Aktionsplan des Landes Sachsen-Anhalt ersetzt nicht Rechtsvorschriften. Er ist vielmehr Grundlage für die Bewertung von Lebensumständen und -bedingungen von Menschen mit Be- hinderungen sowie für Initiativen zur Verbesserung und Veränderung bestehender Lebensumstände von Menschen mit Behinderungen in Sachsen-Anhalt. Der Landesaktionsplan ist Ziel- und Maßnahmeplan in einem und stellt eine sozialpolitische Richtschnur für die Weiterentwick- lung der Landespolitik von und für Menschen mit Behinderungen dar.
Zur Feststellung des Handlungsbedarfs werden die Forderungen der Konvention mit dem aktu- ellen Umsetzungsstand in Sachsen-Anhalt abgeglichen. Aus den Ergebnissen der Analyse des Umsetzungsstandes wird anschließend in einem gemeinsamen Diskussionsprozess mit Vertre- tern der Zivilgesellschaft ein Maßnahmeplan erstellt und fortgeschrieben. Dieser soll in einem Zeitraum von 10 Jahren realisiert werden
4.4 Inhalt des Landesaktionsplans
4.4.1 Lebensbereiche und Handlungsfelder
Inhaltlich ist der Landesaktionsplan gegliedert in neun Lebensbereiche bzw. Handlungsfelder, die für das Recht auf Gleichstellung und Teilhabe in der Gesellschaft von zentraler Bedeutung sind. Thematisch verwandte Lebensbereiche sind unter Einbeziehung der jeweiligen Artikel der Behindertenrechtskonvention zusammengefasst:
(1.) Barrierefreiheit, Kommunikation, Information und unabhängige Lebensführung (Artikel 9, 19, 20 und 21 BRK)
(2.) Bildung und lebenslanges Lernen (Artikel 24 BRK)
(3.) Arbeit und Beschäftigung (Artikel 27 BRK)
(4.) Gesundheit, Habilitation, Rehabilitation und Pflege (Artikel 25 und 26 BRK)
(5.) Teilhabe am politischen und öffentlichen Leben (Art. 29 BRK)
(6.) Sport, Kultur und Tourismus (Artikel 30 BRK)
(7.) Frauen und Mädchen (Artikel 6 BRK)
(8.) Kinder und Jugendliche (Artikel 7 BRK)
( 9.) Bewusstseinsbildung (Artikel 8 BRK)
Für jedes Handlungsfeld wird aus den häufig abstrakt und komplex formulierten Forderungen der Behindertenrechtskonvention ein Fundamentalziel gebildet. Aus diesem Fundamentalziel werden Instrumentalziele abgeleitet. Die Instrumentalziele geben wiederum konkrete Forderun- gen der BRK wieder.
Ein zentraler Aspekt eines jeden Handlungsfeldes ist die Bestandsaufnahme, um Handlungsbe- darfe aus den Forderungen der Behindertenrechtskonvention abzuleiten. Diese Bestandsauf- nahme wird im Zuge der Umsetzung des Landesaktionsplans fortgeschrieben.
Innerhalb eines jeden Handlungsfeldes sind Maßnahmepläne aufgeführt.
4.4.2 Allgemeine Grundsätze
Die in Artikel 3 der Behindertenrechtskonvention niedergelegten Allgemeinen Grundsätze sind als Leitlinien bei der Entwicklung und der Fortschreibung der Maßnahmepläne zu beachten.
Allgemeine Grundsätze der Behindertenrechtskonvention sind:
- die Achtung der dem Menschen innewohnenden Würde, seiner individuellen Autonomie, einschließlich der Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen, sowie seiner Unabhängigkeit;
- die Nichtdiskriminierung;
- die volle und wirksame Teilhabe an der Gesellschaft und Einbeziehung in die Gesellschaft;
- die Achtung vor der Unterschiedlichkeit von Menschen mit Behinderungen und die Akzep- tanz als Teil der menschlichen Vielfalt;
- die Chancengleichheit;
- die Zugänglichkeit;
- die Gleichberechtigung von Mann und Frau;
- die Achtung vor den sich entwickelnden Fähigkeiten von Kindern mit Behinderungen und die Achtung ihres Rechts auf Wahrung ihrer Identität.
4.4.2 Maßnahmepläne
Die Maßnahmepläne bilden die Grundlage zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention in Sachsen-Anhalt. Sie tragen Ergebnisse zusammen, die sich aus der Bestandsaufnahme und unter aktiver Beteiligung aller Mitwirkenden im Diskussionsprozess ergeben. Der Plan benennt die Maßnahmen, die Zuständigkeit und den zeitlichen Rahmen der Umsetzung.
5. Handlungsfelder
5.1 Barrierefreiheit, Kommunikation, Information und unabhängige Lebensführung
Dieses Handlungsfeld nimmt sich der Forderungen an aus Artikel 9 (Zugänglichkeit), Art. 19 (Unabhängige Lebensführung und Einbeziehung in die Gemeinschaft), Art. 20 (Persönliche Mo- bilität) und Art. 21 BRK (Recht der freien Meinungsäußerung, Meinungsfreiheit und Zugang zu Informationen).
Fundamentalziel
In Sachsen-Anhalt haben Menschen mit Behinderungen Zugang zur physischen Umwelt, zu In- formations- und Kommunikationstechnologien und -systemen sowie zu Einrichtungen und Diensten, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Sie äußern ihre Meinung frei und können sich Informationen und Gedankengut selbst beschaffen sowie diese empfangen und weiterge- ben. Menschen mit Behinderungen bestimmen die Wahl ihres Aufenthaltsortes und mit wem sie wie leben wollen. Sie können ihr Leben unabhängig führen, ihre persönliche Mobilität ist ge- währleistet.
Instrumentalziele
- Barrierefreies Bauen, Verkehr und Wohnen
- Barrierefreie Information und Kommunikation
- Unabhängige Lebensführung
5.1.1 Barrierefreies Bauen, Verkehr und Wohnen
Forderungen der BRK
- Um eine unabhängige Lebensführung und die volle Teilhabe in allen Lebensbereichen zu ermöglichen, treffen die Vertragsstaaten geeignete Maßnahmen mit dem Ziel, für Menschen mit Behinderungen den gleichberechtigten Zugang zur physischen Umwelt, zu Transportmitteln, ..., sowie zu anderen Einrichtungen und Diensten, die der Öffent- lichkeit in städtischen und ländlichen Gebieten offenstehen oder für sie bereitgestellt werden, zu gewährleisten. Diese Maßnahmen, welche die Feststellung und Beseitigung von Zugangshindernissen und –barrieren einschließen, gelten unter anderem für Ge- bäude, Straßen, Transportmittel sowie andere Einrichtungen in Gebäuden und im Frei- en, einschließlich Schulen, Wohnhäusern, medizinischer Einrichtungen und Arbeitsstät- ten (Art. 9 Abs. 1)
- Schaffung von Mindeststandards und Leitlinien für die Zugänglichkeit von Einrichtungen und Diensten (Art. 9 Abs. 2a)
- Private Rechtsträger halten barrierefreie Einrichtungen vor und bieten Dienste, die für die Öffentlichkeit bereitgehalten werden, barrierefrei an (Art. 9 Abs. 2b)
- Anbringung von Beschilderungen in Brailleschrift und in leicht lesbarer und verständli- cher Form (Art. 9 Abs. 2d)
- Angebot von Schulungen zu Fragen der Zugänglichkeit bzw. in Mobilitätsfertigkeiten, insbesondere für Menschen, die mit Menschen mit Behinderungen arbeiten (Art. 9 Abs. 2c; Art. 20c)
Der bundesrechtliche Rahmen
Die Bestimmungen des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) verpflichten den Bund beim Bau von zivilen Neubauten sowie großen zivilen Um- oder Erweiterungsbauten nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik, wie z.B. den DIN-Normen des Deutschen Instituts für Normung, barrierefrei zu bauen.
Gemäß Bundesfernstraßengesetz (FStrG) einschließlich der geltenden Vorschriften und Richtlinien werden beim Neu-, Um- und Ausbau von Bundesfernstraßen die Belange von Men- schen mit Behinderungen berücksichtigt. Die Belange von Menschen mit Behinderungen wer- den beim Straßenbau und Betrieb in erster Linie bei der Gestaltung von Straßenübergängen,
Bushaltestellen und Kreuzungen sowie beim Bau von Parkplätzen und Rastanlagen teilweise berücksichtigt. Auf die „Empfehlungen für Rastanlagen an Straßen“ des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS), die am 27.04.2011 im Land Sachsen-Anhalt ein- geführt wurden, wird hingewiesen. Der innerörtliche Neu- und Ausbau von Bundes- und Landesstraßen ist in der Regel eine Gemeinschaftsaufgabe der Kommune und der Straßenbauver- waltung. Dabei ist die Straßenbauverwaltung (Bund bzw. Land) für den Straßenkörper und die jeweilige Kommune für die Gehwege und die Ausstattung der Straßen (behindertengerechte Übergänge z.B. Bordsteinabsenkungen usw.) zuständig. Bei der Planung von Baumaßnahmen in Städten und Gemeinden wird angestrebt die Behindertenverbände frühestmöglich einzubeziehen.
Bei Änderungen im Personenbeförderungsgesetz, in der Eisenbahn-Bau- und Betriebsord- nung und im Luftverkehrgesetz sind die besonderen Belange von Menschen mit Behinderun- gen einbezogen worden. Das Gesetz zur Anpassung eisenbahnrechtlicher Vorschriften an die Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste verpflichtet Eisenbahnunternehmen und Bahnhofsbetrei- ber ebenfalls die Belange von Menschen mit Behinderungen zu berücksichtigen.
Gemäß dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) i.V.m. der Straßenverkehrsordnung haben Menschen mit Behinderungen unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit ihr Kraftfahrzeug auf Behindertenparkplätzen abzustellen.
Die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) schreibt vor, dass der Arbeitgeber beim Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten die besonderen Belange Beschäftigter mit Behinderungen im Hinblick auf Sicherheit und Gesundheitsschutz berücksichtigen müssen. Dies gilt insbesondere für die barrierefreie Gestaltung von Arbeitsplätzen.
Mit dem Gesetz zur Neugliederung, Vereinfachung und Reform des Mietrechts (Mietrechts- reformgesetz) vom 19.06.2001 wurde im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), in § 554 a, die Barrie- refreiheit aufgenommen. Danach kann der Mieter vom Vermieter die Zustimmung zu baulichen Veränderungen oder sonstigen Einrichtungen verlangen, die für eine behindertengerechte Nut- zung der Mietsache oder den Zugang zu ihr erforderlich sind, wenn er ein berechtigtes Interesse daran hat. Der Vermieter kann seine Zustimmung verweigern, wenn sein Interesse an der un- veränderten Erhaltung der Mietsache oder des Gebäudes das Interesse des Mieters an einer behindertengerechten Nutzung der Mietsache überwiegt. Dabei sind auch die berechtigten Inte- ressen anderer Mieter in dem Gebäude zu berücksichtigen.
Die Barrierefreiheit im Mietrecht ist damit nicht auf einzelne Maßnahmen begrenzt. Der Vermie- ter kann allerdings seine Zustimmung von der Zahlung einer angemessenen zusätzlichen Si- cherheit ("Extra-Kaution") abhängig machen. Die Sicherheit ist der Höhe nach angemessen, wenn sie den voraussichtlichen Kosten des Rückbaus entspricht.
Bei der Städtebauförderung berücksichtigen Bund, Land und Kommunen die Belange von Menschen mit Behinderungen.
Das Programm „Altersgerecht Umbauen“ der Kreditanstalt für Wiederaufbau wurde bis Ende 2011 vom Bund und wird seither von der KfW aus eigenen Mitteln finanziert und trägt erheblich zur behindertengerechten Anpassung des Wohnungsbestandes bei.
Im Modellvorhaben für eine unabhängige Lebensführung von Menschen mit Behinderungen werden vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) im Rah- men des Programms „Baumodelle der Altenhilfe und der Behindertenhilfe“ barrierefreie Standards in Gebäuden, Heimen, Wohngemeinschaften und soziokulturellen Einrichtungen ge- fördert.
Das Dachprogramm „Soziales Wohnen im Alter“ fördert bis 2014 mobile Beratung, Qualifi- zierung von Handwerksbetrieben, technikunterstütztes Wohnen im Hinblick auf einen inklusiven sozialen Nahraum.
Der Bund informiert durch Broschüren und Internetauftritte (www.einfach-teilhaben.de) über Be- ratungsangebote zum barrierefreien Wohnen.
Die Bundesregierung fördert bis 2012 das „Bundeskompetenzzentrum Barrierefreiheit“, um Verbände behinderter Menschen darin zu bestärken, mit den Herstellern von Produkten Zielver- einbarungen nach dem Behindertengleichstellungsgesetz zu treffen.
Der landesrechtliche Rahmen
Behindertengleichstellungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt (BGG LSA)
Am 28.12.2010 ist das neue Behindertengleichstellungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt (BGG LSA) in Kraft getreten, mit dem die bis dahin geltende Rechtsnorm aus dem Jahr 2001 an die Vorgaben der Behindertenrechtskonvention auch mit Blick auf die Aspekte der Barrierefrei- heit angepasst worden ist, vgl. § 1 BGG LSA.
Der Begriff der Benachteiligung, die zu verhindern ist, umfasst nach § 4 BGG LSA alle Formen, einschließlich der Versagung angemessener Vorkehrungen. Angemessene Vorkehrungen sind notwendige und geeignete Änderungen und Anpassungen, die keine unverhältnismäßige oder unbillige Belastung darstellen und die, wenn sie in einem bestimmten Fall erforderlich sind, vor- genommen werden, um zu gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit Menschen ohne Behinderungen am Leben in der Gesellschaft teilhaben und von ihren Grundfreiheiten Gebrauch machen können, s. auch Art. 2 BRK.
Als barrierefrei betrachtet § 5 BGG LSA bauliche und andere Anlagen, Verkehrsmittel, techni- sche Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensberei- che, wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne beson- dere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind, vgl., auch Art. 9 BRK.
Der Begriff der Kommunikation umfasst nach § 6 BGG LSA in Übereinstimmung mit Art. 2 BRK Sprache, Textdarstellung, Brailleschrift, taktile Kommunikation, allgemein zugängliches Multi- media sowie schriftliche, auditive, in einfache Sprache übersetzte, durch Vorlesende zugänglich gemachte sowie ergänzende und alternative Formen, Mittel und Formate der Kommunikation, einschließlich allgemein zugänglicher Informations- und Kommunikationstechnologie. Der Beg- riff der Sprache umfasst gesprochene Sprachen sowie Gebärdensprachen und andere nicht ge- sprochene Sprachen.
Abschnitt 3 BGG LSA beschäftigt sich ausnahmslos mit Fragen der Barrierefreiheit und regelt in
§ 12 die Herstellung von Barrierefreiheit bei der Teilhabe am politischen und öffentlichen Leben entsprechend Art. 29 BRK, in § 13 die Herstellung von Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr, in § 14 das Recht auf Verwendung von Gebärdensprache und anderen Kommunikati- onshilfen, in § 15 die barrierefreie Gestaltung von Dokumenten, in § 16 die barrierefreie Informa- tionstechnik und § 17 das Instrument der Zielvereinbarungen zur Unterstützung der Herstellung der Barrierefreiheit.
Verordnung zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen in der öffentlichen Verwaltung des Landes Sachsen-Anhalt (BGGVO LSA)
Am 01.03.2012 ist die Verordnung zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen in der öffentlichen Verwaltung des Landes Sachsen-Anhalt (BGGVO LSA) in Kraft getreten, mit der die Verordnungsermächtigungen in §§ 14, 15 und 16 BGG LSA ausgeübt werden. Be- sonders hervorzuheben ist § 12 BGGVO LSA i.V.m. der Anlage 2 der VO, mit der die aktuellen
Richtlinien für barrierefreie Webinhalte (Webcontent Accessibility Standards 2.0) für Angebote der Informationstechnik Anwendung vorgegeben werden.
Straßenbau
Gemäß Straßengesetz für das Land Sachsen-Anhalt (StrG LSA) einschließlich der geltenden Vorschriften und Richtlinien werden beim Neu-, Um- und Ausbau von Straßen die Belange von Menschen mit Behinderungen berücksichtigt. Dies geschieht in erster Linie bei der Gestaltung von Straßenübergängen, Bushaltestellen und Kreuzungen sowie beim Bau von Parkplätzen und Rastanlagen, siehe zunächst die Ausführungen oben zum Bundesfernstraßengesetz. In den für die Straßenplanung gültigen Richtlinien wie z. B. der Richtlinie für die Anlage von Stadtstraßen (RASt 06) sind Aussagen zur Berücksichtigung der Belange mobilitätsbeeinträchtigter Bürger enthalten und werden für den Bereich der Bundes- und Landesstraßen umgesetzt. In dieser Richtlinie sind beispielsweise Elemente für die Barrierefreiheit von Gehwegen sowie die Grund- maße für die Verkehrsräume mobilitätsbeeinträchtigter Personen benannt. Die Zuständigkeit für gleichartige Maßnahmen an Kreis- und Kommunalstraßen liegt bei den jeweiligen kommunalen Gebietskörperschaften.
Baurecht
Sachsen-Anhalt verfügt über Vorschriften in der Bauordnung (§ 49 BauO LSA) zum barriere- freien Bauen, insbesondere zu baulichen Anlagen, die öffentlich zugänglich sind. Nach diesem Gesetz müssen öffentlich zugängliche bauliche Anlagen in den dem allgemeinen Besucherver- kehr dienenden Teilen von Menschen mit Behinderungen, alten Menschen und Personen mit Kleinkindern barrierefrei erreicht und ohne fremde Hilfe zweckentsprechend genutzt werden können. Die Bauordnung sieht beim Neubau von Wohngebäuden mit mehreren Wohnungen die Verpflichtung zur Schaffung einer barrierefreien Erreichbarkeit von Wohnungen eines Geschos- ses vor und bestimmt, dass die Wohn- und Schlafräume, eine Toilette, ein Bad sowie die Küche oder die Kochnische mit dem Rollstuhl zugänglich sein müssen.
Die DIN 18024 (DIN 18024-1: Straßen, Plätze, Wege, öffentliche Verkehrs- und Grünanlagen sowie Spielplätze und DIN 18024-2: Öffentlich zugängige Gebäude und Arbeitsstätten) und DIN 18025 (DIN 18025-1 Wohnungen für Rollstuhlbenutzer und DIN 18025-2 Barrierefreie Wohnun- gen) sind in Sachsen-Anhalt mit der Liste der Technischen Baubestimmungen als Technische Baubestimmungen bauaufsichtlich eingeführt und zur Erfüllung der Grundsatzanforderungen des Bauordnungsrechts bei der Planung, Bemessung und Konstruktion baulicher Anlagen und ihrer Teile zu beachten.
Wohnungs- und Städtebau
Bei der Herstellung von Barrierefreiheit im Rahmen von geplanten Baumaßnahmen beim Woh- nungsbau und Städtebau gelten die zuvor genannten gesetzlichen Vorschriften unter Beachtung des baulichen Zusammenhangs sowie der baulichen Möglichkeiten und Finanzierbarkeit.
Unter den Aspekten des altersgerechten Umbauens, insbesondere des Mehrgenerationenwoh- nens und der Barrierefreiheit gewährt die Investitionsbank Sachsen-Anhalt in Zusammenarbeit mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau im Rahmen des Förderprogramms „Sachsen-Anhalt MODERN“ zinsgünstige Darlehen zur langfristigen Finanzierung von Maßnahmen an selbstge- nutzten oder vermieteten Wohngebäuden - hier auf Basis des KfW-Programms „Altersgerecht Umbauen“. Die Investitionsbank verbilligt hierbei nochmals die ohnehin attraktiven Zinssätze der KfW. Finanziert werden Maßnahmen zum barrierereduzierenden oder -freien Umbau von Wohnungen und Wohngebäuden unter Berücksichtigung der Anforderungen des KfW- Programms „Altersgerecht Umbauen“. Gefördert werden insbesondere Erschließungssysteme, z.B. Rampen und Aufzüge zur Beseitigung von Zugangshindernissen. Des Weiteren werden bauliche Maßnahmen in Wohnungen, Sanitärräumen und Gemeinschaftsräumen gefördert.
Weitere Fördermöglichkeiten bieten die Programme „Stadtumbau-Ost Stadtteil/Stadtquartier – Aufwertungs- und Abriss/Rückbaurichtlinien“ sowie der Wettbewerb „Auf dem Weg zur barriere- freien Kommune“.
Baumaßnahmen des Landes
Die Baumaßnahmen des Landes werden von der Staatshochbauverwaltung und den Hochschu- len gemäß den Richtlinien für die Durchführung von Bauaufgaben des Landes im Zuständig- keitsbereich der Staatshochbauverwaltung (RLBau) durchgeführt. Das Thema barrierefreies Bauen findet dabei im Rahmen der verfügbaren Mittel und der örtlichen Gegebenheiten beson- dere Berücksichtigung. Grundlage und Hilfsmittel sind verschiedene Leitfäden bzw. Arbeitshilfen und Dokumentationen. Bei den turnusmäßigen Baubegehungen der Liegenschaften erfolgt seit 2010 dabei sukzessiv die Überprüfung und die datenmäßige Erfassung, ob die Liegenschaften über einen Aufzug, ein behindertengerechtes WC und einen behindertengerechten Zugang verfügen.
Das Thema „Barrierefreies Bauen“ ist Bestandteil der Ausbildung in der Fachrichtung Hochbau sowohl im gehobenen als auch im höheren bautechnischen Verwaltungsdienst.
Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV)
Das Gesetz über den Öffentlichen Personennahverkehr des Landes Sachsen-Anhalt (ÖPNVG LSA) gibt die Erstellung des Plans des öffentlichen Personennahverkehrs des Landes Sachsen-Anhalt (ÖPNV-Plan) vor. Dieser schafft für behinderte Menschen hinsichtlich ihrer Mo- bilität eine Voraussetzung, um gleichberechtigt leben zu können. Hinsichtlich der Zugangsmög- lichkeiten und Informationsangebote im ÖPNV werden damit die Voraussetzungen geschaffen, die spezifischen Bedürfnisse von mobilitätsbeeinträchtigten Menschen durch eine möglichst weit reichende Barrierefreiheit zu berücksichtigen.
Die Förderprogramme des Landes im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs (Schnitt- stellen- und Bahnhofsprogramm) und die hierzu herausgegebenen Richtlinien und Merkblätter sehen vor, Bahnanlagen weithin barrierefrei zu gestalten. Dies geschieht u.a. durch die Installa- tion von Rampen und Aufzügen im Zuge der Modernisierung und Sanierung von Verkehrsstati- onen bzw. bei Neubauten. Über die neuen Verkehrsverträge mit den Eisenbahnverkehrsunter- nehmen wird zudem gewährleistet, dass die Fahrzeuge den Anforderungen an die Barrierefrei- heit genügen und den Fahrgästen in Abhängigkeit von der Bahnsteigkantenhöhe ein möglichst niveaugleicher Ein- und Ausstieg ermöglicht werden kann. Die Belange von Menschen mit Sin- nesbehinderungen werden berücksichtigt.
Das Schnittstellenprogramm wird von der NASA GmbH betreut und unterstützt die Kommu- nen bei der Umgestaltung ihrer Bahnhofsumfelder zu weitgehend barrierefreien, gut funktionie- renden Schnittstellen. Dabei steht die Verknüpfung der einzelnen Verkehrsträger (u.a. Bahn und Bus) im Vordergrund. Gefördert wird der Bau von Bushaltestellen, Park&Ride- und Bike&Ride- Anlagen sowie die Gestaltung des Bahnhofsumfeldes mit dem Ziel, eine hohe Aufenthaltsquali- tät zu erreichen.
Das Bahnhofsprogramm dient der Verbesserung der Zugangsstellen zum Schienenpersonen- nahverkehr (SPNV) in Sachsen-Anhalt. Es beinhaltet den Aus- und Neubau der Bahnsteige ein- schließlich deren Ausstattung (u.a. Wetterschutz, Sitzgelegenheiten, Fahrgastinformation) und fördert deren stufenfreie Erreichbarkeit vor allem durch die Einrichtung von Rampen und Aufzü- gen. Die Anforderungen behinderter oder anderer Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigungen werden dabei berücksichtigt. In Kooperation mit dem Allgemeinen Behindertenverband Sach- sen-Anhalt (ABISA e.V.) wurden eine flächendeckende Bestandsaufnahme der Haltepunkte und Bahnhöfe im Land im Hinblick auf ihre barrierefreie Ausgestaltung vorgenommen und Handlungsalternativen erarbeitet.
Intelligente Verkehrssysteme
Das MLV ist als koordinierendes Ressort der Landesinitiative Angewandte Verkehrsforschung/ Galileo-Transport Sachsen-Anhalt mit Kabinettsbeschluss vom 15. März 2011 beauftragt wor- den, einen Rahmenplan zur Einführung und Nutzung intelligenter Verkehrssysteme (IVS) im Straßenverkehr und öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in Sachsen-Anhalt (IVS- Rahmenplan Sachsen-Anhalt) zu erstellen. Mit diesem Rahmenplan sollen neben den landes- planerischen Zielstellungen gemäß Landesentwicklungsplan 2010 und ÖPNV-Plan Sachsen- Anhalt insbesondere europäischen Vorschriften – wie sie mit dem IVS-Aktionsplan KOM (2008) 886 endg. Vom 16. Dezember 2008 und der EU-IVS-Richtlinie 2010/40/EU vom 07. Juli 2010 bestehen – landesseitig umgesetzt werden.
Damit werden die in den Landesplanungen enthaltenen Zielstellungen zur Barrierefreiheit unmit- telbar berücksichtigt und für den Bereich Intelligenter Verkehrstechnologien maßnahmebezogen umgesetzt. Den spezifischen Bedürfnissen von behinderten und anderen Menschen mit Mobili- tätsbeeinträchtigungen wird durch die Schaffung einer möglichst weitreichenden Barrierefreiheit im ÖPNV-Gesamtsystem, die sich auch über einen entsprechenden Zugang zu Verkehrs- und Fahrplaninformationen erstreckt, Rechnung getragen. So bieten IVS eine bessere Verfügbarkeit und einfacheren Zugriff auf Verkehrsinformationen über sämtliche mediale Kanäle. Die damit verbundene Wahlfreiheit erleichtert gerade behinderten Menschen den Zugang und die Nutzung des ÖPNV. Zentrale Maßnahme ist der Aufbau des Mobilitätsportals Sachsen-Anhalt auf der Grundlage des landesweiten Fahrgastinformtionssystems INSA. Hierbei wird durch die NASA als Maßnahmeträger die Verordnung zur Schaffung barrierefreier Informationstechnik in der öf- fentlichen Verwaltung beachtet.
Weitere Vorschriften/Maßnahmen
Auch das Gesetz über Wohnformen und Teilhabe (WTG LSA), das das Bundesheimgesetz abgelöst hat, nimmt dezidiert auf die Behindertenrechtskonvention Bezug. § 1 Abs. 2 WTG ver- weist explizit darauf, dass dieses Gesetz „auch zur Sicherung … des Übereinkommens der Ver- einten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen beitragen“ soll. Mit diesem Hinweis und mit der weiteren Erläuterung in der Gesetzesbegründung wird die BRK als rich- tungweisendes Leitbild, das künftig prägend und sinnstiftend für den Lebensalltag in Einrichtun- gen und sonstigen Wohnformen sein soll, gesetzlich verankert und zugleich verbindlich eine entsprechende Berücksichtigung in den Konzeptionen der Träger eingefordert. Zweck des Ge- setzes ist es, die Würde sowie die Interessen und Bedürfnisse älterer, pflegebedürftiger oder behinderter volljähriger Menschen als Bewohner stationärer Einrichtungen und sonstiger Wohn- formen vor Beeinträchtigungen zu schützen.
Im Rahmen des Aktionsprogramms Barrierefreies Sachsen-Anhalt analysieren die Ressorts der Landesregierung
- die Barrierefreiheit in öffentlichen Gebäuden der Landesverwaltung,
- die Herstellung der Barrierefreiheit in öffentlichen Gebäuden anderer Körperschaften und Träger, in anderen Lebensbereichen, insbesondere im ÖPNV, im Wohnen, in modernen Medien und im Arbeitsleben sowie
- die Verankerung der Barrierefreiheit in Förderinstrumentarien
und erarbeiten Vorschläge zur umfassenden Herstellung der Barrierefreiheit.
Im Landesentwicklungsplan 2010 (LEP 2010) ist festgeschrieben, dass Barrierefreiheit im weitesten Sinne als Querschnittsziel in allen Planungsprozessen verankert und bei Landesför- dermaßnahmen berücksichtigt wird. Weitere Bereiche, die der LEP 2010 im Hinblick auf Barrierefreiheit umfasst, sind Gesundheit, ÖPNV und Tourismus.
Auch in dem im Jahr 2010 entwickelten Handlungskonzept "Nachhaltige Bevölkerungspoli- tik in Sachsen-Anhalt" finden Vorgaben zur barrierefrei gestalteten Umwelt Beachtung, z.B. in den Prüfkriterien des Demografiechecks für Investitionen im Bereich des Ministeriums für Arbeit und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt.
Herausforderungen
Hinsichtlich der Berücksichtigung der Barrierefreiheit beim Bauen ist in Sachsen-Anhalt in den vergangenen Jahren ein umfassender Rechtsrahmen geschaffen worden, insbesondere durch die Verankerung des Kriteriums der Barrierefreiheit in der Bauordnung und im Behinderten- gleichstellungsgesetz des Landes. Dies gilt für Herstellung der Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr wie für die Bereitstellung von barrierefreien Wahlräumen (Wahllokalen), s. dazu mehr in Handlungsfeld 5.5.1.
Die Herstellung von Barrierefreiheit findet darüber hinaus Berücksichtigung in einer Vielzahl von politischen Konzepten und Programmen, bei deren Erstellung die Behindertenverbände in den Abstimmungsprozess miteingebunden werden.
Da die Anforderungen an die Barrierefreiheit nicht statischer Natur sind, sondern sich mit Blick auf die technische Entwicklung und mit Blick auf die gesellschaftlichen insbesondere demografi- schen Rahmenbedingungen, stetig verändern, ist die Herstellung der Barrierefreiheit prozess- haft zu gestalten und schrittweise zu verwirklichen.
Vollständige Barrierefreiheit ist in Bestandsbauten aus bautechnischen Gründen und auch aus Kostengründen nicht immer möglich. Auch in bestimmten denkmalgeschützten Gebäuden ist ein Umbau oftmals nicht möglich. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten setzt sich die Landesregierung weiterhin dafür ein, dass sowohl Neu- und Umbauten als auch die große Zahl an Bestandsbau- ten landeseigener Liegenschaften in städtischen wie ländlichen Gebieten langfristig möglichst barrierefrei gestaltet oder aber andere geeignete barriererfreie landeseigene Liegenschaften er- satzweise für öffentlichen Zwecke genutzt werden.
Bei einer Vielzahl von Bereichen ist die Barrierefreiheit fester Bestandteil der Zuwendungsvor- aussetzungen, z.B. bei der Förderung kultureller Einrichtungen, Kindertagesstätten, im Bereich der Tourismusförderung und bei der Fördermittelvergabe im Bereich des öffentlichen Personen- nahverkehrs (ÖPNV).
In Bezug auf die Beseitigung von Zugangs- und Nutzungshindernissen besteht dennoch weiter- hin erheblicher Veränderungsbedarf, insbesondere bei schon bestehenden Gebäuden von z.B. Kindertagesstätten und Schulen oder privaten Rechtsträgern, die Einrichtungen/Dienste, die der Öffentlichkeit offen stehen, anbieten. Ziel ist es, mehr Gebäude, insbesondere solche, die für die Öffentlichkeit bestimmt sind, barrierefrei umzubauen und auszustatten. Die Beseitigung von Zu- gangshindernissen bezieht sich u.a. auch auf die barrierefreie Gestaltung von Straßen, Zugän- gen zu Anlagen des öffentlichen Personenverkehrs sowie die Installation von Leitsystemen für blinde und sehbehinderte Menschen.
Mit der Neubeschaffung von Niederflurfahrzeugen im Bus- und Straßenbahnverkehr konnte im öffentlichen Straßenpersonenverkehr (ÖSPV) ein erheblicher Qualitätssprung erreicht werden. Durch den Einbau von elektronischen dynamischen und visuellen Haltestellenanzeigen bzw. – ansagen sowie eine entsprechende Innenraumgestaltung der Fahrzeuge wird den Belangen mobilitätsbeeinträchtigter Menschen immer besser entsprochen.
Bedarf besteht – trotz erheblicher Anstrengungen in der Vergangenheit – noch im Umbau von Haltestellen, um einen weitestgehend barrierefreien Ein- und Ausstieg zu gewährleisten.
Um den Forderungen der Behindertenrechtskonvention zu entsprechen, muss beim barrierefrei- en Bauen bzw. Umbau von Wohnraum die Situation von Menschen mit kognitiver Einschränkung, Sinnesbehinderung oder geistiger Behinderung stärker Beachtung finden.
In der Fahrplanauskunft INSA für den ÖPNV konnte eine Nur-Text-Auskunft für Blinde und Sehbehinderte integriert werden.
In Umsetzung des IVS-Rahmenplans Sachsen-Anhalt sollen mit der Maßnahme „Förderung der Barrierefreiheit und des Universellen Designs bzw. des Designs für Alle“ die unterschiedlichen Anforderungen von Menschen mit eingeschränkter Mobilität mit einem barrierefreien Routenpla- ner und –begleiter berücksichtigt werden, der Informations-, Fahrkarten- oder Zahlungssysteme mit integrierten automatischen audioviuellen Ausgabemodi bietet. Des Weiteren sollen mit der Maßnahme „IVS für nicht mototisierte Verkehrsteilnehmer“ – vor dem Hintergrund, dass es bis- her noch keine durchgängigen IVS-Konzepte für die Assistenz von Fußgängern und Radfahrern gibt – insbesondere die spezifischen Bedürfnisse von Menschen mit Mobilitätseinschränkungen (Blinde, Sehbehinderte, Senioren) oder besonderer Gefährdung (Kinder) adressiert werden.
Maßnahmenkatalog
Folgende Vorhaben sollen im Instrumentalziel „Barrierefreies Bauen, Verkehr und Wohnen“ um- gesetzt werden.
Maßnahmen | Zuständigkeiten | Zeitraum |
Herstellung der Barrierefreiheit in öffentlichen Gebäu- den (Neubauten und Bestand) und Außenanlagen: | alle Ressorts | bis 2020 |
en Zugangs zum Gebäude | BLSA | laufend |
auf Grundlage der neuen DIN 18040 | MS, alle Ressorts | 2012 |
DIN 18040 als Technische Baubestimmung | alle Ressorts BLSA | laufend |
desliegenschaften im Zuge von Baumaßnahmen | BLSA | laufend |
Barrierefreie Bereitstellung von Leistungen der Da- seinsvorsorge | alle Ressorts | bis 2020 |
Arztpraxen | MS | ab 2013 rglm. |
Herstellung der Barrierefreiheit im Öffentlichen Perso- nenverkehr | MLV | bis 2020 |
Signale, taktile und akustische Informationen für |
| auf Grund der Vielzahl der |
die Fahrgäste (Blindenleitstreifen, haptische Mar- kierung von Geländern, Sprachausgabe an Ver- spätungsanzeigern (DAS) etc.
Anhalt) |
| Bahnsteige und Zugangsstellen im SPNV ist nur eine schritt- weise Umset- zung der Ziele möglich |
Ausbau der Angebote des barrierefreien Tourismus | MW u.a. |
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Herstellung der Barrierefreiheit im Wohnungsbau | MLV | ab 2013 |
Ziel den Bestand auf mind. 10% anzuheben |
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Herstellung der Barrierefreiheit in Wahllokalen | MI |
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Einrichtung eines Kompetenzzentrums Barrierefreiheit | MS | bis 2015 |
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| 2011 |
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| 2012 |
stellung der Barrierefreiheit |
| 2015 |
Verankerung der Barrierefreiheit in Förderinstrumenta- rien | alle Ressorts | bis Ende 2013 |
| alle Ressorts | laufend |
| alle Ressorts | laufend |
Förderung der Entwicklung des "universellen Designs" bei Produkten, Umfeldern, Programmen und Dienstleis- tungen | MS, alle Ressorts | ab 2014 |
Aufnahme der „Barrierefreiheit“ in die Aus- und Fortbil- dung von Architekten und Ingenieuren | MK, MS, MW | ab 2013 |
Novellierung der Landesbauordnung, § 49 | MLV | II. Quartal 2013 |
Herausgabe einer Verwaltungsvorschrift zur BauO LSA und Einführung der bauordnungsrechtlich relevanten Teile der DIN 18040-1 für öffentlich zugängliche Ge- bäude und der DIN 18040-2 für Wohnungen. | MLV | III. Quartal 2013 |
Anpassung der Bauvorlagenverordnung unter Berück- sichtigung der Regelungen des § 49 BauO LSA – Bar- rierefreies Bauen und der Technischen Baubestimmun- gen. | MLV |
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Berücksichtigung der Belange des barrierefreien Bau- ens gem. BauO und BGG LSA bei der aktuellen Novel- lierung der Richtlinie für die Durchführung von Bauauf- gaben im Zuständigkeitsbereich der Staatshochbau- verwaltung des Landes (RLBau) | MF | 2012 |
Öffentlichkeitsarbeit zur Barrierefreiheit als Menschen- recht mit Erläuterungen zum Begriff der „Inklusion“ | MS, MF, MLV | ab 2014 |
5.1.2 Barrierefreie Information und Kommunikation
Forderungen der BRK
- Zugang zu Information und Kommunikation, einschließlich Informations- und Kommuni- kationstechnologien und –systemen (Art. 9 Abs.1)
- Feststellung und Beseitigung von Zugangshindernissen und –barrieren zu Informations-, Kommunikations- und anderen Diensten einschließlich elektronischer Dienste und Not- dienste (Art. 9 Abs. 1b)
- Förderung von geeigneten Formen der Hilfe und Unterstützung für Menschen mit Be- hinderungen, damit ihnen der Zugang zu Informationen gewährt wird (Art. 9 Abs. 2f)
- Förderung des Zugangs zu neuen Informations- und Kommunikationstechnologien und - systemen, einschließlich des Internets (Art. 9 Abs. 2g)
- Förderung der Gestaltung, Entwicklung, Herstellung und des Vertriebes zugänglicher In- formations- und Kommunikationstechnologien und –Systeme in einem frühen Stadium, so dass deren Zugänglichkeit mit möglichst geringem Kostenaufwand erreicht wird (Art. 9 Abs. 2h)
- Recht auf Meinungsfreiheit, einschließlich der Freiheit sich Informationen und Gedan- kengut zu beschaffen, zu empfangen und weiterzugeben (Art. 21)
- Rechtzeitiges und kostenloses Bereitstellen von für die Allgemeinheit bestimmten Infor- mationen in zugänglichen Formaten und Technologien für unterschiedliche Arten der Behinderung (Art. 21a)
- Erleichterungen für Menschen mit Behinderungen im Umgang mit Behörden u.a. durch die Verwendung von Gebärdensprachen, Brailleschrift, ergänzenden und alternativen Kommunikationsformen und allen sonstigen selbst gewählten zugänglichen Mitteln, Formen und Formaten der Kommunikation durch Menschen mit Behinderungen (Art. 21b)
- Aufforderung an private Rechtsträger / Massenmedien / Internetdienstleister Informatio- nen und Dienstleistungen in Formaten zur Verfügung zu stellen, die für Menschen mit Behinderungen zugänglich und nutzbar sind (Art. 21c und d)
- Anerkennung und Förderung der Verwendung der Gebärdensprache (Art. 21e)
Der bundesrechtliche Rahmen
Das Behindertengleichstellungsgesetz des Bundes (BGG) fasst unter den Begriff der „Bar- rierefreiheit“ nicht nur die Beseitigung von physischen Barrieren in der Gesellschaft, sondern auch die Zugänglichkeit und Nutzung von technischen Gebrauchsgegenständen, Systemen der Informationsverarbeitung, akustischen und visuellen Informationsquellen und Kommunikations- einrichtungen. Das Gesetz erkennt die Deutsche Gebärdensprache als eigene Sprache an. Im Verkehr mit Bundesbehörden haben hör- und kommunikationsbehinderte Menschen das Recht, Gebärdensprache oder eine andere für sie geeignete Kommunikationsform zu verwenden. Be- scheide und Vordrucke von Behörden müssen blinden und sehbehinderten Menschen in einer für sie wahrnehmbaren Form zugänglich gemacht werden. Die Kosten hierfür sind von den Be- hörden zu tragen. In drei Verordnungen wurde der barrierefreie Zugang zu Informationen und Kommunikation konkretisiert.
Die Barrierefreie Informationstechnikverordnung (BITV) des Bundes bestimmt, dass Inter- netseiten des Bundes für Menschen mit Behinderungen barrierefrei sind. Die BITV des Bundes wurde an die aktuellen Internationalen Leitlinien („Web Content Accessibility Guidelines“-WCAG 2.0) angepasst, die weltweit als anerkannter Standard gelten und erläutern, wie Web-Inhalte für Menschen mit Behinderungen zugänglich gemacht werden können.
Ein wesentlicher Beitrag des Bundes zu einer anwenderfreundlichen und barrierefreien elektro- nischen Kommunikation zwischen Bürgern und Verwaltung ist das Internetportal www.einfach-teilhaben.de, das eine Vielzahl von Informations- und Serviceangeboten zum Thema Behinderung bereithält.
In Verwaltungsverfahren und gerichtlichen Verfahren haben Menschen mit Hör- und Sprachbe- hinderungen entsprechend der Verordnung zur Verwendung von Gebärdensprache und an- deren Kommunikationshilfen im Verwaltungsverfahren nach dem Behindertengleichstel- lungsgesetz (KHV) einen Anspruch auf Bereitstellung eines Gebärdensprachdolmetschers bzw. anderer Kommunikationshilfen, einschließlich technischer Hilfsmittel. Die Verordnung er- gänzt zahlreiche einschlägige Spezialvorschriften (§ 19 SGB X, § 57 SGB IX, § 186 GVG, §§ 22 bis 24 BeurkG, § 8 FGG i.V.m. § 186 GVG, § 483 ZPO, §§ 66e Abs. 1, 259 Abs. 2 StPO, § 46 OWiG i.V.m. den §§ 66e Abs. 1 und 259 Abs. 2 StPO).
Die Verordnung zur barrierefreien Zugänglichmachung von Dokumenten für blinde und sehbehinderte Personen im gerichtlichen Verfahren (ZMV) regelt die Anforderungen und das Verfahren für die Zugänglichmachung von Dokumenten im gerichtlichen Verfahren an eine blinde oder sehbehinderte Person in einer für sie wahrnehmbaren Form. Soweit es Menschen mit Behinderungen nicht möglich ist, in einer Dienststelle zu erscheinen, werden sie auf Wunsch oder im Bedarfsfall auch in ihrer Wohnung aufgesucht.
Der landesrechtliche Rahmen
Am 28.12.2010 ist das neue Behindertengleichstellungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt (BGG LSA) in Kraft getreten, s.o.
Im Zusammenhang mit der Herstellung der Barrierefreiheit verwendet das BGG LSA in § 6 ei- nen weiten Begriff der Kommunikation in Übereinstimmung mit Art. 2 BRK. Hierzu zählen Spra- che, Textdarstellung, Brailleschrift, taktile Kommunikation, allgemein zugängliches Multimedia sowie schriftliche, auditive, in einfache Sprache übersetzte, durch Vorlesende zugänglich ge- machte sowie ergänzende und alternative Formen, Mittel und Formate der Kommunikation, ein- schließlich allgemein zugänglicher Informations- und Kommunikationstechnologien. Der Begriff der Sprache umfasst gesprochene Sprachen sowie Gebärdensprachen und andere nicht ge- sprochene Sprachen.
Abschnitt 3 BGG LSA beschäftigt sich ausnahmslos mit Fragen der Barrierefreiheit und regelt die in § 12 die Herstellung von Barrierefreiheit bei der Teilhabe am politischen und öffentlichen Leben entsprechend Art. 29 BRK, in § 14 das Recht auf Verwendung von Gebärdensprache und anderen Kommunikationshilfen, in § 15 die barrierefreie Gestaltung von Dokumenten, in § 16 die barrierefreie Informationstechnik und § 17 das Instrument der Zielvereinbarungen zur Un- terstützung der Herstellung der Barrierefreiheit.
Seit dem 01.03.2012 ist die Verordnung zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderun- gen in der öffentlichen Verwaltung des Landes Sachsen-Anhalt (BGGVO LSA) geltendes Recht, mit der die Verordnungsermächtigungen in den §§ 14, 15 und 16 BGG LSA ausgeübt werden. Besonders hervorzugehen ist die Regelung in § 12 i.V.m. der Anlage 2 BGGVO LSA , mit der die aktuellen Richtlinien für barrierefreie Webinhalte (Webcontent Accessibility Stan- dards 2.0) für Angebote der Informationstechnik Anwendung finden.
Sachsen-Anhalt unternimmt seit 2008 erhebliche Anstrengungen zur Verbesserung der Barrie- refreiheit im Landesportal und zur leichteren Auffindbarkeit von Informationen.
In Sachsen-Anhalt haben Menschen mit Behinderungen, in vielen Bereichen Zugang zu Infor- mations-, Kommunikations- und anderen Diensten, einschließlich des Internets und den darüber
bereitstellbaren elektronischen Diensten (z.B. Anmeldung eines Gewerbes, Steuererklärungs- dienste) und Notdiensten. Dabei werden solche Informationen mittels Online-Anwendungen, elektronischen Formularen und Broschüren rechtzeitig und ohne Kosten in weitestgehend zu- gänglichen Formaten und Technologien zur Verfügung gestellt.
Herausforderungen
Der Zugang zu Information und Kommunikation, einschließlich Informations- und Kommunikati- onstechnologien und –systemen ist weiter auszubauen, Zugangshindernisse und –barrieren zu Informations-, Kommunikations- und anderen Diensten, einschließlich elektronischer Dienste und Notdienste, sind festzustellen und zu beseitigen.
Der Internetauftritt und andere Angebote der Informationstechnik sind im Sinne der aktuellen Verordnung zum Behindertengleichstellungsgesetz und der Standards über das barrierefreie In- ternet (WCAG 2.0) zu gestalten.
Private Rechtsträger, Massenmedien und Internetdienstleister sind dafür zu gewinnen, Informa- tionen und Dienstleistungen über das aktuelle Maß hinaus in Formaten zur Verfügung zu stel- len, die für Menschen mit Behinderungen zugänglich und nutzbar sind.
Dokumente und Publikationen des Landes sind in leichter Sprache zu verfassen.
Maßnahmenkatalog
Folgende Vorhaben sollen im Instrumentalziel „Barrierefreie Informations- und Kommunikation“ umgesetzt werden.
Maßnahmen | Zuständigkeiten | Zeitlicher Rahmen |
Umsetzung des Behindertengleichstellungs- gesetzes (BGG LSA) durch Ausschöpfung der Verordnungsermächtigungen :
Abs. 2 | MS | 2012 |
Umsetzung der Barrierefreiheit im Landespor- tal sowie bei anderen Angeboten der Informa- tionstechnik des Landes | StK, alle Ressorts | 2012 - 2015 |
Werben für die Herstellung der Barrierefrei- heit in modernen Medien |
| ab 2013 |
Erleichterung des Umgangs mit Behörden: Bescheide und Formulare in Leichter Spra- che |
| ab 2014 |
Publikationen des Landes sind mit serifenlo- ser Schrift und linksbündig zu drucken und in Leichter Sprache zu veröffentlichen. |
| ab 2014 |
5.1.3 Unabhängige Lebensführung
Forderungen der BRK
- Recht aller Menschen mit Behinderungen, mit gleichen Wahlmöglichkeiten wie andere Men- schen in der Gemeinschaft zu leben, wirksame und geeignete Maßnahmen, um Menschen mit Behinderungen den vollen Genuss dieses Rechts und ihre volle Einbeziehung in die Gemeinschaft und Teilhabe an der Gemeinschaft zu erleichtern (Art. 19)
- Gewährleistung der freien Wahl des Aufenthaltsorts und der Entscheidung, wo und mit wem Menschen mit Behinderungen leben wollen und nicht verpflichtet sind, in besonderen Wohn- formen zu leben (Art. 19a)
- Zugang zu einer Reihe von gemeindenahen Unterstützungsdiensten zu Hause und in Ein- richtungen sowie zu sonstigen gemeindenahen Unterstützungsdiensten, einschließlich der persönlichen Assistenz, die zur Unterstützung des Lebens in der Gemeinschaft und der Ein- beziehung in die Gemeinschaft sowie zur Verhinderung von Isolation und Absonderung von der Gemeinschaft notwendig ist (Art. 19b)
- Gemeindenahe Dienstleistungen und Einrichtungen für die Allgemeinheit stehen auch Men- schen mit Behinderungen zur Verfügung (Art. 19c)
- Persönliche Mobilität in der Art und Weise und zum Zeitpunkt der Wahl und zu erschwingli- chen Kosten (Art. 20a)
- Zugang zu hochwertigen Mobilitätshilfen und unterstützenden Technologien (Art. 20b)
- Angebot von Schulungen in Mobilitätsfertigkeiten (Art. 20c)
- Ermutigung an Hersteller unterstützender Technologien alle Aspekte der Mobilität für Men- schen mit Behinderungen zu berücksichtigen (Art. 20d)
- Forschung und Entwicklung für Güter, Dienstleistungen, Geräte, Einrichtungen in universel- lem Design, die besonderen Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen mit möglichst geringem Anpassungs- und Kostenaufwand gerecht werden, ihre Verfügbarkeit und Nutzung fördern und sich bei der Entwicklung von Normen und Richtlinien für universelles Design einsetzen (Art. 4 Abs. 1 f)
- zugängliche Informationen über Mobilitätshilfen, Geräte und unterstützende Technologien, einschließlich neuer Technologien, sowie andere Formen von Hilfe, Unterstützungsdiensten und Einrichtungen zur Verfügung zu stellen (Art. 4 Abs. 1h)
Bestandsaufnahme auf Bundesebene
Das Grundgesetz schützt in Art. 2 Abs. 1 das Grundrecht aller Menschen auf freie Entfaltung der Persönlichkeit unabhängig von individuellen Eigenschaften. Mit der Aufnahme des Benachteiligungsverbots in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG im Jahre 1994 wurde ein Paradigmenwechsel in der Behindertenpolitik eingeleitet, der im Jahr 2001 mit dem Erlass eines Gesetzbuches für die Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen – das Neunte Buch Sozi- algesetzbuch (SGB IX) fortgesetzt wurde. Mit dem SGB IX wurde der Grundstein für ein bür- gernahes Rehabilitations- und Teilhaberecht gelegt. Es verfolgt das Ziel, den Fürsorgeansatz zu überwinden und Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesell- schaft für Menschen mit Behinderungen zu verwirklichen. Bei der Entscheidung über Leistun- gen und bei der Ausführung der Leistungen zur Teilhabe wird nach § 9 Abs. 1 SGB IX berech- tigten Wünschen der Leistungsberechtigten entsprochen. Leistungen, Dienste und Einrichtun- gen lassen den Leistungsberechtigten nach § 9 Abs. 3 SGB IX möglichst viel Raum zu eigen- verantwortlicher Gestaltung ihrer Lebensumstände und fördern ihre Selbstbestimmung. Die Leistungen zur Teilhabe bedürfen der Zustimmung der Leistungsberechtigten (§ 9 Abs. 4 SGB IX).
Ein wichtiges Instrument zur selbstbestimmten Teilhabe und Einbeziehung in die Gesellschaft ist das Persönliche Budget nach § 17 SGB IX. Seit dem 1. Januar 2008 besteht bundesweit ein Rechtsanspruch auf die Ausführung aller Teilhabeleistungen in Form Persönlicher Budgets. Mit dem Persönlichen Budget können Menschen mit Behinderungen auf Antrag an Stelle von Dienst- und Sachleistungen eine Geldleistung oder Gutscheine erhalten, um sich die für die selbstbestimmte Teilhabe erforderlichen Assistenzleistungen selbst zu beschaffen. Damit wird das Wunsch- und Wahlrecht von Menschen mit Behinderungen konkretisiert.
Die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen nach dem 6. Kapitel des SGB XII, die von den Trägern der Sozialhilfe aufgebracht wird, gewährt Ansprüche auf Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. Hierzu gehören beispielsweise Hilfen zu selbstbestimm- tem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten und Hilfen zur Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben. In der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen“ der ASMK (Arbeits- und Sozialministerkonferenz) wird die Neuausrichtung der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen von einer überwie- gend einrichtungsbezogenen zu einer personenzentrierten Teilhabeleistung vorbereitet. Im Ok- tober 2012 wurde ein Grundlagenpapier hierzu vorgestellt.
Bund und Länder haben am 24.6.2012 im Rahmen der Verhandlungen über die innerstaatliche Umsetzung der neuen Vorgaben des Fiskalvertrages für die nächste Legislaturperiode (Bund) u.a. die Erarbeitung und Inkraftsetzung „eines neuen Bundesleistungsgesetzes“ vereinbart, „das die rechtlichen Vorschriften zur Eingliederungshilfe in der bisherigen Form ablöst“. Uneingeschränkte Gleichstellung, Selbstbestimmung, Teilhabe, umfassende Barriere- und Diskriminierungsfreiheit sind die wichtigsten Aspekte, die bei der Umsetzung der Konvention im Rahmen der Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe und dem Erlass eines Bundesleistungsgesetzes zu beachten sein werden.
Die Unterarbeitsgruppe „Ambulante Wohnformen/Ambulantisierung“ der Bund-Länder- Arbeitsgruppe zur Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe hat im Jahr 2010 unter der Feder- führung Sachsen-Anhalts die Bedingungen für ein selbstbestimmtes Leben in einem „inklusi- ven Sozialraum“ und die Wege dorthin, insbesondere die Anforderungen an die Planungspro- zesse und die örtliche Teilhabeplanung dargestellt. Diese Überlegungen haben mittlerweile Ein- gang gefunden in zahlreiche Konzepte zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, s. z.B. in den Nationalen Aktionsplan der Bundesregierung (NAP, herausgegeben vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Ref. Öffentlichkeitsarbeit, Inter- net, Stand Sept. 2011, S. 72 f.), in die Aktionspläne anderer Länder und in die Eckpunkte des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. vom 07.12.2011 für einen inklusiven Sozialraum.
Mit dem im Jahr 2009 in Kraft getretenen Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz werden die Rechte älterer, pflegebedürftiger und behinderter Menschen gestärkt, wenn sie Verträge über die Überlassung von Wohnraum mit Pflege- oder Betreuungsleistungen abschließen. Das Ge- setz dient als modernes Verbraucherschutzgesetz der Verwirklichung des in Art. 1 der Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen beschriebenen Anspruchs auf Selbstbestim- mung und Hilfe zur Selbsthilfe.
Mit dem im Jahr 2012 erlassenen Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz (PNG) wird die ambulante Versorgung Pflegebedürftiger, d.h. von Menschen deren Behinderung Pflegebedarf zur Folge hat, deutlich verbessert. Dies gilt insbesondere für Demenzkranke. Im Vorgriff auf den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff bieten ambulante Pflegedienste künftig neben der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung auch gezielt Betreuungsleistungen an. Auch Pflegebedürf- tige, die nicht an Demenz erkrankt sind, können auf sie ausgerichtete Betreuungsleistungen als Sachleistungen in Anspruch nehmen. Um es Pflegebedürftigen zu ermöglichen, so leben zu können, wie sie das möchten, werden ambulante Wohnformen zusätzlich gefördert. Unter be- stimmten Umständen gibt es für solche Wohngruppen je Pflegebedürftigen 200 Euro zusätzlich, um dem höheren Organisationsaufwand gerecht werden zu können. Darüber hinaus ist ein zeit- lich befristetes Initiativprogramm zur Gründung ambulanter Wohngruppen vorgesehen mit einer Förderung von 2.500 Euro pro Person (maximal 10.000 Euro je Wohngruppe) für notwendige Umbaumaßnahmen in der gemeinsamen Wohnung. Insgesamt stellt der Bund hierfür eine Summe von 30 Millionen Euro zur Verfügung. Schon bislang konnten Pflegekassen subsidiär fi- nanzielle Zuschüsse für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes des Pflegebedürftigen gewähren, beispielsweise für technische Hilfen im Haushalt. Die Zuschüsse dürfen einen Betrag in Höhe von 2.557 Euro je Maßnahme nicht übersteigen. Bisher wurde eine Maßnahme nur einmal gefördert, auch wenn sie mehreren Pflegebedürftigen zugute kam. Künf- tig kann der Zuschuss bis zu viermal 2.557 Euro, also bis zu 10.228 Euro, betragen, wenn meh- rere Pflegebedürftige zusammen wohnen. Dies kommt vor allem ambulant betreuten Wohn- gruppen für Pflegebedürftige zu Gute.
Die Bundesregierung fördert das selbstständige und selbstbestimmte Wohnen im Alter und mit Behinderungen anhand zahlreicher Programme: Das Förderprogramm "Soziales Wohnen im Alter" des Bundesfamilienministeriums entwickelt gemeinsam mit Zivilgesellschaft, Seniorenor- ganisationen, Handwerk, Kommunen und Wohnungsverbänden Projekte, die verdeutlichen sol- len, wie ältere Menschen komfortabel wohnen und zugleich aktiv am Leben in der Gesellschaft teilhaben können. Der Wettbewerb "Altersgerecht Bauen und Wohnen - Barrierefrei, quar- tierbezogen, integrativ" richtet sich an Studentinnen und Studenten der Architektur und Stadt- planung. Mit dem Programm "Wohnen für (Mehr)Generationen" fördert das Bundesfamilien- ministerium innovative gemeinschaftliche Wohnprojekte, die zur Gestaltung eines inklusiven So- zialraums beitragen. Für Modernisierungsmaßnahmen zur Beseitigung oder Verringerung von Barrieren in bestehenden Wohnungen vergibt die KfW-Bankengruppe im Rahmen des Pro- gramms "Altersgerecht umbauen" Darlehen. Diese Förderansätze unterstützen zugleich das selbstbestimmte Wohnen mit Behinderungen.
Das Sozialgesetzbuch IX regelt die unentgeltliche Beförderung mobilitätseingeschränkter schwerbehinderter Menschen im öffentlichen Personen- und Nahverkehr, die Versorgung mit Hilfsmitteln und technischen Hilfen, Mobilitätshilfen sowie die Beförderung mit Fahrdiensten. Insbesondere zur Teilhabe am Arbeitsleben können schwerbehinderte Menschen Kraftfahr- zeughilfen in Anspruch nehmen (Kraftfahrzeughilfeverordnung - KfzHV).
Bestandsaufnahme auf Landesebene
Hilfen, Dienste und Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen unterstützen nach dem Be-hindertengleichstellungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt (BGG LSA) die Selbständig- keit von Menschen mit Behinderungen in ihrer Lebensführung, ermöglichen von ihnen selbst or- ganisierte Hilfeformen und fördern die Inklusion von Menschen mit Behinderungen am Leben in der Gesellschaft. Das gesetzlich vorgesehene Wunsch- und Wahlrecht ist zu beachten.
Hilfen, Dienste und Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen, auf die ein rechtlicher An- spruch besteht, sind bürgernah vorzuhalten. Qualitätsgerechte Maßnahmen und Leistungen sind sicherzustellen.
Angebote des selbständigen Wohnens sowie der ambulanten Tagesförderung haben Vorrang vor stationären Betreuungsformen.
Die Träger der öffentlichen Verwaltung unterrichten und beraten Menschen mit Behinderungen sowie deren Angehörige oder sonstige ihnen Hilfe leistende Personen im Rahmen ihrer Zustän- digkeit über die für sie in Betracht kommenden Hilfen, Dienste und Einrichtungen. Das Recht auf die Wahl einer unabhängigen Beratung bleibt unberührt.
In Sachsen-Anhalt verfügen die Landkreise über eine Vielzahl von ortsnahen Dienstleistungs- angeboten.
Im Jahre 2004 hat das Land Sachsen-Anhalt die Zuständigkeit für die ambulanten Eingliede- rungshilfen und für die ambulanten Hilfen zur Pflege übernommen. Durch die Wahrnehmung der Eingliederungshilfen in einheitlicher Zuständigkeit konnten die ambulanten Angebote deutlich ausgebaut und die Teilhabe der Menschen mit Behinderungen am gesellschaftlichen Leben noch umfassender verwirklicht werden.
Im Jahr 2005 wurde das Persönliche Budget in Sachsen-Anhalt eingeführt. Es hat sich seither für viele Leistungsberechtigte als die Leistungsform ihrer Wahl etabliert.
Das im Februar 2011 in Kraft getretene Wohn- und Teilhabegesetz des Landes Sachsen- Anhalt (WTG LSA) will konsequent die Rechte älterer, pflegebedürftiger und behinderter Men- schen als Bewohnerinnen und Bewohner in stationären Einrichtungen und sonstigen Wohnfor- men stärken. Hauptziel des Gesetzes ist unverändert der Schutz der Würde sowie der Interes- sen und Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner stationärer Einrichtungen und sonstiger nicht selbstorganisierter Wohnformen vor Beeinträchtigungen.
Das neue Regelwerk sieht zugleich moderne Anforderungen an Selbstbestimmung und Teilha- be und die Qualität gemeinschaftlich betreuter Wohnformen von volljährigen älteren, pflegebe- dürftigen oder behinderten Menschen vor, denn die Menschen wollen auch in stationären Ein- richtungen und anderen gemeinschaftlich betreuten Wohnformen unter Beibehaltung des bishe- rigen rechtlichen Schutzes ein möglichst selbstbestimmtes Leben führen und am Leben in der Gesellschaft teilhaben. Dazu sind mit dem Gesetz die Beratungs- und Informationsangebote ausgebaut, die Beschwerdemöglichkeiten - u.a. durch die Einführung eines Beschwerdemana- gements - verbessert und die Mitwirkung der Betroffenen in ihrer Einrichtung oder Wohnform weiterentwickelt worden.
Herausforderungen
Der inklusive Sozialraum ist gemeinsam mit den Kommunen und den Anbietern von Diensten und Einrichtungen auszubauen. Mit dem „inklusiven Sozialraum“ wird eine Umwelt beschrieben, die so gestaltet ist, dass alle Menschen am gesellschaftlichen Leben vollumfänglich teilhaben können. Das setzt voraus, dass die individuellen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen berücksichtigt und die erforderlichen Beratungs- und Unterstützungsstrukturen wohnortnah an- geboten werden. Besondere Bedeutung kommen der Barrierefreiheit im umfassenden Sinne und der universellen Nutzbarkeit aller Angebote im allgemeinen Interesse unter Beachtung der Gestaltungsprinzipien des Universellen Designs zu.
Die Vermittlung des Wertes dieser Gestaltungsprinzipien ist eine anspruchsvolle Aufgabe, deren Bewältigung aber mit Blick auf den demografischen Wandel nicht zurückgestellt werden darf. Mit dem demografischen Wandel, der unumkehrbaren Schrumpfung und Alterung der Bevölkerung werden sich einerseits die Bedarfslagen verändern und andererseits das Angebot an Arbeits- kräften sinken. Unter diesen Bedingungen sind neue Wege zu beschreiten und moderne inklusi- ve Versorgungsformen zu realisieren.
Eine weitere Bedingung für die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft in Normalität ist die In- klusionskompetenz der Gesellschaft. Diese zu fördern ist Aufgabe aller Akteure in Gesell- schafts- und Sozialpolitik. Durch die Stärkung der Bürgerbeteiligung sind die konkreten Bedarfs- lagen besser zu erfassen, können Planungen am Bedarf vorbei vermieden und Akzeptanz für die gefundenen Lösungen hergestellt werden. Die Partizipation der betroffenen Menschen bei den Planungs- und Entscheidungsprozessen ist ein wichtiger Bestandteil von Inklusion. Das bürgerschaftliche Engagement, die Selbsthilfe, Familie und die Nachbarschaftshilfe sind zu stär- ken und weiterzuentwickeln.
Niedrigschwellige Angebote und Teilhabeleistungen müssen den neuen Herausforderungen Rechnung tragen. Ambulanten Versorgungsformen ist der Vorrang einzuräumen, der einrich- tungs- bzw. angebotszentrierte Ansatz ist zugunsten der Orientierung an den individuellen Be- darfen einerseits und den individuellen und den Ressourcen des Umfeldes andererseits zu überwinden. Zukünftig wollen wir deshalb jedem Menschen mit Behinderungen unabhängig von der Intensität des individuellen Leistungsbedarfs die Möglichkeit einer ambulanten Leistungs- erbringung in allen Leistungsbereichen und -formen dauerhaft eröffnen. Die Weiterentwicklung der individuellen Hilfeplanung und die Inanspruchnahme der Teilhabeleistungen in Form des persönlichen Budgets sind geeignete Mittel, um die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen zu verwirklichen und Alternativen zur stationären Versorgung anzubieten.
Maßnahmenkatalog
Folgende Vorhaben sollen im Instrumentalziel „unabhängige Lebensführung“ umgesetzt werden.
Maßnahmen | Zuständigkeiten | Zeitlicher Rahmen |
Erarbeitung von Handreichungen für die Kommunen zur Gestaltung des inklusiven Sozialraums | MS | 2013 |
Veranstaltungen zum Wohnen im Alter und mit Behinderungen | MS | ab 2012 |
Erstellung einer Übersicht über die Leistungsangebote zur Unterstüt- zung des sog. ambulant betreuten Wohnens | BBM | bis 2014 und danach lfd. |
Evaluation der Leistungserbringung im Rahmen der Eingliederungshilfe | MS | bis 2016 |
Weiterentwicklung der individuellen Bedarfsfeststellung und Hilfepla- nung in der Eingliederungshilfe | MS | 2014 |
Erprobung von Teilhabekonferen- zen unter Einbeziehung der Leis- tungsberechtigten | MS | ab 2013 |
Bewusstseinsbildung in kommuna- len und Landesbehörden zur Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen | MS | ab 2013 |
Erhöhung des Anteils der Persönli- chen Budgets auf 20% | MS | bis 2022 |
Mitwirkung bei der Schaffung eines Bundesleistungsgesetzes | MS | bis 2015 |
Mitwirkung bei der Weiterentwick- lung der Eingliederungshilfe in der Bundesgesetzgebung | MS | bis 2014 |
Weiterentwicklung des Rahmenver- trags nach § 79 SGB XII | MS | laufend, in Umsetzung des neuen Bundesrechts bis 2016 |
Erarbeitung von Empfehlungen zum sicheren und barrierefreien Transport von Schülern mit Behin- derungen. | MK, MLV | 2014 |
Anregung der Erarbeitung von neu- en bundesweiten Richtlinien zum sicheren und barrierefreien Trans- port von Rollstuhlfahrern | MS, MLV | 2013 |
Klärung der Finanzierung von sog. Kraftknoten für den Transport von Rollstühlen im ÖPNV | MS, MLV | 2013 |
Erarbeitung von Konzepten zur Verwirklichung des Universellen Designs | MS, alle Ressorts | ab 2014 |
5.2. Bildung und lebenslanges Lernen
Dieses Handlungsfeld nimmt die Forderungen des Artikels 24 (Bildung) der Behindertenrechtskonventionauf und umfasst die folgenden aus dem Fundamentalziel des inklusiven lebenslangen Lernens abgeleiteten Instrumentalziele.
Fundamentalziel
In Sachsen-Anhalt kommen Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Behinderungen in den Genuss der allgemeinen Bildungsangebote. Bildung und lebenslanges Lernen sind bei Respek- tierung des Willens der betroffenen Menschen mit Behinderungen oder bei nicht volljährigen Kindern/Jugendlichen bei Respektierung des Elternwillens von Anfang an gemeinsam möglich. Bildungsinhalte und Bildungsformen orientieren sich an den individuellen Lern- und Leistungsmöglichkeiten der Schülerinnen und Schüler bzw. der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen.
Instrumentalziele
- Inklusive frühkindliche Bildung in Kindertageseinrichtungen
- Inklusives Bildungsangebot in Schulen
- Inklusives Bildungsangebot an Hochschulen, inklusives lebenslanges Lernen
5.2.1. Frühkindliche Bildung in Kindertageseinrichtungen
Forderungen der BRK
|
Der bundesrechtlicher Rahmen
Das Kinderförderungsgesetz (KiföG) legt fest, dass ab dem 1. August 2013 ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres einen Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung oder in einer Kindertagespflege hat.
In den Kommunen findet derzeit ein Ausbau von Angeboten inklusiver Kinderbetreuung statt. Der Bund unterstützt den bedarfsgerechten, qualitätsorientierten Ausbau der Kindertages- betreuung durch Kostenbeteiligungen.
Im Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) ist die Berücksichtigung der besonderen Be- dürfnisse von Kindern mit Behinderungen gesetzlich verankert. Hierzu zählt insbesondere der Anspruch auf Frühförderung für behinderte und von Behinderung bedrohte Kinder von der Ge- burt bis zum Schuleintritt.
Bestandsaufnahme auf Landesebene
Sachsen-Anhalt hat für jedes Kind mit gewöhnlichem Aufenthalt in Sachsen-Anhalt ein bedarfs- gerechtes Kinderbetreuungssystem mit einem bundesweit beispielhaften Rechtsanspruch auf einen Platz in einer Kindertageseinrichtung von Geburt bis zur Versetzung in den 7. Schuljahr- gang. Der Zugang zu den Kindertageseinrichtungen ist somit allen Kindern, unabhängig von Familienstand, Familieneinkommen und der Beschäftigungslage der Eltern möglich.
Das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG LSA) regelt, dass bei der Ausgestaltung famili- energänzender und schulbegleitender Angebote der Jugendhilfe sowie spezieller Angebote der Jugendförderung den Formen Vorrang einzuräumen ist, die für Menschen mit und ohne Behin- derungen gleichermaßen geeignet sind.
Das Gesetz zur Förderung und Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Ta- gespflege des Landes Sachsen-Anhalt (Kinderförderungsgesetz - KiFöG) sieht vor, dass für Kinder, die aufgrund von Behinderungen oder Benachteiligungen besonderer Förderung und Betreuung bedürfen, in den Tageseinrichtungen entsprechende Angebote zu schaffen sind. Die Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern mit Behinderungen sollen bereits seit den 1990er Jahren so weit wie möglich in den Regeleinrichtungen gewährleistet werden. Aus die- sem Grund werden vom Land seit 2008 nur noch Investitionsmaßnahmen in Kindertageseinrich- tungen gefördert, wenn eine Barrierefreiheit der Räumlichkeiten für mindestens eine Gruppe der Einrichtung gewährleistet ist. Der ‚Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme’ der Bertels- mann Stiftung hält bereits für das Jahr 2009 als Ausnahme unter den Bundesländern fest: „In Sachsen-Anhalt gibt es keine Sondereinrichtungen nach SGB VIII und alle Kinder mit besonde- rem Förderbedarf werden in integrativen Einrichtungen betreut.“ Die Zahl der integrativ betreu- enden Kindertagesstätten ist in den vergangenen Jahren stark angestiegen und zwar von 168 im März 2007 auf 321 im März 2012. Im Rahmen der Novellierung des KiFöG zum 01.08.2013 soll die Inklusion von Kindern mit Behinderungen und die Verbesserung der Chancengleichheit aller Kinder unabhängig von sozialer und kultureller Herkunft ausdrücklich normiert werden.
Mit der Einführung des Bildungsprogramms für Kindertageseinrichtungen in Sachsen- Anhalt „Bildung: elementar – Bildung von Anfang an“ im Jahre 2004 hat das Land einen landesweiten Prozess der Qualitätsentwicklung eingeleitet, der eine verbesserte frühkindliche Förderung für jedes Kind zum Ziel hat. Das Bildungsprogramm beschreibt den eigenständigen Bildungsauftrag der Kindertageseinrichtungen und steht in unmittelbarer Beziehung zu den wei- teren Aufgaben der Erziehung, Betreuung und der Elternarbeit. Die Bildung und Erziehung in den Kindertageseinrichtungen ist vor allem darauf ausgerichtet, den Erwerb von Schlüsselkompetenzen zu fördern. Darauf aufbauend gehören die Vermittlung und Verinnerlichung von Wer- ten und Normen, die Thematisierung grundlegender Fragen über die Natur, die soziale, natur- wissenschaftliche, mathematische, ästhetische und musische Bildung zu den zentralen Punkten des Bildungsprogramms. Weitere Bildungsbereiche beschäftigen sich mit den Themen Körper, Bewegung und Gesundheit sowie Kommunikation, Sprache und Schriftkultur. Damit wird der Grundstein für lebenslanges und nachhaltiges Lernen, für Freude an Bildung und eine Inklusion behinderter Kinder gelegt. In dem überarbeiteten Bildungsprogramm, welches 2013 vorliegen wird, wird die Inklusion stärker und als übergreifender Ansatz hervorgehoben.
Das Land Sachsen-Anhalt hat in einer grundlegend überarbeiteten Neuauflage einer 2002 erst- mals erschienenen Publikation einen Leitfaden zu Früherkennung, Handlungsmöglichkeiten und Kooperation zur Vermeidung von „Gewalt gegen Kinder und Jugendliche“ verfasst.
Dieser ist an die pädagogischen Fachkräfte in Schulen, Kindertageseinrichtungen und anderen Kinder- und Jugendeinrichtungen gerichtet. Der Leitfaden bietet ihnen Unterstützung, Gewalt gegen Kinder und Jugendliche frühzeitig zu erkennen und soll die Kontaktaufnahme mit spezia- lisierten Hilfseinrichtungen erleichtern.
Herausforderungen:
In Deutschland sind Kinder mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen Kindern Inhaber al- ler Menschenrechte und Grundfreiheiten. Sie haben das Recht ihre Meinung in allen sie berüh- renden Angelegenheiten frei zu äußern. In den unterschiedlichen Betreuungsformen erhalten sie behinderungsgerechte und altersgemäße Hilfe zur Verwirklichung dieses Rechts. Entschei- dungen in Bezug auf Jungen und Mädchen mit und ohne Behinderungen werden nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung getroffen. Gemäß BGG LSA sollen geschlechtsspezifische Diskriminierungen und Benachteiligungen behinderter Menschen abgebaut und verhindert wer- den. Diese Thematik gehört zu den wichtigen pädagogischen Inhalten bei der Förderung und Betreuung von Kindern. Darüber hinaus regelt das KiFöG gesetzliche Rahmenbedingungen für den qualitätsorientierten Ausbau des Kinderbetreuungssystems. Im Gesetz ist u.a. verankert, dass Kinder ihrem Alter und ihren Bedingungen entsprechend insbesondere bei der Gestaltung des Alltags in der Tageseinrichtung mitwirken können und sollen. Durch die pädagogischen Fachkräfte in Tageseinrichtungen werden sie bei der Ausübung dieses Rechts unterstützt. Kin- der werden bei der Entfaltung ihrer menschlichen Möglichkeiten über das Bewusstsein von Würde und in ihrem Selbstwertgefühl gestärkt sowie bei der Entwicklung ihrer Persönlichkeit, Begabungen und Kreativität gefördert.
Ziel ist es, dass Kindertageseinrichtungen in die Lage versetzt werden, ein inklusives Betreu- ungs- und Förderungsangebot für Kinder mit und ohne Behinderungen anzubieten.
Im KiFöG wird deshalb auch darauf verwiesen, dass für Kinder, die auf Grund von Behinderun- gen oder Benachteiligungen besonderer Förderung und Betreuung bedürfen, entsprechende Angebote zu schaffen sind. Die zum Teil noch bestehenden Barrieren bei den Räumlichkeiten sollen im Rahmen der Investitionsförderung beseitigt werden. Daher ist für die Bewilligung von Investitionsmitteln durch das Ministerium für Arbeit und Soziales bereits seit dem Jahr 2008 eine grundsätzliche Voraussetzung, dass die Räumlichkeiten einschließlich Sanitär- und Zugangsbe- reich für mindestens eine Gruppe jeder Einrichtung barrierefrei gestaltet werden.
Maßnahmenkatalog
Folgende Vorhaben sollen im Instrumentalziel „Frühkindliche Bildung in Kindertageseinrichtun- gen“ umgesetzt werden.
Maßnahmen | Zuständigkeiten | Zeitlicher Rahmen |
Novellierung des Gesetzes zur Förderung und Betreuung von Kin- dern in Tageseinrichtungen und in Tagespflege des Landes Sachsen- Anhalt (Kinderförderungsgesetz - KiFöG) | MS | bis 01.08.2013 |
Fortschreibung des des Bildungs- programms für Kindertageseinrich- tungen in Sachsen-Anhalt „Bildung: elementar – Bildung von Anfang an“ | MS | bis 01.08.2013 |
Investitionsprogramm für Kinderta- geseinrichtungen u.a. zur Verbesserung der Barriere- freiheit | MS | 2007 - 2014 |
5.2.2 Inklusives Bildungsangebot in Schulen
Forderungen der BRK
- Zugang von Menschen mit Behinderungen zum allgemeinen Bildungssystem gleichberech- tigt mit anderen in der Gemeinschaft (Art. 24 Abs. 2a, b), insbesondere angemessene Vor- kehrungen für den Zugang zur allgemeinen Hochschulbildung, Berufsausbildung, Erwach- senenbildung und lebenslanges Lernen (Art. 24 Abs. 5)
- Inklusives Bildungssystem auf allen Ebenen mit dem Ziel der Entfaltung der menschlichen Möglichkeiten, des Bewusstseins der Würde und des Selbstwertgefühls sowie Stärkung der Achtung vor Menschenrechten, vor den Grundfreiheiten und der menschlichen Vielfalt (Art. 24 Abs. 1a)
- Volle Entfaltung der Persönlichkeit, Begabungen, Kreativität, körperlicher und geistiger Fä- higkeiten (Art. 24 Abs. 1b)
- Zugang zu integrativem, hochwertigem und unentgeltlichem Unterricht an Grundschulen und weiterführenden Schulen (Art. 24 Abs. 2 b)
- Befähigung zur wirklichen Teilhabe an einer freien Gesellschaft; Erwerb lebenspraktischer Fertigkeiten und sozialer Kompetenz (Art. 24 Abs. 1c, 3)
- Notwendige Unterstützung innerhalb des allgemeinen Bildungssystems, um erfolgreiche Bil- dung zu erleichtern (Art. 24 Abs. 2d)
- Individuelle Unterstützungsmaßnahmen in einem Umfeld, das bestmögliche schulische und soziale Entwicklung gestattet (Art. 24 Abs. 2e)
- Erleichterungen des Braille-Schrifterwerbs, alternativer Schrift; ergänzende und alternative Formen, Mittel, Formate der Kommunikation, Erwerb von Orientierungs- und Mobilitätsfertig- keiten, Unterstützung durch andere Menschen mit Behinderungen/Mentoring (Art. 24 Abs. 3a)
- Erleichterung des Erwerbs der Gebärdensprache/ Förderung der sprachlichen Identität von Gehörlosen (Art. 24 Abs. 3b)
- Sicherstellung der Bildung blinder, gehörloser und taubblinder Menschen in Sprachen, Kommunikationsformen und -mitteln, die für den Einzelnen am besten geeignet sind (Art. 24 Abs. 3c)
- Einstellung von Lehrkräften, einschließlich solcher mit Behinderungen, die in Gebärdenspra- che oder Brailleschrift ausgebildet sind (Art. 24 Abs. 4)
- Schulung von Fachkräften sowie Mitarbeiter/innen auf allen Ebenen des Bildungswesens; Schärfung des Bewusstseins für Behinderungen, Verwendung geeigneter ergänzender und alternativer Formen, Mittel und Formate der Kommunikation, pädagogische Verfahren und Materialien (Art. 24 Abs. 4)
Der bundesrechtliche Rahmen
In Deutschland gilt für alle behinderten wie nicht behinderten Kinder und Jugendliche, für Kinder und Jugendliche mit und ohne sonderpädagogischem Förderbedarf das Recht auf eine unent- geltliche schulische Bildung, Förderung und Unterstützung. Es besteht bundesweit Schulpflicht sowie das Recht auf kostenlosen schulischen Unterricht; die Ausgestaltung und Organisation fällt in die Kompetenz der Bundesländer. Im Rahmen der Kultusministerkonferenz (KMK) arbei- ten diese bei Bildungsfragen zusammen. Die Ausgestaltung der sonderpädagogischen Förde- rung, der Bildungsangebote für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich.
Im November 2010 verständigte sich die KMK-Amtschefkonferenz darauf, die Quote der inklu- siv/integrativ beschulten Schülerinnen und Schüler zu erhöhen. Es wurde diesbezüglich ein Po- sitionspapier verabschiedet. Am 20. Oktober 2011 beschloss die KMK die Empfehlungen „Inklu sive Bildung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen in Schulen“. Diese sind für die Weiterentwicklung des gemeinsamen Lernens eine wichtige Orientierung.
Bestandsaufnahme auf Landesebene
Der grundsätzliche Bildungs- und Erziehungsauftrag ist im Schulgesetz des Landes Sachsen- Anhalt (SchulG LSA) verankert.
In Erfüllung dieses Auftrages sind die Schulen insbesondere gehalten, den Schülern Kenntnis- se, Fähigkeiten und Werthaltungen zu vermitteln, welche die Gleichachtung und Gleichberechti- gung der Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer Abstammung, ihrer Rasse, ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Identität, ihrer Sprache, ihrer Heimat und Herkunft, ihrem Glauben, ihren religiösen oder politischen Anschauungen fördern, und über Möglichkeiten des Abbaus von Diskriminierungen und Benachteiligungen aufzuklären.
Im Schulgesetz heißt es weiterhin: „Die Integration von Schülerinnen und Schülern mit son- derpädagogischem Förderbedarf in allen Schulformen soll gefördert werden, um auf diese Weise zur Verbesserung der Chancengerechtigkeit beizutragen. Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf sollen gemeinsam unter- richtet werden, wenn die Erziehungsberechtigten der Schülerinnen und Schüler mit sonderpä- dagogischem Förderbedarf dies beantragen, die personellen, sächlichen und organisatorischen Möglichkeiten vorhanden sind oder geschaffen werden können…“ (§ 1 Abs. 3 und 3a SchulG LSA) Diese Festlegung orientiert auf die Möglichkeit des gemeinsamen Unterrichts (der Integration) und verweist zugleich auf be- stimmte Voraussetzungen. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, wird ggf. eine Beschu- lung an einer Förderschule in Erwägung gezogen. „Schülerinnen und Schüler, die einer sonder- pädagogischen Förderung bedürfen, sind zum Besuch einer für sie geeigneten Förderschule oder des für sie geeigneten Sonderunterrichts verpflichtet, wenn die entsprechende Förderung nicht in einer Schule einer anderen Schulform erfolgen kann.“(6 § 39 SchulG LSA.) Gemeinsamer Unterricht an allgemeinen Schulen (alle allgemein bildenden Schulen außer Förderschulen) wird unter Be- reitstellung sonderpädagogischer Kompetenz eingerichtet. Die Zuweisung von Förderschullehr- kräften zum gemeinsamen Unterricht folgt in Sachsen-Anhalt einem schülerbezogenen Faktor. Zur fachgerechten Absicherung des gemeinsamen Unterrichts werden. Lehrkräfte mit sonder- pädagogischer Kompetenz an allgemeine Schulen abgeordnet, um dort langfristig verlässliche Partner zu sein. Ziel ist die Entwicklung didaktisch-methodischer Kompetenzen durch Kompe- tenztransfer sowie die Qualifizierung des binnendifferenzierten Unterrichtens durch vielfältige Formen der Zusammenarbeit von Lehrkräften verschiedener Lehrämter. Dabei kommt den regi- onalen und überregionalen Förderzentren die Aufgabe zu, die Professionalität der Lehrkräfte im gemeinsamen Unterricht zu sichern. Darüber hinaus soll eine Vernetzung mit den allgemeinen Schulen erfolgen, um Prozesse der Reintegration bzw. des Wechsels in den gemeinsamen Un- terricht vorzubereiten und gemeinsam zu führen. Sonderpädagogische Förderung und Unter- stützung erfolgt in der Vielfalt der Lernorte im Einvernehmen mit den elterlichen Bildungs- und Erziehungsplanungen.
Neben den regionalen und überregionalen Förderzentren, die sich gemeinsam mit den allge- meinen Schulen engagieren, die sonderpädagogischen Bildungs- und Unterstützungssysteme auf- und auszubauen und den gemeinsamen Unterricht zu qualifizieren, gibt es im Land Sach- sen-Anhalt weitere Ansprechpartner zur Gewährleistung der erforderlichen Maßnahmen in der sonderpädagogischen Förderung. So hat Sachsen-Anhalt ein Beratungsnetz zur Unterstützung der Förderung autistischer Kinder und Jugendlicher. Hier sind vier Beratungslehrkräfte berufen, die Eltern und Lehrkräfte von autistischen Kindern und Jugendlichen bei Bedarf zu beraten, ge- meinsam mit den Betroffenen und Beteiligten spezifische Lehr- und Lernwege sowie geeignete Medien zu entwickeln und insbesondere Übergänge in der schulischen Biografie zu begleiten. Für nichtsprechende Kinder und Jugendliche gibt es eine Beratungsstelle, die eng mit der Uni- versität Halle kooperiert, um für die betroffene Personengruppe adäquate Bildungsangebote vorhalten zu können.
Die Lehrkräfte des Mobilen Sonderpädagogischen Diagnostischen Dienstes (MSDD) stehen den Schulen und Eltern zur Seite, wenn es um die ggf. erforderliche Feststellung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs geht. Sie sichern ein landeseinheitliches Vorgehen, beraten die Schulen vor der Antragstellung sowie zur Umsetzung der Förderung.
Ein aktueller Erlass zur Aufnahme in die Grundschule sieht vor, für Kinder, die schon vor Schuleintritt über Maßnahmen der Eingliederungshilfe eine besondere Zuwendung erhielten, ei- nen Antrag auf Verschiebung der Einschulung oder einen Antrag zur Feststellung eines mögli- chen sonderpädagogischen Förderbedarfs vor Schuleintritt zuzulassen, wenngleich die Grund- schule durch die zu gestaltende Schuleingangsphase verschiedene Möglichkeiten hat, unter- schiedlichen Lernausgangslagen zum Zeitpunkt des Schuleintritts mit pädagogischen Konzep- ten zu entsprechen. Es soll zunehmend gelingen, die flexible Schuleingangsphase so auszuges- talten, dass Kindern mit ungünstigen Lernausgangslagen ein erfolgreiches Lernen in der Grund- schule gewährleistet wird. Die Schuleingangsphase an Grundschulen ist ein wesentlicher Bau- stein für inklusive Bildungsangebote. Die Grundschulen erhalten dazu eine präventive sonder- pädagogische Grundversorgung, um frühzeitig geeignete Unterstützungsangebote zu entwi- ckeln und vorzuhalten, um möglichst sonderpädagogischen Förderbedarf zu verhindern. Über pädagogische Teams sollen unterschiedliche Zugänge zum erfolgreichen Lernen eingebracht werden.
Ab dem Schuljahr 2010/11 wurde für den Bildungsgang der Förderschule für Lernbehinderte die Festlegung getroffen, dass nicht mehr ausschließlich mit den bisher bekannten Rahmenrichtli- nien, sondern mit schuleigenen Lehrplänen und individuellen Lernplänen in Orientierung an den Lehrplänen der Grund- und Sekundarschule gearbeitet werden soll. Ziel dieser Maßnahme ist es, die Anzahl der Jugendlichen mit anerkannten Schulabschlüssen zu erhöhen und individuelle Lernleistungspotentiale besser auszuschöpfen, um somit Teilhabe- und Lebenschancen zu er- höhen.
Das Land Sachsen-Anhalt verfügt über ein breit angelegtes Fortbildungskonzept für Lehrkräf- te. Vorgesehen sind u.a. Kurse zur integrativen Bildung in Grundschulen (2009-2013) und Se- kundarschulen (2011-2013) sowie Modulkurse zur Gestaltung der Schuleingangsphase. Es be- steht die Möglichkeit zur Qualifikation über ein berufsbegleitendes Studium „Integrationspäda- gogik“. An einem Leitfaden zur integrativen Beschulung in der Sekundarstufe I (Jahrgänge 5-9) wird derzeit gearbeitet.
Seit mehreren Jahren wird am LISA eine Modulfortbildung zur Gestaltung der Schuleingangs- phase angeboten, an der Schulleitungen von Grundschulen verpflichtend teilnehmen. In der Fortbildung bilden inklusive Bildungsansätze und Methoden zum individualisierten Lernen einen wesentlichen Schwerpunkt.
Ebenso werden einjährige Fortbildungskurse zum gemeinsamen Unterricht für Grund-, Sekun- dar- und Förderschullehrkräfte angeboten. Diese Kurse soll es weiterhin geben.
Darüber hinaus gab und gibt es zahlreiche Fachtagungen und Fachgespräche zu Fragen der in- klusiven Bildung an den Schulen. Schwerpunkt dieser Veranstaltungen ist zum einen das Ver- ständnis für Inklusion zu wecken, über Praxisbeispiele den Perspektivwechsel anzuregen und somit langfristig erforderliche Umstellungen in der pädagogischen Arbeit an den Schulen vorzubereiten.
Über Fachgruppen wird daran gearbeitet, die Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften auf die neuen Herausforderungen (gemeinsamer Unterricht, Heterogenität der Lernverbände) auszurichten.
Eine landesweite Arbeitsgruppe hat im September 2011 bis zum Mai 2012 an Empfehlungen zum Ausbau des gemeinsamen Unterrichts gearbeitet, die die bisherige Entwicklung Sachsen- Anhalts berücksichtigen und zugleich die weiteren Möglichkeiten des Landes aufzeigen. Diese Empfehlungen befinden sich in der öffentlichen Diskussion. Bis zum Ende des Jahres 2012 soll im Ergebnis dieser Diskussion das Konzept des Landes zur Weiterentwicklung des gemeinsa- men Unterrichts erstellt werden.
In den Schuljahren 2009/10 und 2010/11 wurde ein Modellversuch „Grundschulen mit Integrati- onsklassen“ durchgeführt. Dieser sollte insbesondere auf die Formen der Zusammenarbeit von Lehrkräften unterschiedlicher Profession orientieren, die notwendigen konzeptionellen Überle- gungen zur Unterrichtsgestaltung herausarbeiten, sowie die Gelingensbedingungen oder Stol- persteine bei der Umsetzung des gemeinsamen Unterrichts im Land untersuchen. Die Ergeb- nisse dieses Modellversuches werden maßgeblich die Maßnahmen zum Ausbau des gemein- samen Unterrichts mitbestimmen. Eine der wichtigsten Voraussetzungen für das Gelingen integrativer oder zunehmend inklusiver Bildungsangebote sind die Einstellungen und Haltungen der handelnden Personen. Die Ergebnisse des Modellversuchs wurden in einer Publikation des Kul- tusministeriums veröffentlicht und können im Internet abgerufen werden.
In Sachsen-Anhalt ist gemeinsamer Unterricht seit 2001 im Schulgesetz verankert. Im Jahr 2005 wurden Förderzentren im Schulgesetz aufgenommen. Mit diesen hat sich gemeinsamer Unterricht zunehmend entwickelt.
Folgende Entwicklung des gemeinsamen Unterrichts kann für Sachsen-Anhalt ausgewiesen werden:
Abbildung: Schuljahr/ Schülerzahl
| Gesamt- schülerzahl | Gesamtschü- lerzahl anFör- derschulen | Förder- schüler in% | Anzahl Schüler imGII' | GUvomHu dertsalzFör- derschüler ... | GUvornHI& dert-Satzder Gesamt- schülerzahl" |
2001/2002 | 291226 | 19278 | 6,6 | 332 | 1,6 | 0,1 |
2002/2003 | 269.448 | 18.523 | 6,8 | 352 | 1,8 | 0,1 |
2003Q004 | 249.595 | 17.594 | 7,0 | 476 | 2,6 | 0,1 |
2004/005 | 230.649 | 16.469 | 7,1 | 534 | 3,1 | 0,2 |
2005/006 | 214.883 | 15.530 | 7). | 655 | 4,0 | 0,3 |
2006/2007 | 200.912 | 14.773 | 7;J | 862 | 5,5 | 0,4 |
2007/008 | 182.941 | 14.310 | 7,8 | 1.079 | 7,0 | 0,5 |
2008/2009 | 175.822 | 13.833 | 7,8 | 1.309 | 8,6 | 0,7 |
2009/2010 | 173.190 | 13.184 | 7,6 | 1.922 | 12,7 | 1,1 |
2010/2011 | 174.758 | 12.888 | 7;J | 2.614 | 16,8 | 1,4 |
2011/2012 | 177.383 | 12.111 | 6,8 | 3.127 | 20,6 | 1,8 |
2012/2013 | 179.714 | 11.663 | 6,4 | 3.707 | 23,9 | 2,0 |
•01e Sch.u. ler 1m gemeinsamen Untemcht umfassen nur die o-ffenthchen Schulen, statistische Erhebungen zum GU an freien Schulen liegen nicht vor.
Abbildung : Schülerzahl im gemeinsamen Unterricht/ Schuljahr
Förderschwerpunkt | 2008/09 | 2009/10 | 2010/11 | 2011/12 | 2012/13 |
Lernen | 282 | 550 | 670 | 1.114 | 1.356 |
geistige Entwick- lung | 15 | 18 | 28 | 37 | 33 |
emotional-soziale Entwickluna | 434 | 582 | 755 | 857 | 1.051 |
Sprache | 289 | 408 | 532 | 634 | 706 |
Hören | 137 | 156 | 178 | 178 | 195 |
Sehen | 34 | 49 | 54 | 72 | 81 |
Körn.-mot.Entw. | 94 | 111 | 139 | 167 | 197 |
Autismus | 24 | 48 | 58 | 68 | 88 |
Gesamt | 1.309 | 1.922 | 2.614 | 3.127 | 3.707 |
Abbildung: Anteil der Schulformen im gemeinsamen Unterricht im Schuljahr 2011/12
Schulform | Anzahl der öffentlichen Schulen | davon Anzahl der Schu- len mitGU | Anteil GU in % |
Grundschulen | 505 | 410 | 81,18 |
Sekundarschulen | 155 | 147 | 94,8 |
Gvmnasien | 66 | 45 | 68,18 |
IGS | 3 | 3 | 100 |
KGS | 3 | 3 | 100 |
Sportschulen Halle | 1 | 1 | 100 |
Gesamt | 733 | 609 | 83,08 |
Abbildung: Verteilung des GU in den Schulformen 2011/12
Grundschule | 1.868 |
Sekundarschule | 1.091 |
Gvmnasien | 108 |
Gesamtschule | 60 |
Abbildung: Anteil am GU in den einzelnen Förderschwerpunkten im Schuljahr 2011/12
(Quelle: Schuljahresanfangsstatistik 2011/12 des LVwNMK)
Förderschwerpunkt | Schülerzahl ge- samt | an Förderschu- len | imGU | in% |
Lernen | 7.661 | 6.513 | 1.114 | 14,5 |
geistige Entwicklung | 2.754 | 2.547 +170fTr. | 37 | 1,3 |
emot.-soziale Ent- wicklung | 1.840 | 770 +213fTr. | 857 | 46,6 |
Sprache | 1.134 | 516 | 634 | 55,9 |
Hören | 560 | 384 | 178 | 31,7 |
Sehen | 263 | 196 | 72 | 27,3 |
körperl.-motor. Enw. | 942 | 775 | 167 | 17,7 |
Autismus | 390* | 322* | 68 | 17,4 |
gesamt | 15.154 | 11.701 + 383 fTr. | 3.127 | 20,6 |
- Schu..lerzahl bei den Fo..rderschulformen schon immanent m1terfasst
Zur Verbesserung der Teilhabe und Schaffung von Barrierefreiheiten in der Kommunikation bei Schülerinnen und Schüler mit Hörschädigungen wurde im Schuljahr 2011/12 ein Lehrplan zur Gebärdensprache entwickelt. In den Schuljahren 2012/13 und 2013/14 soll der Gebärden sprachlehrplan erprobt werden. Nach der Evaluierung der Lehrplanerprobung wird das Fach Gebärdensprache in die Stundentafel der Förderschulen für Gehörlose und Hörgeschädigte aufgenommen. Für die Erprobung des Faches Gebärdensprache haben sich viele Schülerinnen und Schüler der beiden Förderschulen für die beabsichtigten Lerngruppen gemeldet. Der Ent wurf des Gebärdensprachlehrplans ist auf dem Landesbildungsserver eingestellt. Zugleich wird ein Fort- und Weiterbildungskurs für Lehrkräfte angeboten werden, um das Unterrichtsangebot absichern zu können.
In den Regelungen zur Leistungsbewertung wird auf die Anwendung von Nachteilsausgleichen orientiert. Die Formen des Nachteilsausgleichs sind vielfältig und abhängig vom jeweiligen Ein zelfall. In den jährlichen Abschlussprüfungen zum Erwerb des Realschulabschlusses oder des Abiturs finden die erforderlichen Maßnahmen zum Nachteilsausgleich Berücksichtigung, so dass es bisher gelang, dass die zu den Prüfungen zugelassenen Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen/sonderpädagogischem Förderbedarf sowohl an den Förderschulen, als auch im gemeinsamen Unterricht die Prüfungsanforderungen inhaltlich und organisatorisch erfolgreich bewältigen konnten.
Herausforderungen:
Sachsen-Anhalt hat seit vielen Jahren eine hohe Exklusionsquote. D.h., bei vielen Kin- dern/Jugendlichen wird sonderpädagogischer Förderbedarf vermutet und festgestellt. Mit den Maßnahmen der präventiven Grundversorgung und dem Mobilen Sonderpädagogischen Dia- gnostischen Dienst konnte der Trend der letzten Jahre gebrochen werden. Die Anzahl der Schü- lerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf ging nicht nur zahlenmäßig, son- dern auch prozentual zurück, insbesondere im Förderschwerpunkt Lernen, der den größten Um-fang in der sonderpädagogischen Förderung ausmacht.
Die Eltern wählen zur sonderpädagogischen Förderung ihres Kindes zunehmend den gemein- samen Unterricht an der allgemeinen Schule. Im Ergebnis des Feststellungsverfahrens im Jahr 2011 wählten 50 % der Eltern der Kinder mit festgestelltem sonderpädagogischen Förderbedarf den gemeinsamen Unterricht.
Die angebotenen Fortbildungskurse werden von den Lehrkräften der verschiedenen Schulfor- men sehr gut angenommen. Alle Plätze sind ausgeschöpft. Auch der Weiterbildungskurs „Integ- rationspädagogik“ ist sehr gut nachgefragt.
Die Schulleitungen aller Schulformen wurden in zahlreichen Informationsveranstaltungen sowie thematischen Dienstbesprechungen über die Inhalte der BRK sowie über die Vorhaben des Landes zur Umsetzung informiert. Nunmehr ist gilt es, an den Voraussetzungen für einen gelin- genden gemeinsamen Unterricht zu arbeiten.
Schritte, die zur Entwicklung eines inklusiven Bildungssystems an Schulen bisher in Sachsen- Anhalt gegangen wurden, sind:
- die Einrichtung der Schuleingangsphase,
- die Entwicklung von regionalen und überregionalen Förderzentren,
- der schrittweise Ausbau des gemeinsamen Unterrichts,
- die Weiterentwicklung des individuellen Lernens auf der Grundlage der Förderkonzepte und Empfehlungen der KMK.
Das Angebot des Gemeinsamen Unterrichts ist ein erster wichtiger Schritt zur Entwicklung eines inklusiven Bildungssystems an Schulen.
Nach dem Beschluss des Landtages (Drs. 5/87/3079 B) vom 02.02.2011, ist die Entwicklung der schulischen Integration von Kindern und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf weiter umzusetzen:
- Die Landesregierung ist beauftragt, den gemeinsamen Unterricht von Schülerinnen und Schülern mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf schrittweise zur bevorzugten Form der institutionellen Förderung weiter zu entwickeln. Das Ziel besteht darin, deutlich mehr Kindern und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf als bisher den Zu- gang zum Hauptschulabschluss, zum Realschulabschluss und zum Abitur zu eröffnen. Dazu soll das Handlungskonzept der Landesregierung entsprechend weiterentwickelt werden. Diesem Beschluss wird mit der Verabschiedung des Landeskonzeptes zum Ausbau und zur Weiterentwicklung des gemeinsamen Unterrichts entsprochen.
- Zur Beförderung dieses Prozesses sollen die entsprechenden Rahmenbedingungen verbes- sert werden. Dazu zählen insbesondere
-
- die Bereitstellung der dafür notwendigen personellen, sächlichen und administrativen Ressourcen,
- die Intensivierung der spezifischen Fort- und Weiterbildung der Lehrkräfte und der pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
- die Aufnahme integrations- bzw. rehabilitationspädagogischer Ausbildungsanteile in alle Lehramtsstudiengänge.
Aktuell wird an Konzepten gearbeitet, die Schuleingangsphase zu qualifizieren. Darüber hinaus soll ein Netzwerk entstehen, dass die Schulen bei der Lernförderung von Kindern/Jugendlichen mit Lernstörungen, Lernbeeinträchtigungen oder Behinderungen unterstützt und vor allem didaktisch-methodisch berät.
Ziel ist es, durch den Ausbau des gemeinsamen Unterrichts, die Qualifizierung der Schulein- gangsphase, eine Veränderung im Verständnis von Förderdiagnostik, die Veränderungen im Feststellungsverfahren die Zahl der Kinder/Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbe- darf deutlich abzusenken. Zugleich sind mit den vorhandenen Ressourcen die Bedingungen der präventiven und sonderpädagogischen Förderung zu verbessern, um die Teilhabechancen der Betroffenen zu erweitern.
In Sachsen-Anhalt wurde in den Organisationserlass für sonstige Förderschulen ein Wahl- pflichtkurs zur Gebärdensprache aufgenommen. Damit erweitern sich deutlich die Kommunika- tionsangebote für Kinder und Jugendliche mit Hörbeeinträchtigungen. Zugleich wird an einem Lehrplan zur Gebärdensprache gearbeitet, der sich in die Lehrplanwerke mit kompetenzorien- tierten Ansätzen eingliedert und diesen ergänzt. Verbunden damit sind Fortbildungsvorhaben für Lehrkräfte, um das schulische Angebot auch sicher zu stellen.
Maßnahmenkatalog
Folgende Vorhaben sollen im Instrumentalziel „Inklusives Bildungssystem in Schulen“ umge- setzt werden.
Maßnahmen | Zuständigkeiten | Zeitlicher Rahmen |
Bestandsaufnahme durch die Län- der für den Bildungsbereich
allgemeinbildenden Schulen | MK | bis 2014 |
Handlungskonzept der Landesre- gierung:
Mobilen Sonderpädagogischen Diagnostischen Dienstes | MK | Laufend
2010/2011 |
(MSDD) - Änderung der Organisation der sonderpädagogischen Unter- stützung im gemeinsamen Un- terricht |
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Einbindung von sonderpädagogisch kompetenten Lehrkräften in die Kol- legien an Grund-, Sekundar-. Gesamtschulen sowie Gymnasien, an denen gemeinsamer Unterricht stattfindet | MK |
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Fort- und Weiterbildungsangebote für Lehrkräfte | MK |
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Fester Ausbildungsbestandteil: - Lehrerausbildung zum gemein- samen Unterricht und dessen didaktisch-methodische Gestaltung | MK |
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Erprobung des Gebärdensprachlehrplans | MK | 2012-2014 |
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5.2.3 Inklusives Bildungsangebot an Hochschulen, inklusives lebenslanges Lernen
Forderungen der BRK
- Inklusives Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen mit dem Ziel die menschlichen Möglichkeiten sowie das Bewusstsein der Würde und das Selbstwertgefühl voll zur Entfaltung zu bringen und die Achtung vor den Menschenrechten, den Grundfreihei- ten und der menschlichen Vielfalt zu stärken (Art. 24 Abs. 1a)
- Volle Entfaltung der Persönlichkeit, der Begabungen, Kreativität, körperlicher und geistiger Fähigkeiten (Art. 24 Abs. 1b)
- Befähigung zur wirklichen Teilhabe an einer freien Gesellschaft (Art. 24 Abs. 1c)
- Notwendige Unterstützung innerhalb des allgemeinen Bildungssystems, um erfolgreiche Bil- dung zu erleichtern (Art. 24 Abs. 2d)
- Erwerb lebenspraktischer Fertigkeiten und sozialer Kompetenzen, um volle und gleichbe- rechtigte Teilhabe an der Bildung und als Mitglieder der Gemeinschaft zu erleichtern, z.B. durch das Erlernen von Brailleschrift, alternativer Schrift, ergänzenden und alternativen Formen, Mitteln und Formaten der Kommunikation, den Erwerb von Orientierungs- und Mo- bilitätsfertigkeiten, Gebärdensprache sowie die Unterstützung durch andere Menschen mit Behinderungen und das Mentoring (Art. 24 Abs. 3a, b)
- Bildung blinder, gehörloser und taubblinder Menschen in Sprachen, Kommunikationsformen und -mitteln, die für den Einzelnen am besten geeignet sind (Art. 24 Abs. 3c)
- Schulung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf allen Ebenen des Bildungswesens; Schärfung des Bewusstseins für Behinderungen, Verwendung geeigneter ergänzender und alternativer Formen, Mittel und Formate der Kommunikation, pädagogischer Verfahren und Materialien (Art. 24 Abs. 4)
- Sicherstellung eines diskriminierungsfreien und gleichberechtigten Zugangs zu allgemeiner Hochschulbildung, Erwachsenenbildung und lebenslangem Lernen, Schaffung angemesse- ner Vorkehrungen (Art. 24 Abs. 5)
Bestandsaufnahme Bestandsaufnahme auf Bundesebene
Mit der Föderalismusreform ist die Hochschulrahmengesetzgebungskompetenz des Bundes aus dem Grundgesetz gestrichen worden. Der Bund hat im Rahmen der konkurrierenden Gesetzge- bung nur noch die Möglichkeit, Regelungen für die Bereiche Hochschulzulassung und Hoch- schulabschlüsse zu erlassen. Die Bundesländer können von diesen Regelungen abweichen.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert seit vielen Jahren die Informations- und Beratungsstelle „Studium und Behinderung“ (IBS) des Deutschen Studentenwerks. Die IBS ist Kompetenzzentrum für Studierende mit Behinderungen und für alle Akteure im deutschen Hochschulwesen.
Mit der Umsetzung der Nationalen Strategie zur Sozialen Dimension des sog. Bologna- Prozesses in Deutschland (Nationaler Bericht für Deutschland 2007-2009) wurden in den Kriterienkatalog zur Akkreditierung von Studiengän- gen erstmals besondere Kriterien zur Berücksichtigung der Belange von Studierenden mit Be- hinderungen aufgenommen. Mit Blick auf den wachsenden Bedarf an qualifizierten Hochschul- absolventen und -absolventinnen und auf die überdurchschnittlich guten Arbeitsmarkt- und Kar- rierechancen für Hochschulabsolventen und -absolventinnen geht es im Rahmen der nationalen Strategie auch darum, für die bislang unterrepräsentierten Gruppen soziale Hindernisse zu be- seitigen und eine gleichberechtigte Teilhabe zu ermöglichen. Die Hochschulen sollen dafür Sor- ge tragen, dass Studierende mit Behinderungen nicht benachteiligt werden und möglichst ohne fremde Hilfe ihrem Studium nachgehen können. Außerdem müssen Prüfungsordnungen die be- sonderen Belange behinderter Studierender zur Wahrung der Chancengleichheit berücksichti- gen. Seit Januar 2008 wird ein Studiengang nur akkreditiert, wenn die Prüfungsordnung die Be- lange von Studierenden mit Behinderung im Studium und bei Prüfungen explizit berücksichtigt.
Mit der Empfehlung „Eine Hochschule für Alle“ hat die Mitgliederversammlung der Hoch- schulrektorenkonferenz am 21. April 2009 einstimmig beschlossen, Maßnahmen zur Realisie- rung von Chancengerechtigkeit für Studierende mit Behinderungen zu ergreifen. Damit über- nehmen die Hochschulleitungen Verantwortung für die Sicherung und Weiterentwicklung von Chancengleichheit und Teilhabe von Studierenden mit Behinderungen im neuen Studiensystem und die sukzessive Realisierung einer barrierefreien Hochschule. Die Hochschulen erfüllen da- mit gleichzeitig wichtige Anforderungen der Qualitätssicherung, wie sie die Kriterien für die Akk- reditierung von Studiengängen seit 2008 vorgeben.
Die Informations- und Beratungsstelle „Studium und Behinderung“ (IBS) des Deutschen Studen- tenwerks hat in 2011 gefördert durch Mittel des Bundesministeriums für Bildung und Forschung eine Datenerhebung zur Situation Studierender mit Behinderung und chronischer Krank- heit 2011 – „beeinträchtigt studieren“ – durchgeführt. Mit den Ergebnissen der Sondererhe- bung liegen nun erstmals ergänzende detaillierte Daten zur aktuellen Studiensituation von Stu dierenden mit Behinderungen vor.
Ziel der individuellen Förderung nach dem Gesetz zur Förderung der beruflichen Aufstiegs- fortbildung – Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz – (AFBG) ist es, Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Maßnahmen der beruflichen Aufstiegsfortbildung durch Beiträge zu den Kosten der Maßnahme und zum Lebensunterhalt finanziell zu unterstützen. Eine Teilnahme an Maß- nahmen der beruflichen Aufstiegsfortbildung wird bis zur Dauer von 24 Kalendermonaten, in Teilzeitform bis zur Dauer von 48 Kalendermonaten gefördert. Davon abweichend wird die För- derungshöchstdauer angemessen verlängert, soweit die Betreuung eines behinderten Kindes, eine Behinderung des Teilnehmers oder der Teilnehmerin dies rechtfertigen.
Bestandsaufnahme auf Landesebene
Die Landesregierung berücksichtigt bei der Konzeption eigener Maßnahmen und Aktivitäten die Teilhabe aller an Bildung und lebenslangem Lernen.
Die Landesrektorenkonferenz Sachsen-Anhalt hat im Jahr 2011 beschlossen, die Maßnahmen zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen auszuweiten, nachdem sich die Hochschulen des Landes Sachsen-Anhalt in den zurückliegenden Jahren bereits intensiv für die Umsetzung einer möglichst durchgängigen Barrierefreiheit eingesetzt haben. Zugleich sollen künftig regel- mäßige Kontrollen mit anschließender öffentlicher Berichterstattung die Umsetzung des ge- meinsam ausgearbeiteten Handlungsprogramms sichern. Grundlage des Handlungsprogramms bilden die UN-Behindertenrechtskonvention, der Beschluss des Landtages von Sachsen-Anhalt
„Aktionsprogramm Barrierefreies Sachsen-Anhalt“ vom 10.12.2009 (Drs. 5/68/2309 B) und die Empfehlung „Eine Hochschule für alle“ der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) vom 21.04.2009. Ziel ist es, Menschen mit Behinderungen den gleichberechtigten Zugang zur physischen, men- talen und virtuellen Umwelt, zu Transportmitteln, zu Information und Kommunikation sowie zu anderen Einrichtungen und Diensten zu gewährleisten. Unterstützung bei der Definition und Umsetzung geeigneter Maßnahmen finden die Hochschulen durch die Informations- und Bera- tungsstelle „Studium und Behinderung“ (IBS) des Deutschen Studentenwerkes. Eine Beteiligung an der Evaluation der HRK „Eine Hochschule für alle“ ist ebenfalls geplant. Darüber hinaus si- chern die Universitäten, die Kunsthochschule und die Fachhochschulen die Herstellung der Bar- rierefreiheit im Zuge von Neu-, Um- und Erweiterungsbaumaßnahmen und erarbeiten dazu Konzeptionen, die bei der Fortschreibung der Bauplanung zu berücksichtigen sind. Vertrauens- personen und die Behindertenbeauftragten werden frühzeitig in diese Entwicklungen mit einbe- zogen. Die weitere Qualifizierung der Beauftragen für die Angelegenheiten behinderter Hoch- schulangehöriger erfolgt ebenfalls in Zusammenarbeit mit der Informations- und Beratungsstelle
„Studium und Behinderung“ (IBS) des Deutschen Studentenwerkes und dem zuständigen Res- sort der Landesregierung. Im Rahmen der medialen Aktivitäten erhöhen die Hochschulen die Barrierefreiheit bei den Internetpräsenzen sowie bei den Kommunikations-, Organisations-, und elektrischen Lehr- und Lernsystemen. Entsprechende Kriterien finden bei der Auftragsvergabe besondere Berücksichtigung.
In die Zielvereinbarungen mit den Universitäten wurden integrations- und förderpädagogi- sche Ausbildungsbestandteile für alle Lehramtsstudierenden aufgenommen.
In Sachsen-Anhalt haben Studierende mit Behinderung Anspruch auf Finanzierung des behin- derungsbedingten Studienmehrbedarfs im Rahmen der „Hilfen zur schulischen Ausbildung für einen ‚angemessenen’ Beruf einschließlich des Besuchs einer Hochschule“.
Das SGB IX regelt Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, insbesondere die Versorgung durch Hilfsmittel, Hilfen zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten sowie Hilfen zur Förderung der Verständigung mit der Umwelt. Menschen mit besonders starker Be- einträchtigung der Sprachfähigkeit haben Anspruch darauf, dass ihnen erforderliche Hilfen zur Verfügung gestellt oder angemessene Aufwendungen erstattet werden. Im Jahr 2012 hat die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe (BAGüS) die Empfehlungen zu den Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen zum Besuch einer Hoch- schule (Hochschulempfehlungen) an die Auswirkungen des Bologna-Prozesses, die Anforde- rungen der UN-Behindertenrechtskonvention und die aktuelle Rechtsprechung angepasst. Her- vorzuheben sind die Förderung des konsekutiven Master-Studiengangs und die Weiterbewilli- gung von Leistungen bei behinderungsbedingter Studienzeitverlängerung.
Im Behindertengleichstellungsgesetz des Landes sind die Deutsche Gebärdensprache als eigenständige Sprache und lautsprachbegleitende Gebärden als Kommunikationsform der deut- schen Sprache anerkannt. Insbesondere verweist das Gesetz auf den Einsatz von Kommunika- tionsmitteln im Rahmen individuell notwendiger Förderung in Erziehung und Bildung.
Herausforderungen
Die aktuell vorliegenden Kenntnisse sind für eine Beurteilung der Situation von Studierenden mit Behinderungen in Sachsen-Anhalt nicht ausreichend. Aus diesem Grund ist der Beschluss des Landtags vom 13.07.2012 (Drucksache 6/1313) zu begrüßen, mit dem die Landesregierung ge- beten wird, dem Landtag bis Ende 2012 über die Situation von Studierenden und Mitarbeitern mit Behinderung und chronischen Erkrankungen an den Universitäten, Fachhochschulen und der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle zu berichten. Dieser Bericht wird Aufschluss über die aktuellen Handlungsbedarfe geben. Die Landesregierung wird darüber hinaus ein Handlungskonzept in Zusammenarbeit mit den Hochschulen, Fachhochschulen und der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle erarbeiten, welches in den Zielvereinbarungen ab 2014 Berücksichtigung finden soll.
Vergleichbares gilt für die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am lebenslangen Leben in der sog. Erwachsenenbildung. Auch liegen keine umfassenden Auswertungen für das Land Sachsen-Anhalt vor. Aufgrund der Vielfalt der Plattformen des lebenslangen Lernens ist es al- lerdings nicht zielführend die Vereinbarung von Maßnahmen zur Verbesserung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in diesem Handlungsfeld von den Ergebnissen einer Erhebung bzw. Studie abhängig zu machen. Hier bietet sich vielmehr eine konkret operative Vorgehens- weise an, aus deren Evaluation die entsprechenden Schlüsse für notwendige weitere Schritte gezogen werden können.
Im Zusammenhang mit den Anforderungen an die Unterstützung des lebenslangen Lernens ist die demografische Entwicklung von herausragender Bedeutung. Die Alterung unserer Gesellschaft wird neue Formate der Erwachsenenbildung in größerem Umfang erfordern. Neben den klassischen von den Volkshochulen angebotenen Formaten ist auf die Bedeutung des Ausbaus der Breitbandversorgung , die Bereitstellung geeigneter und barrierefreier Angebote im Internet und die Bedeutung des ehrenamtlichen Engagements insbesondere im ländlichen Raum hinzuweisen.
5.3 Arbeit und Beschäftigung
Das Handlungsfeld Arbeit und Beschäftigung greift die in Artikel 27 der Behindertenrechtskon- vention enthaltenen Garantien des gleichberechtigten Zugangs zur Erwerbsarbeit auf und leitet aus diesen die folgenden Zielsetzungen ab:
Fundamentalziel
In Sachsen-Anhalt verfügen Menschen mit Behinderungen über gleiche Rechte und Chancen auf Arbeit wie nicht behinderte Menschen. Sie wählen den Ort von Ausbildung und Arbeit frei und verdienen ihren Lebensunterhalt in einem offenen integrativen Arbeitsmarkt.
Instrumentalziele
- Menschen mit Behinderungen haben in Sachsen-Anhalt Zugang zu beruflicher Bildung und zum allgemeinen Arbeitsmarkt und arbeiten unter gerechten Arbeitsbedingungen.
- Arbeitgeber und Unternehmen in Sachsen-Anhalt sind informiert über die Potentiale der Be- schäftigung und sind sensibilisiert für die Belange ihrer Beschäftigten mit Behinderungen.
5.3.1 Zugang zu beruflicher Bildung, zum allgemeinen Arbeitsmarkt, gerechte Arbeitsbedingungen
Forderungen der BRK
- Gleiches Recht für Menschen mit Behinderungen auf Arbeit, Recht auf Möglichkeit für Men- schen mit Behinderungen, den Lebensunterhalt auf einem offenen, integrativen und zu- gänglichem Arbeitsmarkt durch Arbeit zu verdienen (Art. 27 Abs. 1)
- Freie Wahl und Annahme des Arbeitsumfeldes (Art. 27 Abs. 1)
- Förderung der Verwirklichung des Rechts auf Arbeit, indem u.a. geeignete Schritte unter- nommen werden auch für Menschen, die während der Beschäftigung eine Behinderung er- werben (Art. 27 Abs. 1)
- Verbot der Diskriminierung aufgrund von Behinderung in allen Angelegenheiten im Zusam- menhang mit einer Beschäftigung, einschließlich der Auswahl-, Einstellungs- und Beschäf- tigungsbedingungen, der Weiterbeschäftigung, des beruflichen Aufstiegs sowie sicherer und gesunder Arbeitsbedingungen (Art. 27 Abs. 1a)
- gleiches Recht auf gerechte und günstige Arbeitsbedingungen, einschließlich Chancen-
- gleichheit und gleichen Entgelts für gleichwertige Arbeit, auf sichere und gesunde Arbeitsbedingungen, einschließlich Schutz vor Belästigungen, und auf Abhilfe bei Missständen (Art. 27 Abs.1b)
- Gewährleistung der gleichberechtigten Ausübung von Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsrechten (Art. 27 Abs. 1c)
- Ermöglichung eines wirksamen Zugangs zu allgemeinen fachlichen und beruflichen Bera- tungsprogrammen, Stellenvermittlung sowie Berufsausbildung und Weiterbildung (Art. 27 Abs. 1d)
- Förderung von Beschäftigungsmöglichkeiten und des beruflichen Aufstiegs auf dem Arbeitsmarkt sowie Unterstützung bei der Arbeitssuche, beim Erhalt und der Beibehaltung ei- nes Arbeitsplatzes und beim beruflichen Wiedereinstieg (Art. 27 Abs. 1e)
- Förderung der Möglichkeiten für Selbständigkeit, Unternehmertum, die Bildung von Genos- senschaften und die Gründung eines eigenen Geschäfts (Art. 27 Abs. 1f)
- Beschäftigung im öffentlichen Sektor (Art. 27g)
- Förderung der Beschäftigung im privaten Sektor durch geeignete Strategien und Maßnah- men, wozu auch Programme für positive Maßnahmen, Anreize und andere Maßnahmen gehören können (Art. 27 Abs. 1h)
- Sicherstellung, dass am Arbeitsplatz angemessene Vorkehrungen für Menschen mit Behinderungen getroffen werden (Art. 27 Abs. 1i)
- Förderung des Sammelns von Arbeitserfahrung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (Art. 27 Abs. 1j)
- Programme für die berufliche Rehabilitation, den Erhalt des Arbeitsplatzes und den berufli- chen Wiedereinstieg (Art. 27 Abs. 1k) Unterstützung bei Arbeitssu- che/Arbeitserhalt/beruflichem Wiedereinstieg (Art. 27 Abs. 1e, j und k)
- Verstärkte Nutzung von Programmen zur beruflichen Rehabilitation, zum Erhalt des Ar- beitsplatzes und zum beruflichen Wiedereinstieg und zur Förderung der Berufserfahrung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (Art. 27 Abs. k)
Der bundesrechtliche Rahmen
Das Grundrecht der Berufsfreiheit in Art. 12 Grundgesetz (GG) schützt das Recht eines jeden auf freie Wahl von Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte. Das Grundrecht der Koalitions- freiheit beinhaltet die Möglichkeit Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände zu gründen und sich diesen anzuschließen (Art. 9 GG).
Das Neunte Sozialgesetzbuch (SGB IX) knüpft an das grundgesetzlich verbürgte Grundrecht der Berufsfreiheit an und gewährt Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.
Zur Teilhabe am Arbeitsleben im Sinne des SGB IX werden die Leistungen erbracht, die erfor- derlich sind, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederher- zustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern. Die Leistungen umfassen insbesondere Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes einschließlich der Leistungen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung, der Berufsvorbereitung und der wegen der Behinderung erforderlichen Grundausbildung, die individuelle betriebliche Qualifizie- rung im Rahmen Unterstützter Beschäftigung, die berufliche Anpassung und Weiterbildung, die berufliche Ausbildung, Gründungszuschüsse, sonstige Hilfen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben, um behinderten Menschen eine angemessene und geeignete Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit zu ermöglichen und zu erhalten. Die Leistungen umfassen auch me- dizinische, psychologische und pädagogische Hilfen, Kraftfahrzeughilfen nach der Kraftfahr- zeughilfe-Verordnung, den Ausgleich unvermeidbaren Verdienstausfalls, die Kosten einer not- wendigen Arbeitsassistenz für schwerbehinderte Menschen als Hilfe zur Erlangung eines Ar- beitsplatzes, die Kosten für Hilfsmittel, die wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Be- rufsausübung, zur Teilnahme an einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben oder zur Erhö- hung der Sicherheit auf dem Weg zum Arbeitsplatz und am Arbeitsplatz erforderlich sind und die Kosten technischer Arbeitshilfen, die wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Berufsaus- übung erforderlich sind.
Die besonderen Regeln des SGB IX zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen (Schwerbehin- dertenrecht) dienen der Förderung der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen und ih- rer Gleichstellung im Arbeitsleben. Hierzu zählen u.a. Regelungen zur Begleitung und Betreu- ung schwerbehinderter Menschen und ihrer Arbeitgeber in allen Fragen, die mit der Beschäfti- gung zusammenhängen, zum Zusatzurlaub und zum Kündigungsschutz, insbesondere aber auch die Pflicht der Arbeitgeber zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen: Private und öffentliche Arbeitgeber mit jahresdurchschnittlich monatlich mindestens 20 Arbeitsplätzen haben auf wenigstens 5 Prozent der Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen. Ab- weichend davon haben Arbeitgeber mit jahresdurchschnittlich monatlich weniger als 40 Arbeits- plätzen jahresdurchschnittlich je Monat einen schwerbehinderten Menschen, Arbeitgeber mit jahresdurchschnittlich monatlich weniger als 60 Arbeitsplätzen jahresdurchschnittlich je Monat zwei schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen. Solange Arbeitgeber die vorgeschriebene Zahl schwerbehinderter Menschen nicht beschäftigen, entrichten sie für jeden unbesetzten Pflichtarbeitsplatz für schwerbehinderte Menschen eine Ausgleichsabgabe. Die Zahlung der Ausgleichsabgabe hebt die Pflicht zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen nicht auf.
Die Ausgleichsabgabe wird nur für besondere Leistungen zur Förderung der Teilhabe schwer- behinderter Menschen am Arbeitsleben einschließlich begleitender Hilfe im Arbeitsleben verwendet.
Das SGB IX verpflichtet Arbeitgeber zu prüfen, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen, insbesondere mit bei der Agentur für Arbeit arbeitslos oder arbeitsuchend gemelde- ten schwerbehinderten Menschen, besetzt werden können. Darüber hinaus sind sie verpflichtet durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass in ihren Betrieben und Dienststellen wenigs- tens die vorgeschriebene Zahl schwerbehinderter Menschen eine möglichst dauerhafte Be- schäftigung finden kann. Schwerbehinderte Menschen haben gegenüber ihren Arbeitgebern Anspruch auf eine Beschäftigung, bei der sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können, auf die bevorzugte Berücksichtigung bei innerbetriebli- chen Maßnahmen der beruflichen Bildung zur Förderung ihres beruflichen Fortkommens, auf Erleichterungen zur Teilnahme an außerbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Bildung, be- hinderungsgerechte Einrichtung und Unterhaltung der Arbeitsstätten einschließlich der Be- triebsanlagen, Maschinen und Geräte sowie der Gestaltung der Arbeitsplätze, des Arbeitsum- feldes, der Arbeitsorganisation und der Arbeitszeit, auf Ausstattung ihres Arbeitsplatzes mit den erforderlichen technischen Arbeitshilfen. Schwerbehinderte Menschen haben einen Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung, wenn die kürzere Arbeitszeit wegen Art oder Schwere der Behinde- rung notwendig ist.
Das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) regelt für alle Tätigkeitsbereiche die grundlegenden Ar- beitsschutzpflichten des Arbeitgebers, die Pflichten und die Rechte der Beschäftigten sowie die Überwachung des Arbeitsschutzes. Die Werkstattverordnung (WVO) verweist für die Beschäf- tigung in Werkstätten für behinderte Menschen auf Erfordernisse des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung.
Das Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) enthält Maßgaben zur Prävention im betrieblichen Ar- beitsschutz und zur Unfallverhütung durch die Bestellung von Betriebsärzten, Sicherheitsingeni- euren und anderen Fachkräften für Arbeitssicherheit.
Schwerbehinderte Menschen können zum Erreichen des Arbeits- oder Ausbildungsplatzes Kraftfahrzeughilfen erhalten (Kraftfahrzeughilfe-Verordnung).
Die Rehabilitationsträger, insbesondere die Bundesagentur für Arbeit und die Deutschen Ren- tenversicherungsträger, fördern die Berufliche Rehabilitation (SGB III und SGB IX).
Mit der „Initiative RehaFutur“ hat der Bund weitere Maßnahmen für eine zukunftsgerichtete berufliche Rehabilitation gestartet. Im Zentrum stehen die Personenzentrierung, die Selbstbestimmung, die Prävention und die Individualisierung der Leistungen zur Integration in Arbeit.
Bestandsaufnahme auf Landesebene
Im Juni 2011 betrug die allgemeine Arbeitslosenzahl in Sachsen-Anhalt 133.972 Personen. Die Arbeitslosigkeit war im Vergleich zum Vorjahresmonat um 14.234 Personen gesunken.
Die Zahl der arbeitslosen Schwerbehinderten betrug im Juni 2011 in Sachsen-Anhalt 4.760 Per- sonen. Das waren 406 Personen weniger als im Juni 2010.
In Sachsen-Anhalt sank die Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen in den vergangenen Jahren deutlich.
Die Beschäftigungsquote schwerbehinderter Menschen in Sachsen-Anhalt lag im Berichtsjahr 2009 bei 3,7 Prozent. Bei Arbeitgebern des öffentlichen Diensts lag die Beschäftigungsquote bei 5,2 Prozent und in der Privatwirtschaft bei 2,9 Prozent.
Berufliche Bildung
Im Land Sachsen-Anhalt gibt es derzeit jeweils zwei Berufsbildungs- und Berufsförderungs werke mit 1.040 Plätzen. Berufsbildungswerke sind Einrichtungen der beruflichen Ausbildung, die der Erstausbildung und Berufsvorbereitung junger Menschen mit Behinderungen dienen. Sie führen Qualifizierungen und Trainingsmaßnahmen durch, um u.a. lernbehinderten Absolven ten Perspektiven zum Erwerb eines Arbeitsplatzes bzw. der Verbesserung von Eingliederungs chancen zu eröffnen. Neben Berufen, die für Beeinträchtigte wie Nichtbeeinträchtigte gleicher maßen geeignet sind, können in Berufsbildungswerken auch spezielle Berufe für Menschen mit Behinderungen erlernt werden. Berufsförderungswerke sind auf Aus- und Weiterbildung spezia lisierte Bildungsunternehmen zur beruflichen Rehabilitation für Menschen mit Behinderungen, die schon eine Ausbildung absolviert haben.
Allgemeiner Arbeitsmarkt
Die Richtlinie über die Förderung der Einstellung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen (Fürsorgeerlass für schwerbehinderte Menschen des Landes Sachsen-Anhalt) ist Leitbild und Verpflichtung des öffentlichen Dienstes schwerbehinderte Menschen entspre- chend ihren Fähigkeiten und Kenntnissen zu beschäftigen, ihr berufliches Fortkommen zu för- dern und für sie angemessene Arbeitsbedingungen zu schaffen.
Das Integrationsamt des Landes leistet begleitende Hilfen im Arbeitsleben, die ein wirksames Instrument zur Förderung der beruflichen Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsle- ben darstellen. Durch die Schaffung neuer behinderungsgerechter Arbeitsplätze sowie die be- hinderungsgerechte Umgestaltung bereits vorhandener Plätze wird die Chancengleichheit zwi- schen behinderten und nicht behinderten Menschen gefördert. Persönliche Beratung und finan- zielle Hilfen erleichtern die Berufstätigkeit schwerbehinderter Menschen und fördern die Be- schäftigungsbereitschaft der Arbeitgeber. Dem Integrationsamt steht dazu ein breites Spektrum an Möglichkeiten zur Verfügung. Es berät und fördert sowohl schwerbehinderte Menschen direkt als auch deren Arbeitgeber.
Das Integrationsamt und die von ihm beauftragten Integrationsfachdienste (IFD) sind An- sprechpartner in allen Fragen des Arbeitslebens schwerbehinderter Menschen. IFD sind Dienste Dritter, die bei der Durchführung von Maßnahmen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben beteiligt werden. Sie beraten und betreuen bei Gefährdungen des Arbeitsplat- zes, aber auch bei persönlichen Schwierigkeiten und Konflikten. Die Technischen Beratungs- dienste unterstützen bei der Ausstattung von Arbeitsplätzen und der Organisation von Arbeits- abläufen. Für hörbehinderte Menschen gibt es einen speziellen Fachdienst.
Im Jahr 2010 führten die IFD insgesamt 2.202 Beratungen und längerfristige berufliche Begleitungen durch.
Im Rahmen von Integrationsprojekten werden schwerbehinderte Menschen gefördert, deren Eingliederung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf besondere Schwierigkeiten stößt. Seit dem Jahr 2001 konnten Integrationsprojekte von 15 Integrationsunternehmen und zehn Integrations- abteilungen im Rahmen der begleitenden Hilfen im Arbeits- und Berufsleben im Ergebnis der betriebswirtschaftlichen Begutachtung investiv gefördert werden. Die Projekte sehen sozialver- sicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse vor. Die Integrationsprojekte in Sachsen-Anhalt sind in verschiedenen Branchen angesiedelt, dazu gehören z.B. das Dienstleistungsgewerbe, Gastro- nomie, Hotellerie, aber auch Landschaftspflege, Werbebranche, Touristik, Fitnessbranche sowie Motorenbau und Metallaufbereitung. Gegenwärtig bestehen sieben Integrationsunternehmen und neun Integrationsabteilungen, die überwiegend den Kleinunternehmen zuzuordnen sind. In Integrationsprojekten sind in Sachsen-Anhalt ca. 118 schwerbehinderte Menschen beschäftigt.
Zu den Aufgaben des Integrationsamtes gehört auch die Berufsbegleitung im Rahmen der seit Anfang 2009 geschaffenen Unterstützten Beschäftigung (UB). Im Anschluss an die Finanzie- rung der Unterstützen Beschäftigung durch den Bund wird die Begleitung im Arbeitsleben durch das Integrationsamt sichergestellt.
Das Land fördert die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen auf dem allgemeinen Ar- beitsmarkt mit Mitteln der Ausgleichsabgabe im Rahmen von Arbeitsmarktprogrammen, die auf der Grundlage von Verwaltungsvereinbarungen mit der Bundesagentur für Arbeit bzw. den Trägern der Grundsicherung abgeschlossen werden.
Das sog. „Betriebliche Eingliederungsmanagement“ (§ 84 Abs. 2 SGB IX) dient dem Ziel, Arbeitsunfähigkeit der Arbeitnehmer eines Betriebes möglichst zu überwinden, erneuter Arbeits- unfähigkeit vorzubeugen und den Arbeitsplatz des betroffenen Beschäftigten im Einzelfall zu er- halten. In sog. Integrationsvereinbarungen können Regelungen zur Durchführung der betriebli- chen Prävention und zur Gesundheitsförderung getroffen werden. In Sachsen-Anhalt liegen dem Integrationsamt 26 Integrationsvereinbarungen vor. Davon sind ca. 20 % aus der Privatwirtschaft. (Die Anzahl der Integrationsvereinbarungen hat keinen Vollständigkeitscharakter, da nicht alle Vereinba- rungen gemeldet und registriert werden.)
Zur Erhöhung der Beschäftigungsfähigkeit und für die berufliche Wiedereingliederung von Menschen mit Behinderungen stehen weitere Instrumente, die jeweils einen speziellen Förderansatz verfolgen, zur Verfügung:
Das Land führt Projekte zur Verbesserung der Integrationschancen und gleichzeitiger Eingliederung von Menschen mit körperlichen, geistigen oder seelischen Beeinträchtigun- gen oder Behinderungen in den ersten Arbeitsmarkt durch (beispielsweise Qualifizierung, be- rufliche Begleitung am Arbeitsplatz und sozialpädagogische und ergotherapeutische Betreuung der Teilnehmer).
Die Projekte des aktuellen Förderprogramms Phönix zur beruflichen Wiedereingliederung von Menschen mit Beeinträchtigungen oder Behinderungen in den ersten Arbeitsmarkt aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds verfolgen das Ziel der Schaffung von regulären sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen. Gefördert werden Projekte, durch die sich die Vermittlungschancen von Personen mit körperlichen, geistigen oder seelischen Beeinträch- tigungen oder Behinderungen erhöhen und die gleichzeitig eine Eingliederung auf dem ersten Arbeitsmarkt ermöglichen.
Vom Land Sachsen-Anhalt werden Ideen durch das Förderprogramm Lokales Kapital unter- stützt, die “vor Ort“ entstehen, um Beschäftigungsaktivitäten zu fördern und um Bildungsdefizite und Qualifikationsmängel abzubauen, damit Menschen mit Vermittlungshemmnissen auf dem Arbeitsmarkt integriert werden. Zur Zielgruppe gehören u.a. arbeitslose Personen mit Vermitt- lungshemmnissen, z.B. mit Behinderungen.
Die Richtlinie „Einzelprojekte zur präventiven Arbeitsmarktförderung, Förderbereich F“ richtet sich an Personen aus besonderen Zielgruppen, die neben der Regelförderung für Ziel- gruppen am Arbeitsmarkt in Projekten mit innovativem Projektinhalt gefördert werden sollen. Zu den Zielgruppen gehören bspw. Menschen mit Behinderungen, Migranten, Langzeitarbeitslose oder auch Jugendliche nach der Ausbildung.
Selbständigkeit
Für viele Menschen mit Schwerbehinderung ist die Selbstständigkeit eine, manchmal auch die einzige praktische Möglichkeit am Arbeitsleben teil zu haben. Schwerbehinderte Menschen können die gleiche Förderung erhalten wie andere Unternehmensgründer. Ergänzend gewährt das Integrationsamt Darlehen oder Zuschüsse insbesondere für die behinderungsgerechte Ges- taltung des Arbeitsplatzes. In Sachsen-Anhalt werden schwerbehinderte Existenzgründer im Rahmen eines Modellprojekts intensiv beraten und auf dem Weg in die Selbständigkeit begleitet.
Beschäftigung in Werkstätten für behinderte Menschen
Im Land Sachsen-Anhalt gibt es 33 anerkannte Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) sowie 69 Betriebsstätten und zahlreiche Außenarbeitsplätze für behinderte Menschen. Sach- sen-Anhalt erteilt zudem eine Vielzahl von Aufträgen an die WfbM. In Sachsen-Anhalt arbeiten ca. 11.000 Menschen in einer Werkstatt.
Mit Stand vom 31.12.2010 wurden im Eingangsverfahren/Berufsbildungsbereich 1.152 Leis- tungsberechtigte und im Arbeitsbereich 10.006 Menschen mit Behinderungen betreut.
Herausforderungen:
Ein Schwerpunkt der Teilhabepolitik in Sachsen-Anhalt liegt darin, Menschen mit Behinderun- gen den Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt zu eröffnen und zu garantieren. Der Zugang zum Arbeitsleben wird bereits durch ein Bündel von Maßnahmen und Programmen unterstützt. Obwohl Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten für Unternehmen und Betriebe zur Verfü- gung stehen, finden Menschen mit Behinderungen insbesondere aufgrund der schwierigen Rahmenbedingungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in Sachsen-Anhalt und aufgrund des unzureichend erkannten Potentials keine langfristige Beschäftigung. Sofern die Zugangsvoraus- setzungen vorliegen, arbeiten sie in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen oder sind auf andere Sozialleistungen angewiesen.
Auch Berufsausbildungen von Menschen mit Behinderungen finden noch zu wenig auf dem all- gemeinen Arbeitsmarkt statt. Den Abschluss eines Ausbildungsvertrages verhindern nicht selten Unsicherheiten und Bedenken der Arbeitgeber, die durch fachkundige Beratung und längerfristi- ge Unterstützung behoben werden können. Insbesondere ist der Übergang von Schülerinnen und Schülern aus den Förderschulen in das Berufsleben zu unterstützen. Schülerinnen und Schüler mit geistiger Behinderung nehmen nach Beendigung der Schulzeit gegenwärtig bis auf wenige Ausnahmen die Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen auf. Insbe- sondere auch die Schülerinnen und Schüler von Förderschulen mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung sollen im Rahmen von Praktika Erfahrungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sammeln. Im Rahmen der sog. Initiative Inklusion wird der Übergang von Absolventen von Förderschulen auf den allg. Arbeitsmarkt bzw. den allgemeinen Ausbildungsmarkt gefördert.
Dieser Ansatz ist zu verstetigen und auch nach Auslaufen des Bundesprogramms weiter zu verfolgen.
Das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) sorgt dafür, dass Beschäftigte – unabhängig davon, ob eine Behinderung vorliegt – ihren Arbeitsplatz auf Dauer halten können. Bei klei- nen und mittleren Unternehmen, in denen der weit überwiegende Teil aller Arbeitnehmer/innen beschäftigt ist, muss das Betriebliche Eingliederungsmanagement jedoch stärker verbreitet werden.
Menschen mit Behinderungen, die in Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation Aufnahme ge- funden haben, gelangen nicht in allen Fällen wieder in eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Nicht selten sind sog. Maßnahmekarrieren festzustellen. Die Erfolge von Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation sind trägerübergreifend für Sachsen-Anhalt zu analysie- ren. Die berufliche Rehabilitation ist auszurichten auf eine schnelle Wiedereingliederung in das Arbeitsleben. Hierbei müssen die Träger der Rehabilitation eng zusammenarbeiten.
Maßnahmenkatalog
Folgende Vorhaben sollen im Instrumentalziel „Zugang zu beruflicher Bildung, zum allgemeinen Arbeitsmarkt und gerechte Arbeitsbedingungen“ umgesetzt werden:
Maßnahmen | Zuständigkeiten | Zeitlicher Rahmen |
Umsetzung der Initiative Inklusion des BMAS im Land:
petenz bei Kammern | MS, MK, BA, InA | bis 2018 |
Ergänzung und Fortführung der Initiative Inklusion im Rahmen eines Landespro- gramms
Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt | MS, MK, BA, InA | bis 2020 |
Mitwirkung bei der Weiterentwicklung des Rechts der Teilhabe am Arbeitsle- ben auf Bundesebene | MS | bis 2015 |
Unterstützung und Etablierung von Integ- rationsprojekten | MS, InA | laufend |
Weiterentwicklung von Angeboten der beruflichen Bildung | MS, BA, InA, Kam- mern | bis 2016 |
Verbesserung der Beschäftigungsquote schwerbehinderter Menschen im Lan- desdienst | alle Ressorts | laufend |
Arbeitsplätze für blinde und sehbehinder- te Menschen in der Landesverwaltung | alle Ressorts | ab 2013 |
Weiterentwicklung der Instrumente zur Unterstützung der Beschäftigung auf dem allg. Ausbildungs- und Arbeitsmarkt | MS, InA, BA, zkT | ab 2013 |
Konzept zur Anerkennung der in Werk- stätten für behinderte Menschen erwor- benen Fähigkeiten und Qualifikationen | MS, BA | bis 2013 |
Umsetzung des Konzeptes zur Anerken- nung der in Werkstätten für behinderte Menschen erworbenen Fähigkeiten und Qualifikationen | MS, BA | ab 2013 |
Beschäftigung von Menschen mit schwersten Behinderungen im Arbeitsbe- reich der Werkstatt | MS, Sozialagentur | ab 2014 |
Modularisierung der Leistungen der Werkstatt für Menschen mit Behinderun- gen zwecks Gewährung von persönli- chen Budgets | MS, Sozialagentur | ab 2013 |
Unterstützung von Betrieben bei der Gestaltung des betrieblichen Eingliede- rungsmanagements | MS, InA | laufend |
Analyse der Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation mit Blick auf die schnelle Integration in den allgemeinen Arbeits- markt | MS, alle Träger der beruflichen Rehabili- tation | ab 2014 |
Weiterentwicklung der Zusammenarbeit der Träger der beruflichen Rehabilitation zwecks schneller Eingliederung in Arbeit | MS, alle Träger der beruflichen Rehabili- tation | ab 2015 |
5.3.2 Information und Sensibilisierung von Arbeitgebern und Unternehmen
Konkrete Forderungen der BRK
- Gleiches Recht für Menschen mit Behinderungen auf Arbeit, Recht auf Möglichkeit für Men- schen mit Behinderungen, den Lebensunterhalt auf einem offenen, integrativen und zu- gänglichem Arbeitsmarkt durch Arbeit zu verdienen (Art. 27 Abs. 1)
- Verbot der Diskriminierung aufgrund von Behinderung in allen Angelegenheiten im Zusam- menhang mit einer Beschäftigung, einschließlich der Auswahl-, Einstellungs- und Beschäf- tigungsbedingungen, der Weiterbeschäftigung, des beruflichen Aufstiegs sowie sicherer und gesunder Arbeitsbedingungen (Art. 27 Abs. 1a)
- gleiches Recht auf gerechte und günstige Arbeitsbedingungen, einschließlich Chancen- gleichheit und gleichen Entgelts für gleichwertige Arbeit, auf sichere und gesunde Arbeits- bedingungen, einschließlich Schutz vor Belästigungen, und auf Abhilfe bei Missständen (Art. 27 Abs.1b)
- Gewährleistung der gleichberechtigten Ausübung von Arbeitnehmer- und Gewerkschafts- rechten (Art. 27 Abs. 1c)
- Ermöglichung eines wirksamen Zugangs zu allgemeinen fachlichen und beruflichen Bera- tungsprogrammen, Stellenvermittlung sowie Berufsausbildung und Weiterbildung (Art. 27 Abs. 1d)
- Sicherstellung, dass am Arbeitsplatz angemessene Vorkehrungen für Menschen mit Behin- derungen getroffen werden (Art. 27 Abs. 1i)
Der bundesrechtliche Rahmen
Dem Schutz vor Diskriminierungen und Benachteiligungen im Erwerbsleben, z. B. bei Stellen- ausschreibungen oder bei der Auswahl von Bewerbern mit Behinderung im Bereich von Arbeit und Beschäftigung dienen vor allem die Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehand- lungsgesetzes (AGG), des Behindertengleichstellungsgesetzes des Bundes (BGG) aber auch Regelungen im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) und im Bundespersonalvertre- tungsgesetz (BPersVG).
Die Integrationsämter sollen im Rahmen ihrer im SGB IX aufgeführten Aufgaben Einfluss, z.B. durch Schulungs- und Bildungsveranstaltungen und Aufklärungsmaßnahmen, darauf nehmen, dass Barrieren im Arbeitsleben verhindert oder beseitigt werden.
Bestandsaufnahme auf Landesebene
Das Behindertengleichstellungsgesetz Sachsen-Anhalt (BGG LSA) fordert den Abbau und die Verhinderung von Diskriminierungen von Menschen mit Behinderungen bei der Teilhabe am Arbeitsleben.
Im Bereich des öffentlichen Sektors fördert der Personalrat lt. Landespersonalvertretungsgesetz (PersVG LSA) die Eingliederung von schwerbehinderten Beschäftigten.
Das Beamtenrecht von Sachsen-Anhalt und das Tarifrecht für Arbeitnehmer des Landes wer- den der BRK gerecht. Nach der Laufbahnverordnung (LVO LSA) dürfen schwerbehinderte oder diesen gleichgestellte Menschen bei der Einstellung, der Übertragung von Dienstposten, der Beförderung oder bei einem Aufstieg nicht aufgrund ihrer Behinderung benachteiligt werden. Bei der Einstellung darf nur das Mindestmaß körperlicher Eignung für die Wahrnehmung der Laufbahnaufgaben verlangt werden. Schwerbehinderte Menschen haben bei der Einstellung Vorrang vor gesetzlich nicht bevorrechtigten Personen gleicher Eignung, Befähigung und fachli- cher Leistung. Beamte bzw. Arbeitnehmer beziehen bei gleichwertigen Ämtern bzw. Entgelt- gruppen auch die gleiche Vergütung für ihre Leistungen.
In Sachsen-Anhalt ist im Jahr 2010 erstmalig der Preis „Pro Engagement – Auszeichnung für Unternehmen mit besonderem Engagement für Menschen mit Behinderungen“ als Form der Anerkennung für besonderes Engagement bei der Einstellung und Beschäftigung von Men- schen mit Behinderungen sowie der vorbildlichen Einführung eines betrieblichen Eingliede- rungsmanagements (BEM) verliehen worden. Die Preisverleihung erfolgte in den drei Katego- rien: Private Arbeitgeber (beschäftigungspflichtig), Öffentliche Arbeitgeber (beschäftigungspflich- tig) und Nicht-Beschäftigungspflichtige Arbeitgeber. Der Preis wurde mit jeweils 20.000,- Euro dotiert. Daneben wurden noch in jeder Kategorie Ehrenpreise vergeben. Die Preisverleihung soll alle 2 Jahre stattfinden.
Herausforderungen:
Die Möglichkeiten der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sind in der Unternehmerschaft und bei den Kammern noch längst nicht hinreichend bekannt. Fehlvorstellungen über die rechtlichen und tatsächlichen Folgen der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen verhindern vielfach eine in Betracht gezogene Anstellung. Dies gilt insbesondere mit Blick auf den besonderen Kündigungsschutz, den schwerbehinderte Be- schäftigte genießen. Das Ausmaß dieses besonderen Kündigungsschutzes wird regelmäßig überschätzt. Diese Fehlvorstellung verhindert zu oft die Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen. Die Potentiale von Menschen mit Behinderungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt werden regelmäßig unterschätzt. Die begleitenden Hilfen im Arbeitsleben sind in der Unterneh- merschaft nicht hinreichend bekannt.
Ziel des Landesaktionsplans muss es daher sein, Unternehmen und Arbeitgeber – auch im Hin- blick auf den drohenden Fach- und Arbeitskräftemangel – zu sensibilisieren, Menschen mit Be- hinderungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu beschäftigen und ihre Rechte wie die Rechte von Menschen ohne Behinderungen anzuerkennen und zu wahren. Dazu zählt auch die gleich- wertige Entlohnung der Arbeitskraft von Menschen mit Behinderungen.
Die Träger der beruflichen Rehabilitation müssen noch entschiedener zusammenarbeiten, um gemeinsam die schnelle Eingliederung in den allgemeinen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zu unterstützen. Die Kommunikation aller Träger der beruflichen Rehabilitation muss gegenüber Unternehmen, Arbeitgebern, Kammern und Leistungserbringern konsistent im Sinne der hier dargestellten Zielstellungen sein.
Maßnahmenkatalog
Folgende Vorhaben sollen im Instrumentalziel „Sensibilisierung von Arbeitgebern und Unter- nehmen“ umgesetzt werden.
Maßnahmen | Zuständigkeiten | Zeitlicher Rahmen |
Sensibilisierung und Gewinnung von Arbeitge- ber/innen für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen gemeinsam mit Partnern aus Wirtschaft, Gewerkschaft, Rehabilitationsträgern und den Interessenverbänden | MS, MW | ab 2012 |
Informationen für Arbeitgeber zu den Möglichkei- ten und den Rahmenbedingungen der Ausbildung und der Beschäftigung von Menschen mit Behin- derungen | MS, InA | ab 2012 |
Darstellung der Möglichkeiten von Integrations- projekten: Gute Beispiele, Förderung | MS, InA | ab 2013 |
Preisverleihung an Unternehmen aus Sachsen- Anhalt: „Pro-Engagement für Arbeitsplätze von Menschen mit Behinderungen“ | LBB | alle zwei Jahre |
Verbesserung der Inklusionskompetenz bei den Kammern | MS | ab 2012 |
Trägerübergreifende Bewertung der beruflichen Rehabilitation in Sachsen-Anhalt | MS, Reha-Träger | ab 2014 |
5.4. Gesundheit, Habilitation, Rehabilitation und Pflege
Dieses Handlungsfeld nimmt die Forderungen aus Artikel 25 (Gesundheit) und 26 (Habilitation und Rehabilitation) der UN-Behindertenrechtskonvention auf und umfasst die folgenden Zielset- zungen.
Fundamentalziel
In Sachsen-Anhalt kommen alle Menschen in den Genuss der gleichen hochwertigen Gesund- heitsdienste, Leistungen der Habilitation, Rehabilitation und der Pflege. Die Dienste werden niedrigschwellig und gemeindenah auch in ländlichen Gebieten angeboten. Ärzte, medizini- sches Personal sowie Leistungserbringer und Rehabilitationsträger sind für die Belange von Menschen mit Behinderungen sensibilisiert und fachlich qualifiziert. Beratung und Begleitung findet trägerübergreifend und qualifiziert durch Menschen mit und ohne Behinderungen statt.
Instrumentalziele
- Zugang zu Leistungen der Gesundheitsversorgung
- Zugang zu Leistungen der Habilitation, Rehabilitation und Pflege
5.4.1 Gesundheit
Forderungen der BRK
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Der bundesrechtliche Rahmen
Das Recht auf Versicherungsschutz in der gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung steht allen Menschen zu. Versicherte haben nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) Anspruch auf die erforderlichen Leistungen zur Krankenbehandlung. Die Leistungen umfas- sen insbesondere die ärztliche, zahnärztliche und psychotherapeutische Behandlung, die Ver- sorgung mit Arznei-, Verbands-, Heil- und Hilfsmitteln, die häusliche Krankenpflege sowie die Krankenhausbehandlung. Die gesetzliche Krankenversicherung nimmt eine maßgebliche Rolle im System der gesundheitlichen Sicherung ein. Sie stellt allen Versicherten Sachleistungen zur Krankenbehandlung zur Verfügung, die dem anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnis- se entspricht. Die Sicherstellung einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen ver- tragsärztlichen Versorgung der Versicherten in Sachsen-Anhalt unter Berücksichtigung der an- erkannten Standards der medizinischen Erkenntnisse obliegt der Kassenärztlichen Vereinigung.
Zur Sicherstellung der wohnortnahen, bedarfsgerechten und flächendeckenden medizinischen Versorgung und vor dem Hintergrund des sich abzeichnenden Mangels an Ärztinnen und Ärzten in ländlichen Regionen hat der Bund im Jahr 2012 mit dem Gesetz zur Verbesserung der Ver- sorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VStG) umfassende Maßnahmen auf den Weg gebracht. In den unterversorgten Regionen werden neue Versor- gungsstrukturen jenseits der klassischen Praxismodelle organisiert. Eine leistungsgerechte Ver- gütung soll bewirken, dass sich die Bedingungen für Ärzte in strukturschwachen Gebieten we- sentlich verbessern. Die Neuregelungen zielen vor allem ab auf die bessere Versorgung für die Patienten, flexiblere Versorgungsstrukturen auf dem Land, Anreize für Ärzte in strukturschwachen Gebieten, gute Rahmenbedingungen für den Arztberuf und eine zielgenaue Bedarfspla- nung. Die Bedarfsplanung wird flexibel ausgestaltet mit erweiterten Einwirkungsmöglichkeiten für die Länder. Mit der Lockerung der Zweigpraxenregelung und der generellen Aufhebung der Residenzpflicht haben Ärztinnen und Ärzte zudem die Möglichkeit, eine Praxis unabhängig von ihrem Wohnort zu betreiben oder mehr als eine Praxis zu unterhalten, um die Wege für die Pati- enten zu verkürzen. Mobile Versorgungskonzepte werden gefördert, die Rechtsgrundlagen für den Betrieb von Eigeneinrichtungen durch Kassenärztliche Vereinigungen und durch Kommu- nen verbessert bzw. geschaffen. Die Möglichkeiten der Delegation ärztlicher Leistungen und der Telemedizin werden ausgebaut. Mit der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung erhalten Menschen mit bestimmten schweren Verlaufsformen von Erkrankungen wie HIV/Aids, Krebs, Multiple Sklerose und anderen schweren oder seltenen Erkrankungen eine qualitativ hochwerti- ge interdisziplinäre Behandlung. Das Entlassmanagement wird als Teil des Anspruchs auf Krankenhausbehandlung konkretisiert. Die Verbindlichkeit des Entlassungsmanagements wird hierdurch erhöht.
Nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist beim Abschluss einer privaten Versicherung eine Benachteiligung aus Gründen einer Behinderung unzulässig. Eine unter- schiedliche Behandlung aufgrund einer Behinderung ist nur dann zulässig, wenn diese auf an- erkannten Prinzipien risikoadäquater Kalkulation beruht. Menschen mit Behinderungen haben grundsätzlich die Möglichkeit, sich in der privaten Krankenversicherung im so genannten Basis- tarif zu versichern. Leistungsausschlüsse oder Risikozuschläge sind nicht zulässig. Diese Leis- tungen müssen in Art, Umfang und Höhe mit denen der gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbar sein.
Nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG) haben Menschen mit Behinderungen und ihre Familien einen Anspruch auf Beratung und Informationen über soziale und wirtschaftli- che Hilfen für Schwangere.
Durch die Neufassung der Heilmittel-Richtlinie im Jahr 2011 wird Menschen mit dauerhaften schweren Behinderungen sowie für Kinder und Jugendliche der Zugang zur Heilmittelbehand- lung erleichtert. Sie können jetzt ohne erneute Überprüfung des Behandlungsbedarfs eine lang- fristige Genehmigung von Heilmittelbehandlungen von ihrer gesetzlichen Krankenkasse erhal- ten. Darüber hinaus ist eine Heilmittelbehandlung für Kinder und Jugendliche mit einer beson- ders schweren, und langfristigen Beeinträchtigung nunmehr auch ohne Verordnung eines Hausbesuchs in bestimmten Einrichtungen außerhalb der Praxis möglich.
Die gesetzlichen Krankenkassen kommen für Hilfsmittel auf, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorbeugen oder eine bereits vorhandene Behinderung ausgleichen. Ein Anspruch kann auch im Rahmen von medizinischen Vorsorgeleistungen bestehen, beispielsweise wenn die Versorgung mit ei- nem Hilfsmittel notwendig ist, um Pflegebedürftigkeit zu vermeiden. Der Versorgung mit einem Hilfsmittel muss die Krankenkasse grundsätzlich zustimmen. Dies gilt auch dann, wenn das Hilfsmittel ärztlich verordnet worden ist.
Das Gesetz zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs im Krankenhaus vom 30. Juli 2009 sieht vor, dass pflegebedürftige behinderte Menschen bei stationärer Krankenhausbehandlung ihre Assistenzpflege weiterhin in Anspruch nehmen können. Neben dem Anspruch auf Mitauf- nahme der Assistenzpflegeperson in die Einrichtung erhalten sie danach für die gesamte Dauer der stationären Krankenhausbehandlung weiterhin das Pflegegeld sowie die Hilfe zur Pflege.
Das Gesetz zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs in stationären Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen, das am 01.01.2013 in Kraft treten wird, greift diese Zielrichtung auf und erstreckt diese Maßnahmen auch auf die stationäre Behandlung in Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen.
Einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Situation von chronisch Kranken und Men- schen mit Behinderungen leistet die gesundheitliche Selbsthilfe. Es besteht eine Verpflichtung der gesetzlichen Krankenversicherung zur Förderung von Selbsthilfegruppen, -organisationen und -kontaktstellen.
Bestandsaufnahme auf Landesebene
Der Öffentliche Gesundheitsdienst schützt und fördert nach dem Gesetz über den Öffentlichen Gesundheitsdienst und die Berufsausübung im Gesundheitswesen im Land Sachsen- Anhalt (Gesundheitsdienstgesetz - GDG LSA) die Gesundheit der Bevölkerung. Er wirkt an einer bedarfsgerechten gesundheitlichen Versorgung insbesondere mit bei der Gesundheitsför- derung, der Gesundheitsvorsorge, dem Gesundheitsschutz und der Gesundheitshilfe, der Ge- sundheitsberichterstattung und Gesundheitsplanung, der Überwachung der Berufsangehörigen im Gesundheitswesen und ihrer Einrichtungen mit. Die Aufgabenzuweisung nach bundesrechtli- chen Vorschriften, insbesondere nach den Vorschriften des Fünften Buches Sozialgesetzbuch, und besonderen landesrechtlichen Vorschriften bleibt unberührt. Der Öffentliche Gesundheits- dienst ergänzt bei Bedarf die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung und leistet die erfor- derlichen Hilfen. Auf der Grundlage der Gesundheitsberichte entwickelt der Öffentliche Gesund- heitsdienst in Abstimmung vor allem mit den im Land nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch zuständigen Körperschaften fachliche Zielvorstellungen für den jeweiligen Zuständigkeitsbereich zur medizinischen Beratung, Betreuung und Versorgung, insbesondere für die Betreuung und Versorgung von seelisch, geistig und körperlich behinderten, psychisch kranken und abhängig- keitskranken sowie älteren Menschen. Er leistet Personen mit seelischen oder geistigen Behinderungen oder Erkrankungen Gesundheitshilfe nach dem Gesetz über Hilfen für psychisch Kranke des Landes Sachsen-Anhalt. Er fördert die Zusammenarbeit aller auf dem Gebiet der Suchtprävention und Suchtkrankenhilfe tätigen Personen und Institutionen.
Nach dem Gesetz über Hilfen für psychisch Kranke und Schutzmaßnahmen des Landes Sachsen-Anhalt (PsychKG LSA) ist bei allen Hilfen, Behandlungs- und Therapiemaßnahmen auf den Zustand des Kranken oder Behinderten besondere Rücksicht zu nehmen. Wie bei kör- perlich Kranken haben ambulante Behandlungs- und Therapiemaßnahmen Vorrang vor einer stationären Unterbringung. Durch nachsorgende Hilfsmaßnahmen soll den aus stationärer psy- chiatrischer Behandlung oder aus einer Unterbringung entlassenen Personen der Übergang in das Leben außerhalb stationärer Einrichtungen und die Eingliederung in die Gemeinschaft erleichtert werden. Die Hilfen sollen auch darauf gerichtet sein, bei denjenigen, die mit dem Be- troffenen in näherer Beziehung stehen, Verständnis für seine besondere Lage zu wecken und die Bereitschaft zur Mitwirkung bei der Behebung seiner Schwierigkeiten zu fördern und zu er- halten. Die Leistung der Hilfen obliegt den Landkreisen und kreisfreien Städten als Aufgabe des übertragenen Wirkungskreises. Zur Leistung der Hilfen richten die Landkreise und kreisfreien Städte beim Gesundheitsamt einen sozialpsychiatrischen Dienst ein. Der sozialpsychiatrische Dienst soll mit Körperschaften, Behörden, Organisationen, Hilfsvereinen und Personen zusam- menarbeiten, die seine eigenen Maßnahmen unterstützen und ergänzen. Dazu gehören insbe- sondere Gemeinden, Krankenhäuser, Leistungsträger von Sozialleistungen, Verbände der Frei- en Wohlfahrtspflege, Träger von Sozialeinrichtungen und niedergelassene Ärzte.
Das Förderprojekt „Vernetzte Versorgungszentren“ erprobt eine neue Art der Zusammenar- beit von Ärzten bei der Versorgung der Versicherten mit dem Ziel des Aufbaus von vernetzten Versorgungszentren mit nachgeordneten Filialpraxen. Freiwerdende versorgungsrelevante Pra- xen insbesondere in ausgedünnten Regionen, die sich aufgrund des reduzierten Behandlungs- bedarfs nicht mehr betriebswirtschaftlich führen lassen bzw. die sich auf Grund des aktuellen Ärztemangels trotz grundsätzlich vorhandenen wirtschaftlichen Potenzials nicht wieder neu be- setzen lassen, sollen durch die Kassenärztliche Vereinigung unter dem Dach eines Versor- gungszentrums als Filialpraxis betrieben werden.
Im Rahmen des Projektes „Stipendienprogramm“ erhalten Medizinstudierende, die sich ver- pflichten, eine bestimmte Zeit in Regionen mit Sicherstellungsbedarf, insbesondere im ländli- chen Raum, vertragsärztlich tätig zu sein, Stipendien. Eine Förderung ist bis 2013 möglich.
Die vom Land geförderte Qualifizierung von Praxisassistent/innen zur Vermeidung der medizinischen Versorgungslücke ist abgeschlossen. Insgesamt haben 60 Frauen erfolgreich die Maßnahme absolviert und werden nunmehr für arztentlastende Tätigkeiten (z. B. im Rahmen von Hausbesuchen) insbesondere in ländlichen Regionen eingesetzt.
Zur Umsetzung des Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetz- lichen Krankenversicherung soll für den Bereich des Landes ein gemeinsames Gremium aus Vertretern des Landes, der Kassenärztlichen Vereinigung, der Landesverbände der Kranken- kassen sowie der Ersatzkassen und der Landeskrankenhausgesellschaft sowie weiteren Betei- ligten gebildet werden, das Empfehlungen zu sektorenübergreifenden Versorgungsfragen erarbeitet.
Herausforderungen:
In Sachsen-Anhalt haben Menschen mit Behinderungen den gleichen Zugang zu einer ge- schlechtsspezifischen und erschwinglichen Gesundheitsversorgung wie nicht behinderte Men- schen. Versorgungsengpässe, die sich ausschließlich auf Menschen mit Behinderungen bezie- hen, sind nicht bekannt. Allerdings sind Maßnahmen der Aufklärung über die Belange von Pati- enten mit Behinderungen notwendig, um den besonderen Bedarfslagen noch besser und um- fassend gerecht zu werden. Darüber hinaus sind noch nicht alle medizinischen Einrichtungen, insbesondere noch nicht alle Arztpraxen barrierefrei zugänglich. Auch sind Informationen über medizinischen Leistungen, auf die ein Anspruch besteht, noch nicht in ausreichendem Maße barrierefrei zugänglich.
Mit Blick auf die Folgen des demografischen Wandels stellt die Sicherstellung einer flächende- ckenden ärztlichen Versorgung eine besondere Herausforderung dar. Sachsen-Anhalt ist durch einen überdurchschnittlich hohen Anteil älterer Menschen geprägt. Die Bevölkerung des Landes schrumpft aufgrund von Wanderungsverlusten und einem hohen Geburtendefizit bis 2050 um rund 35 Prozent. Die Bevölkerungsabnahme ist drastischer als in anderen Regionen Deutsch- lands. Der Prozess der demografischen Alterung und der damit verbundene Wandel im Krank- heitsspektrum (Zunahme chronischer Erkrankungen) werden sich weiter fortsetzen und sind zu einer Herausforderung für die Neuorientierung auch ambulanter Versorgungsstrukturen gewor- den. Die Erfahrungen in den vergangenen Jahren zeigen, dass es schwierig ist, frei werdende Vertragsarztsitze wiederzubesetzen. Gelingt dies aber nicht, wird es insbesondere im ländlichen Raum zu Versorgungsproblemen kommen, von denen in ihrer Mobilität eingeschränkte Men- schen in besonderem Maße betroffen sein werden. Rechtliche Grundlagen, junge Ärztinnen und Ärzte zu einer Niederlassung und dazu noch in einer Region zu verpflichten, gibt es nicht. Das Land Sachsen-Anhalt, die Kassenärztliche Vereinigung sowie die AOK Sachsen-Anhalt betrei- ben unter Einsatz von Eigenmitteln den modellhaften Aufbau einer vernetzten Versorgungs- struktur und fördern Medizinstudierende, die sich zum Einsatz in entsprechenden Regionen verpflichten.
Durch die genannten aktuellen bundesrechtlichen Regelungen soll die gemeindenahe ambulan- te ärztliche und zahnärztliche Versorgung erreicht werden. Die Wirksamkeit der dort vorgesehe- nen Maßnahmen soll durch das Land befördert und unterstützt werden.
Maßnahmenkatalog
Folgende Vorhaben sollen im Instrumentalziel „Zugang zur Gesundheitsversorgung“ umgesetzt werden:
Maßnahmen | Zuständigkeiten | Zeitlicher Rahmen |
Förderung des Verständnisses der Akteure im Gesundheitswesen für die Belange von Menschen mit Be- hinderungen, insbesondere durch Erarbeitung einer Charta zur Quali- tät der med. Versorgung von Men- schen mit Behinderungen | MS, Verbände Leistungs- erbringer, Verbände der Kostenträger | bis 2015 |
Informationen zur Barrierefreiheit medizinischer Einrichtungen | MS, Verbände Leistungs- erbringer / Kostenträger | ab 2013 |
Barrierefreie Bereitstellung von In- formationen zu Gesundheitsdienst- leistungen (leichte Sprache) | MS, Verbände Leistungs- erbringer / Kostenträger | ab 2014 |
Landesgremium zur Abstimmung insb. der vertragsärztlichen Versor- gung im ländlichen Raum | MS, Verbände Leistungs- erbringer / Kostenträger | ab 2013 |
Koordinierung der bedarfsgerechter Versorgung über Sektorengrenzen hinweg durch Vernetzung der Leis- tungsbereiche (s.o.) | MS, Verbände Leistungs- erbringer / Kostenträger | ab 2013 |
Weiterentwicklung der gemeinde- psychiatrischen Versorgungsstruk- turen (vor- und nachsorgende Hil- fen nach § 3 PsychKG LSA) | MS, Kommunen, | ab 2013 |
Konzepte zur Vermeidung von Zwangsbehandlungen- und Zwangseinweisungen | MS, Kommunen | bis 2015 |
Forderungen der BRK
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Der bundesrechtliche Rahmen
Das Neunte Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) bildet die Grundlage für alle Leistungen der medizinischen Rehabilitation. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen werden erbracht, um Behinderungen einschließlich chro- nischer Krankheiten abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit und Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern sowie den vorzeitigen Bezug von laufenden Sozialleistungen zu vermeiden oder laufende Sozialleis- tungen zu mindern. Die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation umfassen insbesondere die Behandlung durch Ärzte, Zahnärzte und Angehörige anderer Heilberufe, die Früherkennung und Frühförderung behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder, Heilmittel einschließlich phy- sikalischer, Sprach- und Beschäftigungstherapie, Psychotherapie als ärztliche und psychothera- peutische Behandlung, Hilfsmittel,. Belastungserprobung und Arbeitstherapie. Bestandteil der Leistungen sind auch medizinische, psychologische und pädagogische Hilfen, insbesondere Hil- fen zur Unterstützung bei der Krankheits- und Behinderungsverarbeitung, Aktivierung von
Selbsthilfepotentialen, Vermittlung von Kontakten zu örtlichen Selbsthilfe- und Beratungsmög- lichkeiten, Hilfen zur seelischen Stabilisierung und zur Förderung der sozialen Kompetenz, unter anderem durch Training sozialer und kommunikativer Fähigkeiten und im Umgang mit Krisensi- tuationen, Training lebenspraktischer Fähigkeiten sowie die Anleitung und Motivation zur Inan- spruchnahme von Leistungen der medizinischen Rehabilitation.
Die Leistungen der medizinischen Rehabilitation erbringen insbesondere die Träger der Rentenversicherung nach dem Sechsten Sozialgesetzbuch (SGB VI), die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem Fünften Sozialgesetzbuch (SGB V) und die Trä- ger der Unfallversicherung nach dem Siebten Sozialgesetzbuch (SGB VII).
Nach den §§ 22 ff. SGB IX stellen die Rehabilitationsträger mit den Gemeinsamen Servicestel- len ein flächendeckendes, trägerübergreifendes und ortsnahes Beratungs- und Unterstützungs- angebot zur Verfügung. Die Gemeinsamen Servicestellen gewährleisten umfassende, qualifi- zierte und individuelle Beratung zu allen Fragen im Bereich der Rehabilitation und Teilhabe.
Menschen mit Behinderungen soll in den Gemeinsamen Servicestellen umfangreiche Beratung und Unterstützung wie aus einer Hand angeboten werden.
Medizinische Leistungen zur Früherkennung und Frühförderung noch nicht eingeschulter be- hinderter und von Behinderung bedrohter Kinder werden in Verbindung mit heilpädagogischen Leistungen als Komplexleistung nach § 30 SGB IX erbracht. Die Einzelheiten zur Komplexleis- tung ergeben sich aus der Frühförderungsverordnung (FrühVO).
Früherkennungsuntersuchungen bieten Kindern bis zum Schulalter die Chance, Auffälligkeiten und Entwicklungsverzögerungen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Kinder werden – soweit erforderlich - gezielt unterstützt und gefördert. Für alle Früherkennungsuntersuchungen sind bestimmte Zeiträume vorgegeben (U1-U9). Die Teilnahme an den Früherkennungsuntersu- chungen ist kostenlos.
Das in § 2 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) verankerte Leitbild der Pflegeversi- cherung ist eine menschenwürdige Pflege, die ein möglichst selbständiges und selbstbestimm- tes Leben in der Gesellschaft zum Ziel hat. Die Pflegeversicherung (Elftes Buch Sozialgesetz- buch -SGB XI) soll dazu beitragen, die aus der Pflegebedürftigkeit entstehenden physischen, psychischen und finanziellen Belastungen für jeden Versicherten - unabhängig von Alter, Ge- schlecht oder Einkommen - zu mildern.
Pflegebedürftigen stehen unterschiedliche Betreuungsformen und -einrichtungen zur Verfügung.
Die zugelassenen Pflegeeinrichtungen und -dienste werden nach der Art der Leistung unter- schieden und reichen von ambulanten Pflegediensten, die Pflegebedürftige und deren Angehö- rige bei der Pflege zu Hause unterstützen oder in neuen Wohnformen wie Senioren- Wohngemeinschaften, Einzelpflegekräfte mit einer Zulassung durch die Pflegekassen bis zu ei- ner umfassenden Versorgung und Betreuung in Pflegeheimen. Mit der Pflegereform 2008 wur- den die meisten Leistungsbeiträge bis 2012 in drei Schritten angehoben. Danach prüft die Bun- desregierung regelmäßig alle drei Jahre die Notwendigkeit und Höhe einer Anpassung der Leis- tungen. Das Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz (PNG) aus dem Jahr 2012 sieht sowohl eine deutliche Erhöhung der Leistungen für demenziell Erkrankte in der ambulanten Versorgung vor als auch eine Ausweitung der Wahl- und Gestaltungsmöglichkeiten für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen. Darüber hinaus wird die freiwillige private Vorsorge staatlich gefördert. Die ambulante Versorgung Demenzkranker wird verbessert. Im Vorgriff auf den neuen Pflegebedürftig- keitsbegriff bieten ambulante Pflegedienste künftig neben der Grundpflege und der hauswirt- schaftlichen Versorgung auch Betreuungsleistungen an. Auch Pflegebedürftige, die nicht an Demenz erkrankt sind, können auf sie ausgerichtete Betreuungsleistungen als Sachleistungen in Anspruch nehmen. Pflegebedürftige und ihre Angehörigen können neben den heutigen ver- richtungsbezogenen Leistungskomplexen auch bestimmte Zeitvolumen für die Pflege wählen.
Um es Pflegebedürftigen zu ermöglichen, so leben zu können, wie sie das möchten, werden Wohnformen zwischen der ambulanten und stationären Betreuung zusätzlich gefördert. Die Rechte der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen gegenüber Pflegekassen und Medizini- schem Dienst werden gestärkt. Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen wird verpflichtet, für die Medizinischen Dienste verbindliche Servicegrundsätze zu erlassen. Zu Verbesserung der medizinische Versorgung in den Pflegeheimen sind Vereinbarungen zwischen Heimen und Ärzten bzw. Zahnärzten zu schließen.
Bestandsaufnahme auf Landesebene
Im Land Sachsen-Anhalt gibt es 26 Gemeinsame Servicestellen für Rehabilitation. Dort fin- den Beratung und Unterstützung zu allen Fragen der Rehabilitation mit dem Ziel statt, Anliegen zu klären, Rehabilitationsanträge aufzunehmen und zuständige Rehabilitationsträger zu ermit- teln. Das Rehabilitationsmanagement soll schnell und ohne Reibungsverluste vom zuständigen Träger übernommen werden. Alle Träger der Rehabilitation sollen eng zusammen arbeiten.
Neben den Beratern in den Gemeinsamen Servicestellen für Rehabilitation steht ein Team von Fachleuten zum Beispiel aus Krankenkassen, Berufsgenossenschaften, Agenturen für Arbeit, Städten und Kreisen sowie Rentenversicherungsträgern zur Verfügung. Gemeinsam klären sie Sachverhalte für Ratsuchende und koordinieren bei Bedarf mehrere Rehabilitationsleistungen.
Den Renten- und Unfallversicherungsträgern stehen indikationsspezifisch ausgerichtete Reha- bilitationseinrichtungen (Eigene und Vertrags-Einrichtungen) in ganz Sachsen-Anhalt zur Ver- fügung. Leistungen zur Rehabilitation können stationär oder ganztägig ambulant durchgeführt werden und dauern in der Regel drei Wochen. Sie können verkürzt oder verlängert werden.
Diese Leistungen beinhalten Diagnostik, Aufklärung und Information über die jeweilige Erkran- kung und die beeinträchtigten Funktionen, um therapeutische Leistungen durchzuführen. Es werden Therapieziele gemeinsam zwischen Rehabilitationsteam und Patient entwickelt. Bewäl- tigungsstrategien werden erlernt, um auch beruflichen Problemlagen zu begegnen.
Landesweit unterhalten die Sozialversicherungsträger 19 Einrichtungen der medizinischen Re- habilitation, die eine Versorgung für alle bedeutsamen Indikationen (insb. Orthopädie, Herz- Kreislauf, Stoffwechsel, Atmung, Haut, Psychosomatik, Onkologie, Verdauungsorgane, Rheu- matologie, Kardiologie, Neurologie, Cochleaimplantate, psychische Erkrankungen, Psychoso- matik, Gynäkologie, Sucht) bereitstellen.
Sachsen-Anhalt bietet eine Vielzahl von Gesundheitsleistungen zur Früherkennung und Frühin- tervention an. Insbesondere unterstützt das Land die Prävention bei angeborenen gesundheitli- chen Störungen und Beeinträchtigungen durch das erweiterte Neugeborenenscreening auf angeborene Stoffwechselerkrankungen und das Neugeborenen-Hörscreening. Ziel der Un- tersuchung „Neugeborenenscreening auf angeborene Stoffwechselerkrankungen“ ist ein früh- zeitiges Erkennen mit der Option auf eine frühzeitige Behandlung zur Vermeidung schwerwie- gender Erkrankungen. Seit dem Jahr 2009 hat nach einem Beschluss des Gemeinsamen Bun- desausschusses jedes Neugeborene ein Anrecht auf ein Neugeborenen-Hörscreening. Ca. 97% aller geborenen Kinder erhalten in Sachsen-Anhalt ein Hörscreening. Dies ergab das von der Medizinischen Fakultät der Universitätsklinik Magdeburg im Jahr 2008 durchgeführte Hörscree- ning-Tracking. Wird eine Hörstörung diagnostiziert, so können die Kinder einer Therapie zuge- führt werden. Damit werden die Qualitätsziele des Gemeinsamen Bundesausschusses erfüllt.
Sachsen-Anhalt verfügt über ein flächendeckendes Netz zur Früherkennung und Frühförde- rung behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder. Landesweit sind insgesamt 30 allge- meine Frühförderstellen, fünf überregionale spezialisierte Frühförderstellen für Kinder mit Sinnesbehinderungen sowie zwei Sozialpädiatrische Zentren eingerichtet. Seit 2012 wird ein Schu- lungsprogramm auf dem Gebiet der Frühförderung hörgeschädigter Kinder entwickelt und an- geboten. Die andesrahmenempfehlung des Landes Sachsen-Anhalt zur Verordnung zur Früh- erkennung und Frühförderung behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder (Frühförde- rungsverordnung – FrühV) ist seit dem 01.06.2007 in Kraft.
Darüber hinaus werden in 321 integrativen Kindertagesstätten Kinder mit Behinderungen be- treut und und heilpädagogisch gefördert.
In Sachsen-Anhalt gibt es derzeit 1122 Pflegeeinrichtungen, davon 543 ambulante, 458 vollsta- tionäre, 93 teilstationäre Einrichtungen, 22 Kurzzeitpflegeeinrichtungen, und sechs Hospize (Stand September 2012).
Herausforderungen
Soweit Angebote der Rehabilitation und der Pflege flexibel, ambulant und wohnortnah zur Ver- fügung stehen – dies ist in Sachsen-Anhalt grundsätzlich festzustellen – stellt die Gliederung bzw. die Fragmentierung der Sozialleistungssysteme erhebliche Anforderungen an die bürger- nahe Leistungserbringung aus einer Hand. Da mit einer zeitnahen Überwindung der zahlreichen Schnittstellen der Sozialgesetzbücher 1 bis 12 nicht zu rechnen ist, kann nur in der Praxis der Versuch unternommen werden Beratung und Leistung trägergreifend und bürgernah zu organi- sieren. Diesem Ziel diente die Einrichtung der Gemeinsamen Servicestellen nach den §§ 22 ff. SGB IX. Es sollten die Möglichkeiten analysiert werden, ob und wie die Gemeinsamen Service- stellen noch effizienter ihre Aufgaben wahrnehmen können. Dies ist jedoch nur in Kooperation mit ihren Trägern – den Gesetzliche Krankenkassen und der Deutschen Rentenversicherung – möglich. Die trägerüberbreifende und interdisziplinäre Bedarfsfeststellung und Hilfeplanung sind weiterzuentwickeln. Die Gesamtplanungsprozesse der Träger von Leistungen zur Teilhabe und Rehabilitation sind trägerübergreifend und interdisziplinär auszurichten. Dies erfordert einen er- heblichen konzeptionellen und Koordinationsaufwand.
Hohe Ansprüche an die Leistungserbringung durch die beauftragten Einrichtungen und Dienste der Rehabilitation selbst werden in Art. 26 BRK formuliert. Ziel der Maßnahmen der Habilitation und Rehabilitation muss es sein, ein Höchstmaß an Unabhängigkeit des behinderten Menschen und die Einbeziehung in die Gesellschaft in allen ihren Aspekten sowie die Teilhabe daran so früh und so schnell als möglich zu erreichen. Dies soll durch Leistungen und Programme der Habilitation und Rehabilitation auf der Grundlage einer multidiziplinären Bewertung der individu- ellen Bedürfnisse und Stärken des behinderten Menschen geschehen. Die Inanspruchnahme soll freiwillig und damit frei von Zwang sein. Die Leistungen sollen gemeindenah zur Verfügung stehen, auch in ländlichen Regionen. Für diese Zielsetzungen der Behindertenrechtskonvention ist nachdrücklich zu werben und sie sind in den maßgeblichen Vereinbarungen zu verankern. Entsprechende Schulungskonzepte sind zu entwickeln. Die flächendeckende Versorgung im dünnbesiedelten ländlichen Raum erfordert intelligente, flexible, mobile, multifunktionale Angebote, die es zu entwickeln gilt. Dabei sind die Möglichkeiten der assistiven Technik zu berück- sichtigen.
Niedrigschwellige ambulante Angebote der medizinischen Rehabilitation und Pflege sind in Sachsen-Anhalt zwar entwickelt, aber in Teilbereichen schwach ausgeprägt. Diese Feststellung gilt insbesondere für die Angebote der Soziotherapie und der ambulanten psychiatrischen Pfle- ge. Psychisch kranke Menschen, die nicht in der Lage sind, ärztliche oder ärztlich verordnete Leistungen selbstständig in Anspruch zu nehmen, haben Anspruch auf Leistungen der Sozio- therapie, wenn dadurch Krankenhausbehandlungen vermieden oder verkürzt und sog. Drehtür- effekte vermieden werden. Patienten mit schweren psychischen Störungen sollen in die Lage versetzt werden, andere medizinische Behandlungen in Anspruch zu nehmen.
Die ambulante psychiatrische Pflege soll als ein gemeindeorientiertes Versorgungsangebot da- zu beitragen, dass psychisch kranke Menschen ein selbstbestimmtes Leben in ihren gewohnten Lebenszusammenhängen führen können. Durch die flexible, aufsuchende, ambulante Pflege vor Ort sollen die Ressourcen des Umfeldes eingebunden und die soziale Integration gewähr- leistet werden. Sie soll wiederkehrende Klinikaufenthalte und Behandlungsabbrüche vermei- den helfen.
Ambulante Angebote der Pflege werden mit Blick auf die demografische Entwicklung in Zukunft eine überragende Rolle spielen. Beim Ausbau der Leistungen der Pflege ist Bundesrecht maß- geblich zu beachten. Die Bundesregierung hat sich die Entwicklung eines neuen teilhabeorien- tierten Pflegebedürftigkeitsbegriffs vorgenommen. Die Abkehr von der Orientierung der Pflege an Verrichtungen ist zwar zu wünschen, aber nicht ohne erhebliche finanzielle und rechtliche Veränderungen auch an den Schnittstellen zu Leistungen der Teilhabe und Rehabilitation mög- lich. Das Ministerium für Arbeit und Soziales wird diesen Entwicklungsprozess auf Bundesebene begleiten, fördern und unterstützen.
Maßnahmenkatalog
Folgende Vorhaben sollen im Instrumentalziel „Zugang zu Leistungen der Habilitation, Rehabilitation und Pflege“ umgesetzt werden.
Maßnahmen | Zuständigkeiten | Zeitlicher Rahmen |
Evaluation der Arbeit der Gemein- samen Servicestellen in Sachsen– Anhalt | MS, Träger der Gemein- samen Servicestellen (KK, RV) | bis 2015 |
Evaluation der Rehabilitations- dienste in Sachsen-Anhalt | MS, Träger der Rehabilita- tion | bis 2016 |
Ausbau von Soziotherapie und ambulanter psychiatrischer Pflege | MS, Krankenkassen | bis 2016 |
Begleitung der Bundesgesetzge- bung zum Rehabudget | MS | bis 2014 |
Entwicklung und Umsetzung von Konzepten zur wirksamen Einbin- dung von Menschen mit Behinde- rungen in die Beratung und die Erbringung von Leistungen der Re- habilitation und Pflege | MS | bis 2016 |
Schulungsangebote für Mitarbeite- rinnen und Mitarbeiter in Frühför- derstellen und anderen Einrichtun- gen der Rehabilitation | MS, Träger der Rehabilita- tion | ab 2012 |
Entwicklung und Umsetzung von Konzepten zur trägerübergreifen- den und interdisziplinären Hilfepla- nung für Leistungen der Teilhabe und der Rehabilitation | MS, Träger der Rehabilita- tion | ab 2013 |
Begleitung der Bundesregierung bei der Einführung des neuen Beg- riffs der Pflegebedürftigkeit | MS | ab 2014 |
Förderung der Entwicklung und des Einsatzes assistiver Technik | MS, Träger der Rehabilita- tion | ab 2014 |
5.5 Teilhabe am politischen und öffentlichen Leben
Dieses Handlungsfeld bezieht sich auf den Artikel 29 BRK (Teilhabe am politischen und öffentli- chen Leben) und umfasst die folgenden aus dem Fundamentalziel abgeleiteten Instrumentalziele
Fundamentalziel
In Sachsen-Anhalt nehmen Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt wirksam und umfas- send am politischen und öffentlichen Leben teil.
Instrumentalziele
- Aktives und passives Wahlrecht, barrierefreie Wahlen
- Mitwirkung bei der Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten
5.5.1 Aktives und passives Wahlrecht, barrierefreie Wahlen
Forderungen der BRK
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Der bundesrechtliche Rahmen
In Deutschland steht nach dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl auch Menschen mit Behinderungen das aktive und passive Wahlrecht bei Bundestags-, Land- tags- und Kommunalwahlen zu (Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 und Artikel 28 Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz). Für Europawahlen ist dieser Grundsatz in § 1 Absatz 1 des Europawahlgesetzes verbürgt. Das Wahlrecht des Bundes und der Länder stellt für Wahlen auf den verschiedenen Ebenen sicher, dass das Wahlverfahren und der Wahlhergang frei von Benachteiligungen für Menschen mit Behinderungen sind.
Bestandsaufnahme auf Landesebene
In Sachsen-Anhalt werden die Abgeordneten des Landtages in freier, gleicher, allgemeiner, ge- heimer und unmittelbarer Wahl gewählt (Artikel 42 Abs. 1 der Landesverfassung). Die verfas- sungsrechtlichen Wahlgrundsätze gelten für behinderte und nicht behinderte Menschen. Die Regelungen des Wahlgesetzes (LWG) und der Wahlordnung (LWO) des Landes Sachsen- Anhalt stellen sicher, dass alle Menschen mit Behinderungen ihr aktives und passives Wahl- recht ausüben sowie in einem Wahlorgan tätig sein können. Ein Wahlberechtigter mit Behinde- rungen ist wie jeder Wahlberechtigte sogar grundsätzlich verpflichtet, ein ihm übertragenes Wahlehrenamt zu übernehmen (§ 48 Abs. 1 LWG). Er darf die Berufung zu einem Wahlehren- amt aber ablehnen, wenn er glaubhaft macht, dass er wegen einer körperlichen Beeinträchti- gung gehindert ist, das Amt ordnungsgemäß zu führen (§ 49 Satz 2 Nr. 5 LWO).
Die Träger der öffentlichen Verwaltung stellen auf der Grundlage der Novelle zum BGG LSA si- cher, dass die Wahlverfahren, -einrichtungen und -materialien für die Wahlen zu den Volksver- tretungen auf allen Ebenen auch für Menschen mit Behinderungen geeignet, zugänglich und leicht zu verstehen und zu handhaben sind. Darüber hinaus schützen sie das Recht von Men- schen mit Behinderungen, ein Amt wirksam innezuhaben und alle öffentlichen Aufgaben auf staatlichen und kommunalen Ebenen wahrzunehmen, indem sie bei Bedarf die Nutzung unter- stützender Technologien erleichtern oder die erforderliche Assistenz sicherstellen.
Ein Wähler, der des Lesens unkundig oder wegen einer körperlichen Beeinträchtigung gehindert ist, den Stimmzettel zu kennzeichnen oder in die Wahlurne zu legen, kann sich der Hilfe einer anderen Person bedienen (§ 27 Abs. 3 LWG). Die Hilfeleistung hat sich auf die Erfüllung der Wünsche des Wählers zu beschränken. Die Hilfsperson ist zur Geheimhaltung der Kenntnisse verpflichtet, die sie bei der Hilfeleistung von der Wahl eines anderen erlangt hat (§ 49 LWO).
Blinde und sehbehinderte Wähler haben bei Landtagswahlen alternativ zwei Möglichkeiten zu wählen. Wenn sie von der Möglichkeit, eine Hilfsperson in Anspruch zu nehmen, keinen Gebrauch machen wollen, so können sie sich einer Wahlschablone bedienen, um den Stimm- zettel unbeobachtet und eigenständig auszufüllen. Die Stimmzettelschablonen werden in Zu- sammenarbeit mit dem Blinden- und Sehbehinderten-Verband Sachsen-Anhalt e.V. landesweit einheitlich hergestellt. Die Verteilung der für den Wähler (auch den nichtorganisierten Wähler) kostenlosen Stimmzettelschablonen erfolgt ebenfalls über diesen Verein. Hierüber werden die Wähler in der Regel mit den Wahlbenachrichtigungen rechtzeitig informiert. Der Landesgesetz- geber hat bezüglich der Wahlschablonen mit Gesetz vom 10. Dezember 2009 (GVBl. LSA S.
629) eine Kostenerstattungsregelung im Wahlgesetz geschaffen. Danach erstattet das Land den Blindenvereinen die Ausgaben, die ihnen durch die Herstellung und Verteilung von Stimmzettelschablonen entstanden sind. Voraussetzung dafür ist, dass die Blindenvereine zuvor gegenüber dem für Wahlen zuständigen Ministerium ihre Bereitschaft zur Herstellung von Stimmzettel- schablonen erklärt haben (§ 52 Abs. 4 LWG).
Die Regelungen des Landeswahlrechts sehen vor, dass die Wahlräume so gelegen sein sollen, dass den Wahlberechtigten die Teilnahme an der Wahl möglichst erleichtert wird und der Zu- gang auch behinderten Personen möglich ist. Darüber hinaus sollen nach Möglichkeit Wahllokale in Gemeindegebäuden zur Verfügung gestellt werden (§ 42 LWO bzw. § 13 Kommunalwahl- ordnung des Landes Sachsen-Anhalt). Die Gemeinden und Bürgermeister sind grundsätzlich bemüht, - auch in Abstimmung mit den Behindertenbeauftragten vor Ort - barrierefreie Wahl- räume zur Verfügung zu stellen. Zur rechtzeitigen Information der behinderten oder mobilitäts- beeinträchtigten Wähler werden in der Regel mit den Wahlbenachrichtigungen Hinweise zu be- hindertengerechten Wahlräumen in Form eines Piktogramms (Rollstuhl) oder in Textform gege- ben. Damit können die Wählerinnen und Wähler selbst entscheiden, ob sie ein behindertenge- rechtes Wahllokal aufsuchen und gegebenenfalls mit einem Wahlschein oder per Briefwahl an der Wahl teilnehmen.
Auch im Kommunalrecht gilt der verfassungsrechtliche Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl, sodass auch behinderten Menschen das aktive und passive Wahlrecht bei Kommunalwahlen zusteht. Gleiches gilt für mittelbare Wahlen nach § 54 Abs. 2 GO LSA, für die die Kommunalverfassung des Landes Sachsen-Anhalt auch keine Einschränkungen vorsieht.
Herausforderungen:
Für die Bereitstellung von barrierefreien Wahlräumen (Wahllokalen), für deren Auswahl und Ein- richtung sind die Gemeinden/Bürgermeister zuständig. Die Wahllokale müssen nur bei der Durchführung von staatlichen Wahlen und Kommunalwahlen, das heißt im Regelfall alle vier bis fünf Jahre am Wahltag, bereitgestellt werden. Dazu werden Räume in Gebäuden genutzt, die ansonsten eine andere Zweckbestimmung haben (zum Beispiel Schulen, Rathäuser). Die Ge- meinden/Bürgermeister sind grundsätzlich bemüht – auch in Abstimmung mit den Behinderten- beauftragten vor Ort – barrierefreie Wahlräume zur Verfügung zu stellen. Die Anzahl der barrie- refrei zugänglichen Wahllokale kann nur im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten der Kommunen nach und nach erhöht werden. Dabei sollen die Kommunen unterstützt und bei der Auswahl barrierefreier Wahlräume in Vorbereitung einer Wahl sensibilisiert werden.
Maßnahmenkatalog
Folgende Vorhaben sollen im Instrumentalziel „Aktives und passives Wahlrecht, Barrierefreiheit“ umgesetzt werden.
Maßnahmen | Zuständigkeiten | Zeitraum |
Herstellung der Barrierefreiheit in Wahlräumen (Wahlloka- len) | Gemeinden |
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| MI, LWL | 2013, 2014, 2016, 2017, 2019 |
| MI | ab 2013 |
Aktives und passives Wahlrecht |
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Wahlrecht ausüben können | MI | 2015 |
Rahmen von Betreuungsverhältnissen | MI, MS | ab 2013 |
zur Wahrnehmung passiver Wahlrechte | MI, MS | ab 2013 |
5.5.2 Mitwirkung bei der Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten
Forderungen der BRK
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Der bundesrechtliche Rahmen
Nach Artikel 9 Abs. 1 Grundgesetz haben alle Deutschen das Recht, Vereine und Gesellschaf- ten zu bilden. Die vorgenannten Vorschriften gewährleisten die positive und die negative Ver- einsfreiheit. Die positive Vereinsfreiheit umfasst als persönliches Recht des einzelnen Men- schen die Freiheit, Vereine zu gründen. Darin eingeschlossen ist das Recht, einem Verein bei- zutreten und in ihm als Mitglied zu verbleiben. Ferner enthält die positive Vereinsfreiheit das Recht desjenigen, der einen Verein gegründet hat oder einer solchen Organisation beigetreten ist, sich im Rahmen des Vereinszwecks zu betätigen. Innerhalb der vom Gesetz zur Verfügung gestellten Rechtsformen werden die Selbstbestimmung des Vereins über die eigene Organisati- on, das Verfahren der vereinsinternen Willensbildung und die Geschäftsführung geschützt. Der Verein ist insbesondere befugt, sich ohne staatliche Kontrolle eine Satzung zu geben und zu ändern. Ferner werden die Rechte des Vereins auf Erhalt seines Mitgliederbestandes und auf Mitgliederwerbung sowie das Recht, einen frei gewählten Namen zu führen, garantiert. Dieser darf auch seinem Zweck entsprechend nach außen tätig werden. Ferner ist das Recht des Ver- eins geschützt, sich selbst wieder aufzulösen. Die negative Vereinsfreiheit gewährleistet auch das Recht, keine Vereinigung zu gründen, bestehenden Vereinigungen fernzubleiben und aus ihnen auszutreten. Den Vereinigungen wird das Recht der Selbstauflösung garantiert.
Bestandsaufnahme auf Landesebene
Hinsichtlich der Unterstützung für Menschen mit Behinderungen bei der Bildung und Führung von Organisationen, die ihre Rechte und Interessen auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene vertreten, ist aus kommunalrechtlicher Sicht auf die pflichtige Bestellung von Behindertenbeauf- tragten in den Landkreisen und kreisfreien Städten nach dem BGG LSA zu verweisen. Kommu- nale Behindertenbeauftragte tragen dazu bei, Menschen mit Behinderungen die Entfaltung ihrer Persönlichkeit, die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sowie am Erwerbsleben und eine selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen. Damit wird landesrechtlich die Voraussetzung für eine umfassende Berücksichtigung der Belange Behinderter in kommunalen Entscheidungs- prozessen gewährleistet.
Des Weiteren besteht für Kommunen die Möglichkeit, gemäß § 74a GO LSA / § 64a LKO LSA Beauftragte und Interessenvertreter zu bestellen oder Beiräte für die Belange von Menschen mit Behinderungen einzurichten. Diese können dem Gemeinderat in Aufgabenbereichen, die die Belange von Menschen mit Behinderungen berühren, beratend und unterstützend zur Seite ste- hen und ihre spezifischen Interessen in die kommunalpolitischen Entscheidungsprozesse vor Ort einbringen.
Auf Landesebene ist laut BGG LSA der Behindertenbeirat des Landes Sachsen-Anhalt als ein Gremium eingerichtet, das unabhängig und überparteilich die Interessen und Rechte von Men- schen mit Behinderungen vertritt und die Landesregierung in allen Angelegenheiten berät, die für die Belange behinderter Menschen von Bedeutung sind. Der Beirat beteiligt sich an den par- lamentarischen Beratungen zu Gesetzesentwürfen (Gesetz zur Rehabilitation und Teilhabe be- hinderter Menschen, SGB IX; Behindertengleichstellungsgesetz auf Landes- und Bundesebene, Bundesgesetz zur Neuregelung der Erwerbsminderungsrenten) und bezieht dazu die Arbeits- gruppen des Runden Tisches ein. Daneben besteht auf der Grundlage des BGG LSA der Run- de Tisch für Menschen mit Behinderungen. Er wird von engagierten Menschen mit und ohne Behinderungen getragen. Seine Tätigkeit ist unabhängig und überparteilich. Sie ist auf eine För- derung der Selbstbestimmung und gleichberechtigten Teilhabe behinderter Menschen am Leben in der Gesellschaft gerichtet. Zu diesem Zweck greift der Runde Tisch eigenständig The- men auf und erarbeitet Beschlussempfehlungen für den Behindertenbeirat des Landes Sach- sen-Anhalt. Aufgrund der Vielfalt der Themen hat der Runde Tisch vier Arbeitsgruppen gebildet.
Maßnahmenkatalog
Folgende Vorhaben sollen im Instrumentalziel „Mitwirkung bei der Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten“ umgesetzt werden.
Maßnahmen | Zuständigkeiten | Zeitlicher Rahmen |
Errichtung eines Inklusionsaus- schusses zur Begleitung der Um- setzung der Behindertenrechtskon- vention | MS | ab 2013 |
Stellungnahmen zu Beschlüssen des Landesbehindertenbeirats | alle Ressorts | laufend |
Unterstützung regionaler Aktionen und Pläne zur Umsetzung der Be- hindertenrechtskonvention | MS, alle Ressorts | laufend |
Beitritt zu Organisationen, die auf internationaler Ebene die Umset- zung der Behindertenrechtskonven- tion fördern | MS, alle Ressorts | ab 2013 |
5.6. Sport, Kultur und Tourismus
Dieses Handlungsfeld nimmt die Forderungen aus Artikel 30 BRK (Teilhabe am kulturellen Le- ben sowie an Erholung, Freizeit und Sport) auf und umfasst die folgenden Zielstellungen.
Fundamentalziel
In Sachsen-Anhalt nehmen Menschen mit Behinderung gleichberechtigt und aktiv am Leben in der Freizeit und am kulturellen und sportlichen Leben teil. Kulturelle und Veranstaltungen zur Gestaltung der Freizeit sind für alle Menschen zugänglich. Menschen mit Behinderungen wer- den als Bereicherung des gesellschaftlichen Lebens verstanden und gestalten dieses aktiv mit.
Instrumentalziele
- Gleichberechtigte Teilhabe an Sport- und Freizeitaktivitäten
- Gleichberechtigte Teilhabe am kulturellen Leben
- Gleichberechtigte Teilhabe an touristischen Angeboten
5.6.1 Sportaktivitäten
Forderungen der BRK
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Bestandsaufnahme auf Bundesebene
Das Leistungssportprogramm des Bundes aus dem Jahr 2005 sieht die Gleichbehandlung des Spitzensports von Athleten mit und ohne Behinderungen vor. Der Bund fördert den Leis- tungssport von Menschen mit Behinderungen grundsätzlich nach den gleichen Kriterien wie den Spitzensport im Allgemeinen (z.B. Finanzierung von Trainingslehrgängen, Teilnahme und Vor- bereitung an nationalen und internationalen Wettbewerben sowie die Übernahme von Personal- kosten der Geschäftsstellen der Behindertensportverbände).
Zur Förderung der Teilnahme von Menschen mit Behinderungen im Breitensport stellen Bund und Länder finanzielle Mittel zur Verfügung, u.a. zur Förderung des Deutschen Behinder- tensportverbands, der Maßnahmen im Rehabilitations- und Behindertensport organisiert. Der Zugang zu den Sporteinrichtungen und die unterschiedlichen Formen der Teilhabe werden durch gezielte Leistungsangebote und gesetzliche Regelungen sichergestellt.
Der bundesweite Schulsportwettbewerb „Jugend trainiert für Olympia“ wurde ab 2010 durch "Jugend trainiert für Paralympics“ erweitert.
Bestandsaufnahme auf Landesebene
In Artikel 36 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt sind der Schutz und die Förderung des Sports verankert.
Im Entwurf eines Gesetzes über die Förderung des Sports im Land Sachsen-Anhalt (Sport- fördergesetz - SportFG), das zu Beginn des Jahres 2013 in Kraft treten wird, ist ausdrücklich als ein Ziel der Sportförderung die Verbesserung der Lebensqualität der Menschen mit Behinde- rungen durch die Möglichkeiten des Sports aufgeführt. Die Förderung soll der Inklusion von Menschen mit Behinderungen dienen. Die Sportentwicklungskonzepte des Landessportbundes sollen auch den Behindertensport entsprechend den im Sportfördergesetz genannten Zielen und Empfehlungen für angepasste Maßnahmen zur Entwicklung des Sports im folgenden Olympiazyklus beschreiben. Aus Mitteln des Landeshaushaltes sollen u.a. Projekte zur Verbes- serung des Angebotes im Breiten- und Leistungssport sowie im Gesundheits-, Behinderten- und Rehabilitationssport gefördert werden. Für den Bau von Sportstätten sind die entsprechen- den Bauvorschriften (nach DIN 18040-1 – Barrierefreies Bauen - Planungsgrundlagen Teil 1: Öffentlich zugängliche Gebäude) bei der Planung und Ausführung der Baumaßnahmen anzuwen- den. Zudem ist die Barrierefreiheit als Zuwendungsvoraussetzung in der Förderrichtlinie zur Förderung von Sportstättenbaumaßnahmen enthalten.
Der Sport für Menschen mit Behinderungen umfasst die Bereiche Breitensport, Leistungssport und Rehabilitationssport. Alle drei Bereiche werden vom Land Sachsen-Anhalt gefördert. Träger des Behindertensports in Sachsen-Anhalt sind der Behinderten- und Rehabilitationssportver- band Sachsen-Anhalt (BSSA) und der Gehörlosensportverband Sachsen-Anhalt. Der BSSA hat aktuell (Ende 2012) 18.000 Mitglieder, die in 118 Vereinen bzw. Abteilungen organisiert sind.
Der Gehörlosensportverband Sachsen-Anhalt hat zurzeit 383 Mitglieder in 9 Vereinen. Beide Verbände werden vom Land institutionell gefördert und erhalten Zuschüsse für Personal- und Sachausgaben.
Die Durchführung des Rehabilitationssports als eine ergänzende Leistung zur medizinischen Rehabilitation erfolgt auf der Grundlage des § 44 Abs. 1 Ziffer 3 und Abs. 4 SGB IX sowie der gemeinsamen Rahmenvereinbarung der Rehabilitationsträger auf der Ebene der Bundesar- beitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) über Rehabilitationssport und Funktionstraining mit Stand vom 01. Jan.2011. Sportvereine können bei Erfüllung qualitativer Parameter als Leis- tungserbringer für Rehabilitationssport vom BSSA anerkannt werden. Die BSSA vertritt einen hohen Qualitätsanspruch bei der Umsetzung des Rehabilitationssports. Dies betrifft im Prozess des Qualitätsmanagements insbesondere Beratungsleistungen, das Verfahren zur Zertifizierung
der Reha-Sportgruppen, Durchführung von Audits sowie das Beschwerdemanagement. Im Sportentwicklungskonzept ist der Rehabilitationssport neben dem Breiten- und Leistungssport als dritter eigenständiger Sportbereich ausgewiesen.
Im Bereich des Leistungssports werden zwei hauptamtliche Trainerstellen für den Behinder- tensport mit Landesmitteln über den sog. Trainerpool gefördert. Die Vorbereitung der Behinder- tensportler auf die Paralympics wird durch ein spezielles Förderprogramm des Landes unter- stützt. Mit Hilfe von Landesmitteln werden über den Olympiastützpunkt Sachsen-Anhalt und den BSSA spezielle Maßnahmen finanziert, wie die Durchführung von Trainingslagern, individuelle Unterstützung von Sportlern (z.B. Nachhilfeunterricht) oder die Beschaffung von Materialien.
Im Bereich des Sportstättenbaus sind in der aktuellen Förderrichtlinie des Landes insbesonde- re auch Maßnahmen zur Erweiterung der Nutzbarkeit von Sportstätten für den Rehabilitations- und Behindertensport als förderfähig benannt. Darüber hinaus ist in der Richtlinie festgelegt, dass Sportstätten barrierefrei zugänglich und nutzbar zu errichten sind. Dies gilt auch für Um- bau- und Sanierungsmaßnahmen.
In Sachsen-Anhalt ist der Behinderten- und Rehabilitationssport im Sportentwicklungskonzept des Landessportbundes (LSB) als eigenständiger Bereich ausgewiesen. Dies verdeutlicht den Stellenwert in der Sportlandschaft. Auch mit Hilfe der Landesmittel, die im Rahmen der instituti- onellen Förderung des BSSA und des Gehörlosensportverbandes bereitgestellt werden, ist eine schrittweise Umsetzung der Forderungen des BRK möglich. So werden z.B. die Reha- Sportgruppen durch den BSSA zertifiziert. Mit Stand 01.07.2011 gibt es im Land 1.665 zertifi- zierte Reha-Sportgruppen. Jährlich werden rd. 200 neue Zertifizierungen vorgenommen. Der Gehörlosensportverband kann mit diesen Mitteln z.B. Gebärdensprachdolmetscher finanzieren.
Herausforderungen:
Im Ergebnis der demografischen Entwicklung wird der Anteil älterer Menschen steigen. Damit erhöht sich auch der Anteil von Menschen mit chronischen Erkrankungen, gesundheitlichen Einschränkungen und Behinderungen. Dies bedingt einerseits verstärkte Anstrengungen, um diesen Personenkreis in die Angebote des Sports einzubeziehen, ist andererseits aber auch ei- ne Möglichkeit zur Mitgliedergewinnung für den organisierten Sport.
Im Gehörlosensport werden deutlich mehr Gebärdensprachdolmetscherleistungen benötigt, um die gehörlosen Sportlerinnen und Sportler noch besser integrieren zu können. Bisher ist diesem
Personenkreis die Teilnahme an zahlreichen Veranstaltungen verwehrt, weil keine Dolmetscher anwesend sind (z.B. Schulungen, Ehrungsveranstaltungen).
Im Bereich des Leistungssports wird eine noch stärkere Öffnung der Betreuungsleistungen des Olympiastützpunktes Sachsen-Anhalt für Sportlerinnen und Sportler mit Behinderungen ange- strebt. Darüber hinaus sind verstärkte Aktivitäten des BSSA zur Nachwuchsgewinnung für den Behindertensport geplant, unter Einbeziehung von Schulen.
Im Sportstättenbau sind der barrierefreie Zugang zu Sportstätten und ihre barrierefreie Nutzung weiter konsequent umzusetzen.
Ziel ist es, die genannten Handlungsbedarfe zu lösen. Hierzu wird das Sportentwicklungskon- zept des Landessportbundes auf der Basis der Erfüllung der Zielkennziffern regelmäßig an die aktuellen Erfordernisse angepasst. Das Land führt vielfältige Gespräche und Beratungen mit dem LSB, den betroffenen Landesfachverbänden und dem Olympiastützpunkt, um die Umset- zung der Handlungsbedarfe zu begleiten und zu unterstützen.
Maßnahmenkatalog
Folgende Vorhaben sollen im Instrumentalziel „Sportaktivitäten“ umgesetzt werden.
Maßnahmen | Zuständigkeiten | Zeitlicher Rahmen |
Weiterentwicklung der Sportent- wicklungskonzepte des LSB mit dem Ziel der Inklusion von Men- schen mit Behinderungen | MI | ab 2013 |
Förderung von Projekten im Ge- sundheits-, Behinderten- und Re- habilitationssport | MI | ab 2013 |
schrittweise Umsetzung des barrie- refreien Zugangs für Sportstätten | MI | ab 2013 |
Unterstützung der Teilhabe von ge- hörlosen Sportlerinnen und Sport- lern an Schulungs- und anderen Veranstaltungen der Verbände | MI | ab 2014 |
Analyse der Teilhabe von Schüle- rinnen und Schülern mit Behinde- rungen am Schulsport | MK | 2015 |
Stärkere Öffnung der Betreuungs- leistungen des Olympiastützpunk- tes Sachsen-Anhalt für Sportlerin- nen und Sportler mit Behinderun- gen | MI | ab 2013 |
5.6.2 Kulturelles Leben
Forderungen der BRK
- Gleichberechtigte Teilnahme an Erholungs- und Freizeitaktivitäten (Art. 30 Abs. 5)
- Sicherstellung des Zugangs zu kulturellem Material in zugänglichen Formaten (Art. 30 Abs. 1a)
- Anerkennung der spezifischen kulturellen und sprachlichen Identität (Art. 30 Abs. 4)
- Sicherstellung des Zugangs zu Fernsehprogrammen, Filmen, Theatervorstellungen und an- deren kulturellen Aktivitäten in zugänglichen Formaten (Art. 30 Abs. 1b)
- Sicherstellung des Zugangs zu Orten kultureller Darbietungen oder Dienstleistungen, wie Theatern, Museen, Kinos, Bibliotheken sowie zu Denkmälern und Stätten von nationaler kultureller Bedeutung (Art. 30 Abs. 1c)
- Möglichkeit zur Entfaltung von kreativem, künstlerischem und intellektuellem Potential zur Bereicherung der Gesellschaft (Art. 30 Abs. 2)
- Sicherstellung, dass Gesetze zum Schutz von Rechten des geistigen Eigentums keine un- gerechtfertigte oder diskriminierende Barriere für den Zugang zu kulturellem Material dar- stellen (Art. 30 Abs. 3)
- Anerkennung und Unterstützung der Gebärdensprachen und Gehörlosenkultur (Art. 30 Abs. 4)
Bestandsaufnahme auf Bundesebene
Für die Teilhabe am kulturellen Leben ist der gleichberechtigte Zugang für behinderte Menschen zu medialen Angeboten von wesentlicher Bedeutung. Im deutschen Fernsehen wird eine Viel- zahl von Sendungen mit Videotextuntertitelung und/oder mit Übersetzungen in Deutscher Ge- bärdensprache ausgestrahlt. Es gibt eine wachsende Zahl an Angeboten, die als Videostream mit Gebärdensprachdolmetschung abgerufen werden können. Nach § 3 des Rundfunkstaats- vertrags sollen die in der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten, das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF), das Deutschlandradio und alle Veranstalter bundesweit ver- breiteter Rundfunkprogramme über ihr bereits bestehendes Engagement hinaus im Rahmen ih- rer technischen und finanziellen Möglichkeiten barrierefreie Angebote vermehrt aufnehmen.
Der Bund fordert die öffentlichen und insbesondere auch die privaten Sendeanstalten auf, bar- rierefreie Formate stärker zu berücksichtigen.
Nach dem neuen Rundfunkbeitragsstaatsvertrag werden mit Beginn des Jahres 2013 künftig auch Menschen mit Behinderungen zur Zahlung von Rundfunkbeiträgen herangezogen, die davon bisher befreit waren. Dies betrifft blinde und sehbehinderte Menschen, Hörgeschädigte und schwerbehinderte Menschen. Sie müssen künftig einen ermäßigten Beitrag in Höhe von einem Drittel des Rundfunkbeitrags entrichten. Nach wie vor gibt es unter bestimmten Voraussetzun- gen auch die Möglichkeit der Befreiung von der Zahlungspflicht. Das betrifft etwa taubblinde Menschen und Empfänger von Blindenhilfe oder Empfänger von Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe, Grundsicherung oder BaföG. Auch vor diesem Hintergrund sind die öffentlichen Rundfunkan- stalten gehalten vermehrt barrierefreie Formate anzubieten (s. dazu unten).
Die Deutsche Zentralbücherei für Blinde zu Leipzig (DZB) dient der Versorgung blinder und sehbehinderter Menschen mit Literatur und Information in geeigneter Form. Sie verleiht Blinden- schriftbücher, Braillenoten, Audiobücher und Reliefs, beherbergt einen Verlag, ein Produktions- zentrum für Blindenschrift- und Hörbücher, den Übertragungsservice für Blindenschriftnoten DaCapo, das Beratungszentrum für blinde und sehbehinderte Mediennutzer LOUIS sowie ein Beratungszentrum für Information und Kommunikation, das sich mit der Zugänglichkeit von Webauftritten beschäftigt sowie das Projekt Leibniz, für die Fach- und Sachbuchaufbereitung blinder und sehbehinderter Menschen.
Um den Zugang behinderter Menschen zu kulturellen Darbietungen wie Theatervorstellungen oder Museumsbesuchen zu gewährleisten, sind u. a. im Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben vorgesehen. Eine Vielzahl von Museen und kulturellen Einrichtungen können barrierefrei genutzt werden. Zudem werden Sonderveranstaltungen für Menschen mit Sinnesbehinderungen angeboten (z.B. Tast-führungen).
Das Filmförderungsgesetz beinhaltet eine Erleichterung der Förderbedingungen für Filme mit Audiodeskription und Untertiteln. Die Kinoförderung berücksichtigt bei der Finanzierung insbe- sondere den Einbau von Rollstuhlfahrerplätzen und den Einbau von Induktionsschleifen für hör- behinderte Menschen. Eine Studie zur Struktur der Kinosäle aus dem Jahr 2009 zeigt, dass von den an der Studie beteiligten Kinos 84 Prozent barrierefrei gestaltet sind.
Die Deutsche Gebärdensprache ist als eigenständige Sprache anerkannt.
Bestandsaufnahme auf Landesebene
Im Dialog mit den Blinden-, Sehbehinderten- und Gehörlosenverbänden, der Deutschen Zent- ralbücherei für Blinde, des Antidiskriminierungsbüros in Leipzig sowie mit Regierungsbeauftrag- ten aus Mitteldeutschland hat der MDR im Oktober 2012 einen Stufenplan zur Erleichterung der
Teilhabe für Behinderte beraten. Der MDR wird in seinen Fernsehprogrammen und in seinen In- ternetangeboten die Nutzungsbarrieren für Menschen mit Seh- oder Hörbehinderungen deutlich reduzieren. Der Stufenplan ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass nach dem neuen Rundfunkbeitragsstaatsvertrag zum Jahresbeginn 2013 künftig auch Menschen mit Behinde- rungen zur Zahlung von Rundfunkbeiträgen herangezogen werden, die davon bisher befreit wa- ren, s.o. Es geht dabei nicht nur um punktuelle Aktionen zum Abbau von Barrieren, sondern um ein umfassendes Angebot, das möglichst alle nutzen können. In den nächsten drei Jahren sol- len Barrieren für seh- und hörbehinderte Menschen in einem Stufenplan Schritt für Schritt schwinden. Am Ende dieses Jahres sollen etwa 30 Prozent der MDR-Fernsehsendungen für Gehörlose und Hörbehinderte untertitelt sein. Bis 2015 soll dieser Anteil auf mindestens 75 Pro- zent steigen. Dies gilt dann schon 2014 für alle Erstsendungen, auch die regionalen Informati- onsprogramme, in der Hauptsendezeit am späten Nachmittag und am Abend. Für 2015 plant der MDR mit einer lückenlosen Untertitelung aller Sendungen von 11 bis 22 Uhr. Hinzu kommt eine Verdoppelung der Herstellung von Hörfilmfassungen und Sendungen mit Audiodeskription aus dem Bestand des MDR. Das Regionalmagazin "MDR um 11" wird vom 2. Januar 2013 an im Live-Stream im Internet und zeitversetzt in der MDR-Mediathek mit Gebärdensprache ange- boten. Ohnehin werden künftig alle bei Erstausstrahlung untertitelten Sendungen auch bei Nachnutzungen in der Mediathek mit Untertiteln angeboten. Die Untertitel sollen zu einem spä- teren Zeitpunkt auch über mobile Ausspielungen sowie in den Mediatheken des hybriden Fern- sehens (HbbTV) nutzbar sein. Einige Beiträge des MDR im ARD-Gemeinschaftsprogramm "Das Erste" werden heute schon mit Live-Untertiteln versehen (zum Beispiel "Brisant", "Feste der Volksmusik" und das Kulturmagazin "ttt – titel thesen temperamente"). Für Filme und Serien werden die Untertitel vorproduziert ("Tatort", Polizeiruf 110", "In aller Freundschaft", Dienstag- Hauptabendserien, Mittwochsfilm). Vom 1. März 2013 an wird der MDR ausschließlich untertitel- te Sendungen ins Gemeinschaftsprogramm "Das Erste" einbringen. Ebenfalls schon vom nächsten Jahresbeginn an wird der MDR die Dienstagabendserien sowie seine Tierdokumenta- tionen im "Ersten" in einer Hörfunkfassung anbieten. Bei "Tatort", Polizeiruf 110" und Mittwochs- filmen des MDR für das ARD-Gemeinschaftsprogramm gibt es diesen Service für Sehbehinder-te schon seit 2009.
Zahlreiche kommunale öffentliche Bibliotheken in Sachsen-Anhalt haben in ihrem Bestand Bü- cher für Menschen mit Sehschwäche in Großschrift. Darüber hinaus bieten alle Bibliotheken ih- ren Nutzern die Möglichkeit über die Fernleihe aus größeren Bibliotheken oder Spezialbibliothe- ken – s.o. die Ausführungen zur Deutschen Zentralbücherei für Blinde zu Leipzig - Bücher für Sehschwache und Blinde zu bestellen.
Für Blinde barrierefrei ausgerüstete PC-Arbeitsplätze gibt es in der Stadt- und Kreisbibliothek Genthin, der Stadtbibliothek Halle, der Stadtbibliothek Magdeburg und der Stadt- und Kreisbib- liothek Osterburg.
Die Mehrzahl der hauptamtlich geleiteten kommunalen öffentlichen Bibliotheken in Sachsen- Anhalt sind barrierefrei für Menschen mit Behinderungen zugänglich (s. Aufstellung).
Landkreis | Bibliotheksorte |
Altmarkkreis Salzwedel | Arendsee, Diesdorf, Gardelegen, Kalbe, Klötze, Salzwedel |
Anhalt-Bitterfeld | Bitterfeld, Köthen, Sandersdorf |
Börde | Barleben, Haldensleben, Oschersleben, Wanz- leben, Weferlingen, Wolmirstedt |
Burgenland | Hohenmölsen, Zeitz |
Harz | Ballenstedt, Blankenburg, Halberstadt, Oster- wieck, Quedlinburg, Thale |
Jerichower Land | Genthin |
Mansfeld-Südharz | Hettstedt, Sangerhausen |
Saalekreis | Bad Dürrenberg, Braunsbedra, Landsberg, Merseburg, Querfurt, Teutschenthal |
Salzlandkreis | Aschersleben, Bernburg, Könnern, Schöne- beck, Staßfurt |
Landkreis | Bibliotheksorte |
Stendal | Bismark, Osterburg, Stendal, Tangermünde |
Wittenberg | Bad Schmiedeberg, Coswig, Wittenberg |
Dessau | Dessau (Anhaltische Landesbücherei) |
Magdeburg | Magdeburg |
Die Historische Kuranlagen und Goethe-Theater Bad Lauchstädt GmbH (100%- Gesellschafter ist das Land) sichert sowohl die Teilhabe als auch den Zugang von Menschen mit Behinderun- gen im Rahmen ihrer Programmgestaltung.
In Sachsen-Anhalt haben Menschen mit Behinderungen grundsätzlich Zugang zu kulturellen Angeboten. Ihnen stehen zudem Unterstützungsmöglichkeiten des Sozialgesetzbuchs IX zur Verfügung, z.B. Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben.
Spezielle landesgesetzliche Regelungen zur Umsetzung der Forderungen der BRK in den Be- reichen Musik, Theater und Bildende Kunst bestehen allerdings nicht. Das Musikschulgesetz des Landes schließt die Beteiligung und Förderung von Menschen mit Behinderungen grundsätzlich ein.
Herausforderungen:
Der Stufenplan des MDR auf dem Weg zur Barrierefreiheit ist zu begrüßen, gleichwohl fordern Verbände und die Behindertenbeauftragen der Landesregierungen noch weiter gehende Schrit- te. Menschen mit Behinderung sollten häufiger und selbstverständlicher von den Medien und damit von der Gesellschaft wahrgenommen werden. Sinnvoll wäre es in den MDR-Rundfunkrat Vertreter der Menschen mit Behinderung aufzunehmen. Bei der Zusammensetzung der Redak- tionsteams, die sich mit dem Abbau von Barrieren beschäftigen sollten Betroffene einbezogen werden, um Fehler zu vermeiden, die Nicht-Behinderte nur schwer vorhersehen können. Der Dialog zwischen dem MDR und den Vertretern der Interessen von Menschen mit Behinderun- gen sollte verstetigt werden.
Die Angebote von Bibliotheken, Theatern, Musikschulen und anderen Kulturellen Einrichtungen, die auch von Menschen mit Behinderungen genutzt werden können sind weiter auszubauen.
Maßnahmenkatalog
Folgende Vorhaben sollen im Instrumentalziel „Kulturelles Leben“ umgesetzt werden.
Maßnahmen | Zuständigkeiten | Zeitlicher Rahmen |
Begleitung des Stufenplans des MDR auf dem Weg zur Barriere- freiheit | StK, BBM | 2012 – 2015 |
Anregung der Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen in die Redaktionsteams beim MDR, die sich mit dem Abbau von Barrie- ren beschäftigen | StK, BBM | ab 2014 |
Fortbildungsangebote für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in kulturellen Einrichtungen zu den Belangen von Menschen mit Behinderungen | MK, MS | ab 2014 |
Anregung von Führungen in Muse- en durch Menschen mit Behinde- rungen | MK | ab 2014 |
Anregung der Beteiligung von Men- schen mit Behinderungen bei der Konzeption von Ausstellungen und anderen kulturellen Angeboten | MK | ab 2014 |
Anregung ehrenamtlichen Enga- gements für und von Menschen mit Behinderungen bei der Durchfüh- rung und dem Besuch kultureller Veranstaltungen aller Art | MS, MK | ab 2013 |
Anregung von kulturellen Angebo- ten für Kinder mit Behinderungen | MK, MS | ab 2014 |
Anregung von Ausstellungen von Künstlern mit Behinderungen | MS, MK, BBM | ab 2013 |
5.6.3 Touristische Angebote
Forderungen der BRK
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Bestandsaufnahme auf Bundesebene
Die Nationale Koordinationsstelle Tourismus für Alle e.V. ist eine zentrale Anlaufstelle für die Belange des barrierefreien Tourismus. Der Verein informiert und unterstützt Tourismusan- bieter bei der Gestaltung barrierefreier Angebote. Der Bund fördert Projekte der Koordinationsstelle.
Der Bund unterstützt Studien zur ökonomischen Bedeutung des barrierefreien Tourismus sowie zur Herausarbeitung von Erfolgsfaktoren und Maßnahmen im Hinblick auf Qualitätsver- besserungen. Die Arbeitsgemeinschaft „Barrierefreie Reiseziele in Deutschland“ engagiert sich für die Entwicklung von Angeboten für behinderte Gäste in bestimmten Regionen.
Bestandsaufnahme auf Landesebene
Das Thema Barrierefreier Tourismus findet im Land Sachsen-Anhalt seit Jahren Beachtung. Im Jahr 2002 wurde eine Konzeption zum Thema „Barrierefreier Tourismus“ erarbeitet, die in Form des Handbuchs "Tourismus für Alle" vorliegt. In dieser Publikation werden Grundlagen, Inhal- te sowie Best-Practice-Beispiele für einen „Barrierefreien Tourismus“ beschrieben und Hand- lungsanweisungen gegeben. Der Aspekt „Barrierefreiheit“ wurde zudem in die Qualitätsoffensive des Landes den Tourismus betreffend einbezogen.
Im Landesmarketing wird die Vermarktung der Angebote im Bereich „Barrierefreier Tourismus“ mit Sorgfalt verfolgt.
Im Rahmen der projektbezogenen Tourismusförderung sind die Regional- und Fachverbän- de aufgefordert, das Thema „Barrierefreier Tourismus“ stärker in das Blickfeld zu nehmen. Im Jahr 2009 ist die Entwicklung von barrierefreien Angeboten als Kriterium für die Auswahl von Förderprojekten in die Projektbewertung für Fördermaßnahmen integriert worden. Es sind mehrere regionale Projekte zur Entwicklung barrierefreier Angebote in Zusammenarbeit mit dem Allgemeinem Behindertenverband Sachsen-Anhalt e.V. durchgeführt worden.
Seit 2005 hat das Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft des Landes Sachsen-Anhalt das Kriterium „Barrierefreiheit“ ausdrücklich als Voraussetzung in die Förderbestimmungen der Tou- rismusförderung aufgenommen.
Beispielhafte Projekte zum barrierefreien Tourismus in Sachsen-Anhalt:
- Ausschilderung mit Piktogrammen an Radwegen, Wanderwegen, Lehrpfaden; einheitliche Beschilderungssysteme mit klarer Symbolik - Wiedererkennungseffekt in den kulturtouristi- schen Einrichtungen „Gartenträume - Historische Parks";
- seit dem Jahr 2004 barrierefrei zugängliches Onlineportal der Investitions- und Marketingge- sellschaft Sachsen-Anhalt (IMG), welches ständig weiterentwickelt wird (Barrierefreie Ange- bote touristischer Partner, Kooperation Stadtsprung, ausgewählte Städte und Verlinkungen zu den Angeboten);
- Kennzeichnung in den Broschüren der IMG der Beherbergungsbetriebe, die sich als „roll- stuhlgerecht“ bezeichnen;
- Kennzeichnung der touristischen Angebote nach Kriterien der Barrierefreiheit in Publikatio- nen der IMG (z.B. „Gruppenreisen in Sachsen-Anhalt");
- Kennzeichnung durch Piktogramme auf Online-Portal und Broschüren der Initiative „Stadt- sprung";
- Regionales Projekt „BASA Nord" in Zusammenarbeit mit dem ABiSA e. V. und dem Touris- musverband Altmark (Erarbeitung eines Reiseführers von touristischen barrierefreien Ange- boten in der Altmark);
- Umsetzung entsprechender DIN-Vorschriften in öffentlichen Einrichtungen, wie Museen, Theater, Konzert- und Veranstaltungshallen und Touristinformationen;
- Einsatz von Audioguide-Systemen zur Überwindung von Fremdsprachenbarrieren, Unter- stützung bei Führungen für Sehbehinderte für die „Straße der Romanik“ seit Oktober 2010 in
zehn ausgewählten Standorten;
- Tourismustag Sachsen-Anhalt 2010 mit dem Schwerpunkt Barrierefreies Reisen mit Vorträ- gen und Worksshops zur Sensibilisierung der Thematik und Impulsgeber für die schrittweise Qualifizierung barrierefreier Angebote (Vgl. Website der Investitions- und Marketinggesellschaft www.sachsen-anhalt- tourismus.de/xxl/de/intern/_articleId/1433489/index.htm);
- im Jahr 2009 durchgeführte Untersuchung zur „Servicequalität in den Lutherorten bzw. am Lutherweg in Sachsen-Anhalt unter besonderer Berücksichtigung der Barrierefreiheit“;
- Entwicklung von barrierefreien Pauschalangeboten für Individual- und Gruppentourismus, die dem gewünschten Qualitätstourismus für Alle gerecht werden im Bereich „Lutherweg- Tourismus“;
Vorbildhaft hinsichtlich der barrierefreien Ausgestaltung sind die katalogisierten Mindeststan- dards für barrierefreie Beherbergungs- und Gastronomiebetriebe in Deutschland. Auch in Sach- sen-Anhalt halten die touristischen Leistungsträger eine große Zahl von touristischen Angeboten vor, die insbesondere auch Menschen mit Behinderungen in Anspruch nehmen können.
Die wirkliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in der Gesellschaft nimmt weiterhin auch im Tourismusbereich von Sachsen-Anhalt eine wichtige Rolle ein. Aufgrund des demogra- fischen Wandels in unserer Gesellschaft müssen sich die touristischen Akteure (Land, Städte, Gemeinden, Veranstalter, Verbände, Gastgeber) in Zukunft noch intensiver mit Einschränkun- gen der Beweglichkeit und der Wahrnehmungsfähigkeit im Tourismussektor auseinandersetzen.
Ziel in Sachsen-Anhalt bleibt die Herstellung von Barrierefreiheit im gesamten Bereich der touristischen Servicekette weiter voranzutreiben. Die Vermittlung von Informationen über das Rei- seziel durch zugängliche Formate ist dabei ein wichtiger Aspekt (z.B. barrierefreies Internetpor- tal, Tourismusbroschüren mit Hinweisen zur Barrierefreiheit, behindertengerechte Ausschilderungen). Allerdings sind die touristischen Leitungsträger dabei auch auf die Unterstützung von Leistungen Dritter angewiesen, z.B. ÖPNV, Zugang zu öffentlichen Einrichtungen wie Museen, Theater und Bibliotheken, etc.
Um die Zugänglichkeit zu touristischen Orten und kulturellen Darbietungen zu ermöglichen, be- darf es weiterhin des Ausbaus und der Gestaltung von barrierefreier Infrastruktur (z.B. barriere- freie Toiletten und Parkplätze). In Sachsen-Anhalt werden entsprechende DIN-Vorschriften in öffentlichen Einrichtungen, wie Museen, Theater, Konzert- und Veranstaltungshallen und Touristinformationen bereits umgesetzt und kontinuierlich fortgeführt. Bisher hat das Land allerdings noch keine systematische Erfassung aller barrierefreien Besuchsziele erstellt. Weiterer Schwer- punkt bleibt auch die Entwicklung behindertengerechter touristischer Angebote von Beherbergungsbetrieben und anderen touristischen Dienstleistern. Bei der Entwicklung dieser Angebote bedarf es oftmals einer vorhergehenden Analyse, welche barrierefreien touristischen Angebote bereits vorhanden sind, welcher Bedarf existiert und wie die Angaben immer wieder aktuell gehalten werden können. Für die Ermittlung des Ist-Standes als auch für die laufende Beratung und Kontrolle bedarf es regelmäßige Besichtigungen vor Ort, die nur mit geeigneter personeller und finanzieller Ausstattung durchgeführt werden kann.
Maßnahmenkatalog
Folgende Vorhaben sollen im Instrumentalziel „Touristische Angebote“ umgesetzt werden.
Maßnahmen | Zuständigkeiten | Zeitlicher Rah- men |
Angebotsentwicklung und Vermarktung barriere- freier Angebote der Tourismusverbände in Sach- sen-Anhalt
Verbesserung der Barrierefreiheit aufgrund Un- tersuchung in den Lutherorten bzw. Lutherweg (Förderung MW) Handbuch: „ABC Barrierefreiheit“
Faltblatt „Reisen zu Luther 2012/13 – Reiseangebote für alle“ (Schwerpunkt Barriere- freiheit)
Herstellung Barrierefreiheit beim Ausbau der tou- ristischen Infrastruktur in der Lutherstadt Witten- berg (Förderung MW)
Barrierefreie Angebote Wernigerode (Broschüre)
Kommunales Projekt zum barrierefreien Touris- mus der Initiative Stadtsprung | MW
Tourismusregion An- halt-Dessau- Wittenberg
Tourismusregion An- halt-Dessau- Wittenberg
Lutherstadt Wittenberg
Wernigerode Touris- mus GmbH
Initiative Stadtsprung | Lfd.
2009ff.
2012
2012ff.
2012
2009/2010 |
Barrierefreie Reiseangebote in der Region Elbe- Börde-Heide (Flyer) sowie Best-Practice für Tou- ristiker „Barrierefreie Führungen“ | Tourismusverband El- be-Börde-Heide | 2011/2012 |
Aufnahme Stadt Magdeburg in AG Barrierefreie Reiseziele in Deutschland sowie der Broschüre „Urlaub für Alle in acht deutschen Regionen“ | Stadt MD im Verbund aus Städten und Tou- rismusregionen | 2011ff. |
Reiseangebote Barrierefreie Altmark (Leitfaden barrierefreier touristischer Angebote) | Tourismusverband Altmark | 2009ff. |
Integration der Barrierefreiheit in die Gestaltung der touristischen Infrastruktur : Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe „Verbes- serung der regionalen Wirtschaftsstruktur" RdErl. des MW vom 19.11.2010 (MBl. LSA S. 615) und vom 1.9.2009 (MBl. LSA S. 673). | MW | Seit 2008 |
Integration der Barrierefreiheit in die touristische Projektförderung des Landes | MW | seit 2008 |
Beteiligung Investitions- und Marketinggesell- schaft LSA (IMG) am Bundesprojekt zur Entwick- lung des barrierefreien Tourismus in Deutschland | IMG (Projekt *DSFT und NatKo, Finanzie- rung BMWi) | 2012 |
Fortschreibung Masterplan Tourismus 2020 unter Beachtung der Thematik „Tourismus für al- le“. | MW | ab 2012 |
5.7 Frauen und Mädchen
Dieses Handlungsfeld ergänzt alle anderen Handlungsfelder mit Blick auf die Belange von Frauen und Mädchen mit Behinderungen und nimmt die Feststellungen und Forderungen der Behindertenrechtskonvention zugunsten von Frauen und Mädchen auf, die niedergelegt sind in Art. 6 (Frauen mit Behinderungen) und Art. 16 BRK (Freiheit von Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch).
Fundamentalziel
In Sachsen-Anhalt genießen Frauen und Mädchen mit Behinderungen alle Menschenrechte und Grundfreiheiten voll und gleichberechtigt und sind wirksam geschützt vor Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch.
Instrumentalziele
- Erkenntnisse über die Gefährdungen
- Schutz vor Gefährdungen
- Stärkung von Selbstbestimmung und Autonomie
Forderungen der BRK
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Bestandsaufnahme Bestandsaufnahme auf Bundesebene
Die bzw. der Beauftragte der Bundesregierung für Belange behinderter Menschen ist eine Anlaufstelle für Menschen mit Behinderungen. Sie wirkt nach dem Behindertengleichstellungs- gesetz (BGG) darauf hin, dass die Verantwortung des Bundes, für gleichwertige Lebensbedin- gungen für Menschen mit und ohne Behinderung in allen Teilen des gesellschaftlichen Lebens zu sorgen, erfüllt wird. Hierzu gehört auch der Schutz von behinderten Frauen und Mädchen vor Gewalt (Aktionsplan II der Bundesregierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen aus dem Jahr 2007).
Frauen und Mädchen mit Behinderungen sind in besonders hohem Maße gefährdet, Opfer von Gewalt und sexualisierter Gewalt zu werden. Die 2011 abgeschlossene vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend beauftragte Studie „Lebenssituation und Belas- tungen von Frauen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen in Deutschland“ zeigt die Wechselwirkung zwischen Gewalt und gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Lebensverlauf auf. Mit 58 bis 75 Prozent haben fast doppelt so viele Frauen im Erwachsenenalter körperliche Gewalt erlebt, von sexueller Gewalt waren etwa zwei- bis dreimal häufiger betroffen, als Frauen im Bevölkerungsdurchschnitt. Sexuelle Übergriffe in Kindheit und Jugend durch Erwachsene gaben 20 bis 34 Prozent der Frauen an. Psychische Gewalt und psychisch verletzende Hand- lungen in Kindheit und Jugend durch Eltern haben etwa 50 bis 60 Prozent der befragten Frauen mit Behinderungen erlebt (Bericht der Bundesregierung zur Situation der Frauenhäuser, Fachberatungsstellen und anderer Unter- stützungsangebote für gewaltbetroffene Frauen und deren Kinder (Stellungnahme zum Gutachten) aus dem Jahr 2012).
Im September 2007 verabschiedete die Bundesregierung den „Aktionsplan II der Bundesre- gierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen“ der mehr als 130 Maßnahmen der Bundesregierung zu diesem Themenfeld bündelt. Berücksichtigung finden insbesondere auch Maßnahmen zum Schutz von Frauen mit Behinderungen. Dazu zählen der Aufbau und Erhalt von Hilfsangeboten und Unterstützungseinrichtungen für gewaltbetroffene Frauen und Mädchen.
Durch eine gezielte Kooperation von Bund, Ländern, Kommunen und unter Einbeziehung der Nichtregierungsorganisationen wird die Umsetzung des Aktionsplanes II seit dem ersten Aktionsplan in den Bund-Länder-Arbeitsgruppen "Häusliche Gewalt" und "Frauenhandel" als Steuerungsgremien zur Umsetzung des Aktionsplans praktiziert.
Bestandsaufnahme auf Landesebene
Insgesamt 20 Frauenhäuser und deren 8 ambulante Beratungsstellen (mindestens 1 Frauen- haus in jedem Landkreis), 4 Interventionsstellen, 4 Beratungsstellen für Opfer sexualisierter Gewalt und 7 Frauenzentren bieten barrierefreie Beratung (Die barrierefreie Beratung wird im Rahmen eines Angebotes zur aufsuchenden Beratung oder Bera- tung an vereinbarten barrierefreien Treffpunkten gewährleistet.) und Unterstützung für Mädchen und Frauen an und führen zielgruppenspezifische Aufklärungs-, Fort- und Weiterbildungs- sowie Präventionsangebote durch. Eine „behindertengerechte“ Ausstattung ist in zwei Frauenhäusern des Landes vorhanden.
Im Rahmen des „Landesprogramms zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Kinder“ (Laufzeit 2002 bis 2005) wurden ressortübergreifend umfangreiche Maßnahmen initiiert und durchgeführt, die in den zurückliegenden Jahren aktualisiert, weiterentwickelt und fortgeführt wurden.
Der vom Ministerium für Justiz des Landes im Oktober 2010 vorgelegte Opferschutzbericht in- formiert erstmalig über die umfangreichen Bemühungen um eine stärkere Berücksichtigung von Opferbelangen und Vorhaben und zeigt Perspektiven für die weitere Entwicklung auf.
Auf der Grundlage des Landtagsbeschlusses vom 10.11.2011 (Drucksache 6/567) wird derzeit vom Ministerium für Justiz und Gleichstellung ein Landesprogramm für ein geschlechtergerechtes Sachsen-Anhalt erarbeitet, in dem auch die Belange der Frauen und Mädchen mit Behinde- rungen Berücksichtigung finden. Die Übereinstimmung mit den in dem vorliegenden Landesak- tionsplan enthaltenen Herausforderungen und Maßnahmen wird sichergestellt.
Die aktuellen Beschlüsse der Frauen- und Gleichstellungsministerinnenkonferenz zur Bekämp- fung von Gewalt gegen Frauen finden in den Landesprogrammen ihren Niederschlag.
Herausforderungen
Im Ergebnis der o. g. Studie zur „Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Beeinträchti- gungen und Behinderungen in Deutschland“ wird deutlich, dass Frauen mit Behinderungen bis- lang unzureichend vor körperlicher, sexueller und psychischer Gewalt geschützt und darüberhinaus vielfältigen Formen von Diskriminierung und struktureller Gewalt ausgesetzt sind. Vor dem Hintergrund der Ergebnisse sind zielgruppenspezifische Interventions-, Unterstützungs- und Präventionsmaßnahmen zu entwickeln, die zu einem nachhaltigen Abbau von Gewalt und Diskriminierung gegenüber Frauen mit unterschiedlichen Behinderungen beitragen. (Studie zur Situation der Frauenhäuser, Fachberatungsstellen und anderer Unterstützungsangebote für gewaltbetroffene Frauen und deren Kinder aus dem Jahr 2012)
Die Gewaltbetroffenheit von Frauen mit Behinderungen findet verdeckt im familiären Bereich statt, tritt aber auch in Einrichtungen der Behindertenhilfe sowie im Rahmen der Pflege auf. Kommunikationsbeeinträchtigungen sowie Abhängigkeitsverhältnisse bei Pflege oder Betreuung erhöhen nachgewiesenermaßen das Risiko für Gewaltübergriffe bei Frauen und Mädchen mit Behinderungen. In Übereinstimmung mit der UN Behindertenrechtskonvention sind geeignete Maßnahmen zu treffen, um dem entgegenzuwirken.
Maßnahmenkatalog
Die folgenden Maßnahmen sollen im Handlungsfeld 5.7 Frauen und Mädchen umgesetzt werden:
Maßnahmen | Zuständigkeiten | Zeitlicher Rahmen |
Auswertung der von der Bundesregierung in Auf- trag gegebenen Studie zur „Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen in Deutschland“ | MS, MJ | 2013 |
Konzept für weitergehende Untersuchungen zur Lebenssituation von Frauen und Mädchen mit Behinderungen in Sachsen-Anhalt | MS, MJ | 2013 |
Weitergehende Untersuchungen zur Lebenssitua- tion von Frauen und Mädchen mit Behinderungen in Sachsen-Anhalt | MS, MJ | ab 2014 |
Erstellung von Materialien zur Bewusstseinsbil- dung und Sensibilisierung zur Lebensrealität von Frauen und Männern mit Behinderungen | MS, MJ | ab 2015 |
Erarbeitung von Leitlinien zur Gewaltprävention | MS, MJ | ab 2013 |
sowie von Interventionsplänen, insbesondere für Einrichtungen der Behindertenhilfe, der Kinder- und Jugendhilfe, der Pflege und des Gesund- heitswesens |
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Erstellung barrierefreier Informationen für Mäd- chen, Jungen, Frauen und Männer mit Behinde- rungen zur Stärkung der Autonomie und zur Ge- waltprävention | MS, MJ | ab 2014 |
Erarbeitung eines Leitfadens zur Unterstützung des gender-disability-mainstreamings bei der Umsetzung des Landesaktionsplans | MS, MJ | ab 2013 |
Entwicklung von Präventions- und sexualpäda- gogischen Konzepten gegen sexuelle Gewalt für Schulen:
| MS, MK, MJ | ab 2013 |
Entwicklung von verpflichtenden Fortbildungsan- geboten für Lehrkräfte und Betreuungspersonal zum Schutz der Privat- und Intimsphäre behinder- ter Mädchen und Frauen | MS, MK, MJ | ab 2013 |
Herstellung barrierefreier bedarfsgerechter Zu- gänge zu Beratungs- und Unterstützungs- angeboten für Mädchen, Jungen, Frauen und Männer mit Behinderungen und deren behinder- tengerechte Nutzung | MS, MJ | ab 2014 |
5.8 Kinder und Jugendliche
Dieses Handlungsfeld ergänzt alle anderen Handlungsfelder mit Blick auf Kinder und Jugendli- che mit Behinderungen, nimmt Bezug auf Art. 7 BRK (Kinder mit Behinderungen) und verweist im Übrigen auf die kinder- und jugendspezifischen Ausprägungen der anderen Handlungsfelder, insbesondere mit Blick auf Art. 16 (Freiheit von Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch), Art. 24 (Bildung), Art. 25 (Gesundheit), Art. 26 (Habilitation und Rehabilitation) und Art. 30 BRK (Teilha- be am kulturellen Leben sowie an Erholung, Freizeit und Sport).
Fundamentalziel
In Sachsen-Anhalt genießen Kinder und Jugendliche mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen Kindern und Jugendlichen alle Menschenrechte und Grundfreiheiten.
Instrumentalziele
- Auf allen Ebenen des gesellschaftlichen Handelns herrscht eine respektvolle Einstellung ge- genüber Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen.
- Kinder und Jugendliche mit Behinderungen nehmen gleichberechtigt mit anderen Kindern an Spiel-, Erholungs-, Freizeit- und Sportaktivitäten teil.
- Kinder und Jugendliche mit Behinderungen bringen sich wirksam in demokratische Ent- scheidungsprozesse ein.
Forderungen der BRK
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- Förderung einer respektvollen Einstellung gegenüber den Rechten von Kindern mit Behinde- rungen auf allen Ebenen des Bildungssystems von früher Kindheit an (Art. 8 Abs. 2b)
- Sicherstellung der gleichberechtigt Teilnahme an Spiel-, Erholungs-, Freizeit- und Sportakti- vitäten, einschließlich des schulischen Bereichs (Art. 30 Abs. 5d)
Bestandsaufnahme
Der bundesrechtliche Rahmen
§ 1 Abs. 3 des Achten Buches Sozialgesetzbuch – Kinder- und Jugendhilfe- ( Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3134), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 22. De- zember 2011 (BGBl. I S. 2975) gibt der Jugendhilfe auf, junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung zu fördern und dazu beizutragen, Benachteiligungen zu vermeiden oder abzubauen. Zu den Leistungen der Jugendhilfe zählen dabei Angebote der Jugendarbeit nach § 11 SGB VIII, die von Verbänden, Gruppen und Initiativen der Jugend, anderer Träger der Jugendarbeit und der öffentlichen Jugendhilfe angeboten werden und beispielsweise die außer- schulische Jugendbildung, die Jugendarbeit in Sport, Spiel und Geselligkeit oder die internatio- nale Jugendarbeit umfassen. Bei der Ausgestaltung der Jugendarbeit sind die wachsende Fä- higkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes oder des Jugendlichen zu selbständigem, ver- antwortungsbewusstem Handeln sowie die jeweiligen besonderen sozialen und kulturellen Be- dürfnisse und Eigenarten junger Menschen und ihrer Familien zu berücksichtigen. Die Angebote sollen an den Interessen junger Menschen anknüpfen und von ihnen mitbestimmt und mitgestal- tet werden. In Jugendverbänden wird Jugendarbeit von jungen Menschen selbst organisiert, gemeinschaftlich gestaltet und mitverantwortet.
In Sachsen-Anhalt gibt es eine Vielzahl von Jugendverbänden mit unterschiedlichster inhaltli- cher Ausrichtung, die auf örtlicher Ebene oder landesweit tätig sind. Zu nennen sind etwa die Jugendfeuerwehr, die Sportjugend, das jDRK, der EC-Verband, der EKJB und viele mehr.
Aufgrund ihrer thematischen Vielfalt und Ausrichtung an den individuellen Interessen und Bedürfnissen sind gerade Angebote der Jugendarbeit und der Jugendverbände für einen inklusi- ven Ansatz besonders geeignet.
Die Verpflichtung zur Leistungsgewährung richtet sich dabei grundsätzlich an die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Dem Land als überörtlichem Träger der öffentlichen Jugendhil- fe obliegen dagegen insbesondere die Fortbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jugendhilfe, Beratung und Anregung für die Weiterentwicklung der Jugendhilfe sowie die Bereit- stellung und Durchführung von Maßnahmen und Diensten, die den örtlichen Bedarf übersteigen.
Bestandsaufnahme auf Landesebene
Nach § 11 Abs. 3 BGG – LSA ist bei der Ausgestaltung familienergänzender und schulbeglei- tender Angebote der Jugendhilfe sowie spezieller Angebote der Jugendförderung solchen Formen der Vorrang einzuräumen, die für Menschen mit und ohne Behinderungen gleichermaßen geeignet sind. In dieser Vorschrift ist die mit dem Landesaktionsplan intendierte inklusive Ges- taltung aller Angebote der Kinder- und Jugendarbeit angelegt.
Das Land gewährt Zuwendungen zu den Personalkosten der Jugendbildungsreferenten und – referentinnen der landesweit tätigen Träger der außerschulischen Jugendbildung und verbindet diese Förderung mit folgender Maßgabe des Zuwendungsbescheides: „Es wird eine verstärkte Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen – junge Menschen bis zur Vollendung des 18. Le- bensjahres -, deren Teilhabe am gesellschaftlichen Leben aus wirtschaftlichen, sozialen, ge- sundheitlichen oder anderen Gründen beeinträchtigt oder gefährdet ist, in Ihre Bildungsmaß- nahmen als wünschenswert angesehen. Es sollten aus diesem Personenkreis mehr Teilneh- mende als bisher für Ihre Bildungsmaßnahmen gewonnen werden. Dazu bietet sich auch eine Zusammenarbeit mit den „Netzwerkstellen gegen Schulversagen“ an. (...)“. Ziel ist, dass auch die Zielgruppe der jungen Menschen mit Behinderungen stärker in den Blickpunkt der Maßnahmeträger rückt.
Mit den Lebenslagen junger Menschen mit Behinderungen befasste sich der Landesjugendhil- feausschuss in seiner Sitzung am 01.10.2012 (Thema: „Stand der Umsetzung der UN- Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Sachsen-Anhalt unter beson- derer Berücksichtigung der Lage von Kindern und Jugendlichen“). Er wird die Umsetzung der BRK begleiten und sich einmal jährlich mit der Thematik befassen.
Als überörtlicher Träger der öffentlichen Jugendhilfe unterbreitete das Landesjugendamt im Jahr 2012 Fortbildungsangebote zu den Themen „Inklusive Jugend(bildungs)arbeit“, „Kinder mit Behinderung inklusive - Inklusion in Kindertageseinrichtungen“, „Auf dem Weg zur Inklusion, Leistungsbeschreibung für die Integrative Kindertageseinrichtung in Sachsen-Anhalt“, die sich einer- seits an Jugendbildungsreferentinnen und –referenten sowie an Verantwortliche in der Jugend- und der Jugendbildungsarbeit und andereseits an Leiterinnen und Leiter von Kindertagsstätten sowie Erzieherinnen und Erzieher bzw. Heilpädagoginnen und Heilpädagogen richten.
Herausforderungen
Angebote der Jugendarbeit und Jugendverbandsarbeit stehen grundsätzlich allen jungen Men- schen offen. Sie müssen sich aber künftig noch stärker als bisher zugleich auf die „Zielgruppe“ junger Menschen mit Behinderungen ausrichten. Hierzu bedarf es zunächst der Sensibilisierung der haupt- und ehrenamtlich in der Jugendarbeit Tätigen für die Barrieren, die Teilhabe verhin- dern. Das Ziel, alle Kinder und Jugendlichen teilhaben zu lassen, muss in allen Planungen und Konzeptentwicklungen Niederschlag finden.
Maßnahmenkatalog
Maßnahmen | Zuständigkeiten | Zeitlicher Rahmen |
Förderung der Wertschätzung und des Verständ- nisses für Kinder und Jugendliche mit Behinde- rungen durch Anregung einer landesweiten Dis- kussion der Träger der Jugendarbeit und der Ju- gendverbände mit dem Ziel, das Leitbild einer in- klusiven Jugendarbeit zu verankern | MS | bis 2016 |
Empfehlung an die kommunalen Jugendämter, bei Gremienwahlen explizit um die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung zu werben | MS | bis 2016 |
Begleitung des Konzepts der Bundesregierung, das ab 2012/2013 gemeinsam mit den Verbän- den zur direkten Beteiligung behinderter Kinder und Jugendlicher (regelmäßiges Kinder- und Ju- gendparlament) entwickelt werden soll14 | MS, MK | bis 2015 |
Anregung und Förderung der Entwicklung von Konzepten zur Öffnung aller Freizeit-, Sport-, Kul- tur- und außerschulischen Bildungsangebote für | MS, MK, MI | bis 2016 |
Kinder und Jugendliche mit Behinderungen |
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Anregung und Förderung der Erarbeitung von | MS, MK, MI | bis 2016 |
Handreichungen zur inklusiven Gestaltung von |
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Freizeit-, Sport-, Kultur- und außerschulischen |
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Bildungsangeboten für Kinder und Jugendliche |
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Fortbildungsangebote zur inklusiven Jugendarbeit | MS | ab 2013 |
und Jugendbildungsarbeit für die in der Jugend- |
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arbeit Tätigen |
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Anpassung der Grundsätze für die Jugendlei- | MS mit Jugendver- | ab 2014 |
terausbildung | bänden, KJR |
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5.9 Bewusstseinsbildung
Dieses Handlungsfeld ergänzt alle anderen Handlungsfelder mit Blick auf die Förderung des Bewusstseins in der Gesellschaft für Menschen mit Behinderungen in und nimmt die Forderun- gen in Art. 8 BRK (Bewusstseinsbildung) auf.
Fundamentalziel
In Sachsen-Anhalt genießen Menschen mit Behinderungen Respekt, ihre Rechte und ihre Wür- de werden geachtet, sie leben frei von Vorurteilen.
Forderungen der BRK
- Schärfen des Bewusstseins für Menschen mit Behinderungen in der gesamten Gesellschaft, einschließlich auf der Ebene der Familien, Förderung der Achtung ihrer Rechte und ihrer Würde (Art. 8 Abs. 1a)
- Bekämpfung von Klischees, Vorurteilen und schädlichen Praktiken gegenüber Menschen mit Behinderungen, einschließlich aufgrund des Geschlechts oder des Alters, in allen Lebensbe- reichen (Art. 8 Abs. 1b)
- Förderung des Bewusstseins für die Fähigkeiten und den Beitrag von Menschen mit Behin- derungen (Art. 8 Abs. 1c)
- Einleitung und dauerhafte Durchführung wirksamer Kampagnen zur Bewusstseinsbildung in der Öffentlichkeit mit dem Ziel, die Aufgeschlossenheit gegenüber den Rechten von Men- schen mit Behinderungen zu erhöhen, eine positive Wahrnehmung von Menschen mit Be- hinderungen und ein größeres gesellschaftliches Bewusstsein ihnen gegenüber zu fördern, die Anerkennung der Fertigkeiten, Verdienste und Fähigkeiten von Menschen mit Behinde- rungen und ihres Beitrags zur Arbeitswelt und zum Arbeitsmarkt fördern (Art. 8 Abs. 2a)
- Förderung einer respektvollen Einstellung gegenüber den Rechten von Menschen mit Be- hinderungen auf allen Ebenen des Bildungssystems, auch bei allen Kindern von früher Kindheit an (Art. 8 Abs. 2b)
- Aufforderung an alle Medienorgane, Menschen mit Behinderungen in einer dem Zweck die- ses Übereinkommens entsprechenden Weise darzustellen (Art. 8 Abs. 2c)
- Förderung von Schulungsprogrammen zur Schärfung des Bewusstseins für Menschen mit Behinderungen und für deren Rechte (Art. 8 Abs. 2d)
Bestandsaufnahme
Der bundesrechtliche Rahmen
Das bundesrechtliche Rahmen enthält nahezu ausnahmslos subjektive Rechte von Menschen mit Behinderungen und objektive Verpflichtungen des Staates mit Blick auf Gleichstellung, Teil- habe und Rehabilitation. Aufforderungen zur Bewusstseinsbildung und zur Förderung einer re- spektvollen Einstellung gegenüber Mitliedern der Gesellschaft entsprechend Art. 8 BRK sind der deutschen Rechtstradition eher fremd. Aus diesem Grunde bildet der Nationale Aktionsplan der Bundesregierung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention das zentrale Instrument zur Erfüllung der Forderungen aus Art. 8 BRK auf Bundesebene.
Der Nationale Aktionsplan stellt fest, dass trotz der zunehmenden Präsenz von Menschen mit Behinderungen in der Öffentlichkeit und der Fortschritte bei der gemeinsamen Erziehung von Kindern mit und ohne Behinderungen in Familien, Kindergärten und Schulen das Bewusstsein in der breiten Öffentlichkeit vor allem für die Lebenssituation, die alltäglichen Herausforderungen und die vielfältigen Fähigkeiten von Menschen mit Behinderungen noch zu schwach ausgeprägt sind. Viele Menschen beziehen ihr Wissen und ihre Erfahrungen zum Thema Behinderung aus den Medien. Die Wahrnehmung von Menschen mit Behinderungen hängt wesentlich davon ab, wie sie in Unterhaltungs-, Informations-, Bildungs- und Wissenschaftsmedien repräsentiert sind, mit welchen Bildern, Symbolen und Begriffen sie belegt sind, welche Geschichten von ihnen er- zählt werden und in welchen Kontexten sie erscheinen oder selbst zu Wort kommen. Historisch tief verwurzelte kulturelle Ordnungskonzepte – etwa Normalität und Abweichung, Gesundheit und Krankheit – prägen aus Sicht des Nationalen Aktionsplans auch die Wahrnehmung von Be- hinderungen. Fortschritte im Umgang mit dem Thema seien deshalb auf dem Wege der Kom- munikation nur langsam zu erzielen. Die Bundesregierung möchte durch eine entsprechende Informations- und Repräsentationsarbeit einen nachhaltigen gesellschaftlichen und kulturellen Wandel flankieren und fördern. Sie will die Umsetzung des Nationalen Aktionsplanes mit einer langfristig angelegten Kampagne kommunikativ unterstützen und begleiten. Bestandteile der Kampagne sind insbesondere ein gemeinsam mit der Zivilgesellschaft entwickeltes Logo zur Umsetzung des Nationalen Aktionsplanes, der auch zur Entwicklung und Umsetzung weiterer Aktionspläne sowie zur Umsetzung von Kommunikationsmaßnahmen der Verbände genutzt werden kann, eine Kommunikationsplattform im Rahmen des Internetauftrittes „www.einfach- teilhaben.de“, eine Sammlung von Beispielen gelingender Inklusion, eine Dachkampagne, die die breite Bevölkerung für die Anliegen der UN - Behindertenrechtskonvention sensibilisieren soll, Handreichungen für Unternehmen und Schwerbehindertenvertretungen, wie Aktionspläne großer Unternehmen aussehen und wie sie durchgesetzt werden können, die Erarbeitung, Erstellung und Verbreitung von Informationsma- terial zur UN-Behindertenrechtskonvention (s. NAP, herausgegeben vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Referat Öffentlichkeitsarbeit, Internet 11017 Berlin, Stand: September 2011, S. 100 f.)
Darüber hinaus hat sich die Bundesregierung zur Aufgabe gemacht, die Identität von Menschen mit Behinderungen als Bürgerinnen und Bürger, Konsumenten, Eltern, Berufstätige usw. in der Medienarbeit in den Vordergrund zu stellen und weniger Gewicht auf die karitativen Kontexte zu legen. Auch soll die Beschränkung auf bestimmte, vermeintlich „präsentablere“ oder „populärere Behinderungsarten“ wie Rollstuhlfahrer/innen oder Menschen mit Down-Syndrom, die Bevorzu- gung bestimmter Jahreszeiten und Wochentage für „Behinderten-Themen“ („besinnliche“ Jahreszeit, Wochenenden), die Bevorzugung bestimmter Platzierungen in Print-Produkten (häufig in den Rubriken: Medizin und Gesundheit, Lokales, Panorama/Buntes, Wochenendbeilagen; sel- ten in den Rubriken: Politik, Wirtschaft, Kultur/Feuilleton) überwunden werden.
Bestandsaufnahme auf Landesebene
Das Land Sachsen-Anhalt war im Jahr 2001 nach Berlin das zweite Bundesland, das die aktive Förderung der Gleichstellung und Teilhabe am Leben in der Gesellschaft von Menschen mit Behinderungen in einem Landesgesetz allen staatlichen und kommunalen Stellen aufgegeben hat. Mit der Novellierung des Behindertengleichstellungsgesetzes im Jahr 2010 hat es diese Aufgabenstellung bekräftigt und in Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention konkreti- siert. Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen sind zu verhindern und zu beseiti- gen, gleichwertige Lebensbedingungen und Chancengleichheit sowie die gleichberechtigte Teil- habe am Leben in der Gesellschaft sind zu gewährleisten und eine selbstbestimmte Lebensfüh- rung zu ermöglichen. Damit wurde zugleich der landesrechtliche Rahmen zur Umsetzung der Forderungen zur Bewusstseinsbildung im Sinne von Art. 8 BRK geschaffen.
Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang das Engagement der Interessenvertre- tungen im Runden Tisch für Menschen mit Behinderungen und im Behindertenbeirat des Lan- des Sachsen-Anhalt, s. §§ 26 f. BGG LSA. Konkret zu nennen sind insbesondere die Heraus- gabe der Zeitschrift „normal!“, die Veranstaltung eines Behindertenpolitischen Forums und die Vergabe des Ehrenpreises pro Engagement an Unternehmen, die Menschen mit Behinderun- gen beschäftigen. Diese Aktionen tragen nicht unerheblich zur Wahrnehmung des Lebens von Menschen mit Behinderungen in Sachsen-Anhalt bei.
Herausforderungen
Die Feststellungen des Nationalen Aktionsplanes zur Darstellung und zur Wahrnehmung der Lebenslagen von Menschen mit Behinderungen in Gesellschaft in Medien treffen durchaus auch auf das Land Sachsen-Anhalt zu. Die Kampagne der Bundesregierung sollte durch landesspe- zifische Maßnahmen ergänzt werden. Um alle gesellschaftlichen Gruppen erreichen zu können sollte ein breites Spektrum an Formaten der Öffentlichkeitsarbeit entwickelt werden. Ganz we- sentlich wird es aber sein, dass Menschen mit Behinderungen in der Gesellschaft stärker wahr- genommen werden. Die Voraussetzungen hierfür zu schaffen ist Aufgabenstellung in allen Handlungsfeldern des Landesaktionsplans und zentrales Anliegen des Leitgedankens der Inklusion.
Maßnahmenkatalog
Maßnahmen | Zuständigkeiten | Zeitlicher Rahmen |
Fortsetzung der Öffentlichkeitsarbeit des Behin- dertenbeirats des Landes Sachsen-Anhalt:
Entwicklung eines Konzepts für eine landesspe- zifische Sammlung von Beispielen gelingender Inklusion
Erstellung einer Sammlung von Beispielen gelin- gender Inklusion
Gesprächsforen des BBM mit den Medien im Land
Entwicklung und Erstellung von Handreichungen für Unternehmen und Vereine | BBM
MS, BBM
MS, BBM
BBM
MS | laufend
bis 2013
ab 2014
ab 2012
bis 2014 |
5.10 Normenprüfung
Gemäß Artikel 4 Abs. 1 Buchstaben a) und b) BRK verpflichten sich die Vertragsstaaten, alle geeigneten Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und sonstigen Maßnahmen, einschließlich der Ände- rung oder Aufhebung bestehender Gesetze, Verordnungen, Gepflogenheiten und Praktiken zu treffen, die eine Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen darstellen. Darüber hinaus enthält die Behindertenrechtskonvention an vielen weiteren Stellen die Verpflichtung,
„geeignete Maßnahmen“ zur Umsetzung zu treffen. Dies müssen nicht unbedingt gesetzgeberi- sche Maßnahmen sein. Da jedoch Rechtsvorschriften Grundlage und Rahmen für staatliches Handeln sind, ist der Auftrag zur Überprüfung des Landesrechts auch aus den einzelnen Arti- keln der UN-Behindertenrechtskonvention, also bezogen auf die Lebenssituationen, ableitbar. Eine ergänze Maßnahme stellt mithin für jedes Handlungsfeld und für den rechtlichen Rahmen insgesamt die Prüfung aller Normen auf ihre Vereinbarkeit mit der Behindertenrechtskonvention dar. Dabei sind auch die Regelungen der Behindertenrechtskonvention zu betrachten, die nicht Gegenstand eines eigenen Handlungsfeldes des Landesaktionsplans sind, also insbesondere die Artikel 10 ff. BRK.
Die Prüfung der landesrechtlichen Normen soll anhand der folgenden drei Fragestellungen er- folgen: 1. Verstößt die betrachtete Regelung gegen die Vorgaben der UN - Behindertenrechts- konvention? 2. Kann die betrachtete Regelung verbessert werden, um die Ziele und Vorgaben der UN - Behindertenrechtskonvention schneller und wirksamer zu erreichen? 3. Bestehen Voll- zugsdefizite bei Regelungen, die grundsätzlich mit der UN - Behindertenrechtskonvention ver- einbar sind?
Die Ergebnisse der Normenprüfung sollen Eingang finden in die Fortschreibung der Maßnah- mepläne in den jeweiligen Handlungsfeldern. Das Ministerium für Arbeit und Soziales wird ein Prüfraster erstellen, anhand dessen die Normenprüfung eigenverantwortlich durch die Ressorts erfolgen kann. Dabei wird es den Rat der Monitoring-Stelle beim Deutschen Institut für Men- schenrechte in Anspruch nehmen.
Die anspruchsvolle Aufgabe, die rechtlichen Regelungen stets aufs Neue zu prüfen und ggf. an das sich verändernde Verständnis von Behinderung und an die sich verändernden gesellschaft- lichen Rahmenbedingungen anzupassen, ist auf Dauer angelegt. Mit der sukzessiven Fortfüh- rung der Normprüfung kann gewährleistet werden, dass sich die Behindertenrechtskonvention nachhaltig in den Gesetzen, Verordnungen, Erlassen des Landes widerspiegelt.
6. Kommunale Aktionspläne
In der fachöffentlichen Diskussion wird seit geraumer Zeit der kommunalen Teilhabeplanung ei- ne herausragende Bedeutung für die Verwirklichung der Rechte von Menschen mit Behinderun- gen zugemessen.
Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang insbesondere auf die die sog. Erklärung von Barce- lona vom 24.03.1995, der zahlreiche Kommunen auch in Sachsen-Anhalt beigetreten sind. Die Erklärung von Barcelona, die anlässlich des Europäischen Kongresses «Die Stadt und die Be- hinderten» am 23. und 24. März 1995 in Barcelona, Spanien, abgefasst worden ist, enthält weit- reichende inhaltliche Übereinstimmungen mit der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen und dient als Leitlinie für die kommunale Teilhabeplanung:
Die unterzeichnenden Städte haben sich in der Erklärung darauf verständigt,
- dass die Würde und der Wert einer Person ureigene Privilegien sind, die allen Menschen innewohnen, unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer Rasse, ihrem Alter und ihrer Bega- bung;
- dass Schwächen und Behinderungen in Anlehnung an das Welt-Aktionsprogramm der Vereinigten Nationen für Menschen mit Behinderungen die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit berühren und nicht ausschließlich Einzelpersonen und ihre Familien;
- dass das Wort "Behinderung" ein dynamischer Begriff ist, das Ergebnis der Interaktion zwischen individueller Begabung und umweltbedingten Einflüssen, die wiederum diese Be- gabung prägen. Folglich sind das Gemeinwesen und das Sozialwesen dafür verantwortlich, dass sich die Entwicklung der Bürgerinnen und Bürger zu den bestmöglichen Konditionen vollzieht, was wiederum bedeutet, dass alle Ursachen vermieden bzw. beseitigt werden, die dieser Entwicklung im Wege stehen oder sie verhindern;
- dass die Stadt als weit verbreitete Gesellschaftsform in allen Kulturkreisen auf unserem Planeten eine Verpflichtung hat, die nötigen Mittel und Ressourcen für Chancengleichheit, Wohlstand und Mitbestimmung aller ihrer Bürgerinnen und Bürger bereitzustellen;
- dass die Grenzen zwischen Normalität und Behinderung so gut wie nicht begrifflich fest- gelegt sind, und deshalb die Unterschiede zwischen den Bürgerinnen und Bürgern als Teil der Vielfalt verstanden werden müssen, die die Gesellschaft ausmacht, und entsprechend die Strukturen und Dienstleistungen so zu begreifen sind, dass sie von der ganzen Bevölke- rung genützt werden können, was in den meisten Fällen die Existenz einer spezifischen Terminologie für Behinderte überflüssig macht.
Aus all den vorgenannten Gründen haben die unterzeichnenden Städte die Vereinbarungen beschlossen und sich verpflichtet,
- die Erklärung "Die Stadt und die Behinderten" auf nationaler und internationaler Ebene publik zu machen mit dem Ziel, dass ihre Grundsätze und Postulate größtmögliche Zustimmung erfahren;
- Prozesse der Zusammenarbeit auf der Basis vollständiger Anwendung der in der Erklä- rung "Die Stadt und die Behinderten" enthaltenen Vereinbarungen in Gang zu setzen und dabei die notwendige Unterstützung der übergeordneten Gebietskörperschaften einzufor- dern;
- In den Städten und Gemeinden Kommunikationsnetze aufzubauen, die die Bemühungen vorantreiben bzw. verstärken, die Gleichbehandlung ihrer behinderten Mitbürgerinnen und Mitbürger zu fördern und die sich für die Vereinheitlichung des Sprachgebrauchs im Hinblick auf die Verwendung bestimmter Zeichen und Symbole einsetzen und allgemein die Sensibi- lität der Kommunalpolitik für die Belange der behinderten Mitbürgerinnen und Mitbürger er- höhen.
Im Einzelnen wurde vereinbart:
- Die Kommunen setzen sich dafür ein, dass die Bürgerinnen und Bürger mehr Verständnis für Menschen mit Behinderungen, ihre Rechte, Bedürfnisse sowie ihre Möglichkeiten der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft entwickeln.
- Die Kommunen sichern im Rahmen ihrer Befugnisse das Recht auf die besondere Situa- tion von Menschen mit Behinderungen und damit das Recht dieser Personen auf individuelle Zuwendung entsprechend ihren Bedürfnissen.
- Die Kommunen lancieren und unterstützen Informationskampagnen, die ein wahrheitsge- treues Bild von Menschen mit Behinderungen propagieren, frei von Klischees und Vorurtei- len und allgemein ihre Integration und zur Normalisierung ihrer physischen und persönlichen Lebensumstände beitragen und sie so befähigen, sich bestmöglich damit zu arrangieren.
- Die Kommunen etablieren im Rahmen ihrer Befugnisse Maßnahmenkataloge, die behin- derten Mitbürgerinnen und Mitbürgern auf effiziente Weise für sie relevante Informationen vermitteln und sie über ihre Rechte und Pflichten sowie über bewährte Einrichtungen aufklä- ren, die ihre Gleichbehandlung unterstützen, indem sie von der notwendigen Koordination zwischen den verschiedenen Bereich der öffentlichen Verwaltung Gebrauch machen und so die Wirkung der jeweiligen Maßnahmen verstärken.
- Die Kommunen ermöglichen Personen mit Behinderungen Zugang zu allen, allgemein ausgedrückt, Informationen über die städtische Gemeinschaft und das Gemeinwesen.
- Die Kommunen ermöglichen im Rahmen ihrer Befugnisse den Zugang von Behinderten zu Kultur-, Sport- und Freizeitangeboten und allgemein zur Teilnahme am gesellschaftlichen Leben in der Gemeinde.
- Die Kommunen ermöglichen Personen mit Behinderungen den Zugang zu allgemeinen und ggf. zu besonderen Dienstleistungen in den Bereichen Gesundheit, Rehabilitation, Aus- und Weiterbildung, Arbeit und soziale Dienste, insofern diese den Rahmen ihrer Befug nisse fallen. Sie setzen sich dafür ein, dass dieser Grundsatz auch dann beherzigt wird, wenn andere, öffentliche oder private Einrichtungen derartige Dienste anbieten.
- Die Kommunen richten Hilfsdienste für die alltäglichen Bedürfnisse von Behinderten ein, um ihnen zu ermöglichen, in ihrem eigenen Heim und in ihrer gewohnten Umgebung zu bleiben und auf diese Weise eine permanente Unterbringung in Behinderten-Einrichtungen zu umgehen. Die Bereitstellung dieser Dienste basiert auf den persönlichen Entscheidungen und dem Recht auf Wahrung der Intimsphäre der- und desjenigen, die bzw. der sie in An- spruch nimmt.
- Die Kommunen schaffen Maßnahmen für behinderungsgerechtes Wohnen in Anlehnung an die persönliche und wirtschaftliche Situation der/des Betroffenen.
- Die Kommunen ergreifen im Rahmen ihrer Befugnisse Maßnahmen zur Umgestaltung von öffentlichen Plätzen und Gebäuden und Dienstleistungen aller Art sowie zum Abbau von Sprachbarrieren dahingehend, dass sie von behinderten Personen in vollem Umfang geltend gemacht werden können.
- Die Kommunen ergreifen die erforderlichen Maßnahmen dafür, dass sich Personen mit Behinderungen ohne Einschränkung ihrer Mobilität in der Stadt bewegen können. Das be- sondere Augenmerk gilt dabei der Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln. Hier sollen Personen, die aufgrund von Behinderungen von der Nutzung ausgeschlossen sind, alterna- tive Leistungen und spezielle Vergünstigungen erhalten, die ihre Mobilität vor dem gleichen Hintergrund gewährleisten, wie sie dem Rest der Bevölkerung zugute kommt.
- Die Kommunen stellen Mittel für die Realisierung von Forschungsprojekten bereit, die neue Impulse für die Verbesserung der Lebensqualität von Menschen mit Behinderungen geben und die Entwicklung von Vorsorgeprogrammen sowie diagnostischen Verfahren zu Erkennung und Früherkennung vorantreiben.
- Die Kommunen ermöglichen und fördern im Rahmen ihrer Befugnisse die Partizipation von behinderten Bürgerinnen und Bürgern und ihrer repräsentativen Organe an Entschei- dungsprozessen bei Themenstellungen, von denen sie im allgemeinen oder im besonderen selbst betroffen sind.
- Die Kommunen erzielen Einigung über Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit den Be- hindertenverbänden und –organisationen vor Ort mit dem Ziel, die Aktivitäten auf- und mit- einander abzustimmen und eine gemeinsame Strategie für eine globale und nachhaltige Aktion zu entwickeln.
- Die Kommunen sorgen für ständige Fortbildungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, um ein bestmögliches Verständnis und Hilfestellung für Menschen mit Behinderungen zu gewährleisten.
- Die Kommunen erarbeiten im Rahmen ihrer Befugnisse und in Zusammenarbeit mit den Behindertenvertretungen vor Ort Aktionspläne, die mit dieser Deklaration übereinstim- men und entsprechende Fristen bezüglich der Durchführung und Bewertung beinhalten müssen.
- Die Kommunen setzen Maßnahmen um, die der Vereinheitlichung und Verallgemeine- rung von Reglements und Vorschriften sowie der Verbreitung von Zeichen und Symbolen und anderen Informationsträgern für jeden Behinderungstyp dienen, um so die Integration von Menschen mit Behinderungen zu erleichtern und ihnen die gleichen Chancen einzuräu- men, wie sie Nicht-Behinderte haben. Um bezüglich dieser Vereinbarungen voranzukom- men, setzen sich die unterzeichnenden Kommunen über ihre internationalen Vertretungsor- gane für die Ratifizierung der Vorschriften durch die zuständige europäischen Interessenor- ganisationen ein, die das Minimum an Vorschriften, Programmen und Budgets festlegen, zu deren Umsetzung die Kommunen verpflichtet sind, was allein eine Verwirklichung der in die- ser Erklärung getroffenen Vereinbarungen innerhalb eines angemessenen Zeitraums möglich macht.
Zahlreiche Kommunen haben sich aus Anlass der Erklärung von Barcelona, aber auch aufgrund der allgemeinen fachpolitischen Entwicklungen schon vor Inkrafttreten der Behindertenrechts- konvention der kommunalen Teilhabeplanung gestellt und entsprechende Programme be- schlossen. Inhaltlich sind die kommunalen Teilhabeplanungen sehr unterschiedlich ausgestaltet.
Unabhängig von der Zuständigkeit des Landes für die Eingliederungshilfe nach dem SGB XII kann die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nur vollumfänglich sichergestellt werden, wenn die Kommunen sich ihrer in eigener Verantwortung annehmen.
Dazu gehört insbesondere die inklusive Gestaltung des kommunalen Sozialraums. Teilhabe am gesellschaftlichen Leben in Normalität, das heißt Zugänglichkeit und Nutzbarkeit aller Angebote von allgemeinem Interesse auch für Menschen mit Behinderungen im kommunalen Raum kann nur durch die Kommunen selbst verwirklicht werden. Es ist zu hoffen, dass durch die Umset- zung der Behindertenrechtskonvention im Land Sachsen-Anhalt die Bedeutung der kommuna- len Teilhabeplanung stark an Bedeutung gewinnt. In diesem Zusammenhang sei darauf hinge- wiesen, dass nach Art. 4 Abs. 5 der Behindertenrechtskonvention die Bestimmungen dieses Übereinkommens ohne Einschränkung oder Ausnahme für alle Teile eines Bundesstaats gelten.
Aus diesem Grund wirbt auch der Nationale Aktionsplan der Bundesregierung für die Erstellung eigener Aktionspläne durch die Kommunen (s. NAP, herausgegeben vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Referat Öffentlichkeitsarbeit, Internet 11017 Berlin, Stand: September 2011, S. 112).
Die Umsetzung der Behindertenrechtskonvention beginnt auch in den Kommunen nicht „bei Null“. Seit Jahren werden physische Barrieren abgebaut, Bordsteine abgesenkt und Rampen oder Fahrstühle eingebaut, um Mobilität zu ermöglichen. Barrierefreie Angebote zur Nutzung des Öffentlichen Nahverkehrs und Leitsysteme ermöglichen es Menschen mit Behinderungen, sich fortzubewegen, ohne auf Unterstützung angewiesen zu sein. Die Internetseiten vieler Kom- munen wurden so umgestaltet, dass auch blinde und sehbeeinträchtigte Menschen sie wahr- nehmen können. Die Kommunikation zwischen gehörlosen Bürgern mit Mitarbeitern in kommu- nalen Behörden wird durch die Bereitstellung von Gebärdensprachdolmetschern ermöglicht. In zahlreichen Kommunen gibt es Behindertenbeauftragte, die die Rechte von Menschen mit Be- hinderungen vertreten, sich für ihre Gleichstellung einsetzen, in konkreten Einzelfällen helfen, auf allgemeine Missstände hinweisen und einen Beitrag dazu leisten, dass die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen Teil kommunaler Entwicklungsstrategien wird. Ebenfalls steigt die Anzahl der Kommunen, die sich durch Behindertenbeiräte in ihren politischen Gremien und in der Verwaltung zu Fragen beraten lassen, die das Leben der Menschen mit Behinderun- gen in der Kommune betreffen. In einer Vielzahl von Kommunen – darunter z.B. auch in der Landeshauptstadt Magdeburg – gibt es bereits Teilhabepläne, in denen konkrete Maßnahmen zur Erreichung der Gleichstellung von Menschen mit Behinderung festgelegt werden.
Die Landesregierung, insbesondere das für die Politik für Menschen mit Behinderungen zustän- dige Ressort unterstützt die Kommunen auf Wunsch bei Erarbeitung, Umsetzung und Fort- schreibung kommunaler Aktionspläne.
7. Umsetzung und Fortschreibung des Landesaktionsplans
Der Landesaktionsplan wird von den zuständigen Ressorts der Landesregierung umgesetzt. Bei der Umsetzung der in ihre Zuständigkeit fallenden Maßnahmen beteiligen sie andere mitbetrof- fene Ressorts, Behörden und Partner.
Das Ministerium für Arbeit und Soziales übernimmt als staatliche Anlaufstelle die Koordination der ressortübergreifenden Maßnahmen, die Evaluation, die Fortschreibung und die Präsentation des Landesaktionsplans. Das Ministerium für Arbeit und Soziales berichtet in jeder Legislaturpe- riode zum Stand der Umsetzung des Landesaktionsplans. Es unterrichtet die Ressorts und ge- gebenenfalls die Landesregierung zu Hindernissen, die der Umsetzung des Landesaktionsplans entgegenstehen und unterbreitet Lösungsvorschläge.
Die Zivilgesellschaft wird bei der Umsetzung von Anfang an einbezogen. Dies ist insbesondere die Aufgabe des Landesbehindertenbeauftragten und des Behindertenbeirats des Landes.
Zur langfristigen und strategischen Begleitung der Umsetzung und der Fortschreibung des Lan- desaktionsplans wird beim Landesbehindertenbeauftragten ein Inklusionsausschuss eingerich- tet. Der Inklusionsausschuss unterstützt die Landesregierung fortlaufend bei der Umsetzung und Fortschreibung des Landesaktionsplans, begleitet die vereinbarten Maßnahmen, überprüft diese auf ihre Wirksamkeit, entwickelt Lösungsansätze und Veränderungsvorschläge und stellt die Beteiligung von Menschen mit Behinderungen sicher.
In dem Inklusionsausschuss ist neben dem Landesbehindertenbeauftragten als seinem Vorsit- zenden und der für Behindertenpolitik zuständigen Referatsleitung als seine Stellvertretung je- des Ressort mit einem Mitglied vertreten. Der Behindertenbeirat des Landes schlägt sieben wei- tere Mitglieder vor, die vom Landesbehindertenbeauftragten berufen werden. Zu einzelnen Themen können bei Bedarf weitere sachkundige Personen hinzugezogen werden. An den nichtöffentlichen Sitzungen des Inklusionsausschusses können Mitglieder der Landesregierung, die behindertenpolitischen Sprecherinnen und Sprecher der Landtagsfraktionen und die stellver- tretenden Vorsitzenden des Behindertenbeirats des Landes als Gäste teilnehmen.
Der Vorsitzende bzw. seine Stellvertretung erstattet dem Behindertenbeirat des Landes einmal jährlich Bericht über die Arbeit des Inklusionsausschusses
8. Ausblick
Der Landesaktionsplan stellt Richtschnur und Orientierungsrahmen der Landespolitik von und für Menschen mit Behinderungen dar. Er ist aber nicht gleichzusetzen mit der Umsetzung der Behindertenrechtskonvention selbst. Die Umsetzung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die Politik von und für Menschen mit Behinderungen befindet sich ebenso wie die gesellschaftli- che Entwicklung in einem stetigen und äußerst dynamischen Prozess. Der Landessaktionsplan muss dem Anspruch an eine ständige Fort- und Weiterentwicklung gerecht werden. Die Landes- regierung sieht es deshalb als erforderlich an, gemeinsam mit allen Beteiligten an der Umset- zung, der Evaluation und der Fortschreibung des Aktionsplanes zu arbeiten.
Der Landesaktionsplan stellt mit seinen Zielen und Maßnahmen einen anspruchsvollen und um- fangreichen Arbeitsauftrag dar. Der vorliegende Aktionsplan verdeutlicht, was bereits getan ist, aber auch, was noch getan werden muss. Er stellt sich der Aufgabe einer umfassenden Be- standaufnahme, verbunden mit den zu erreichenden Zielen und durchzuführenden Maßnahmen. Der Aktionsplan macht auch deutlich, dass Politik von und für Menschen mit Behinderungen ins Zentrum von Gesellschaftspolitik gerückt ist. „Inklusion“ als Prinzip und Motor für eine gesellschaftliche Entwicklung, die Alle mit einbezieht, wird aus der Sicht der Landesregierung zu ei- nem der bestimmenden Faktoren für den Sozialkonsens einer sich ständig weiterentwickelnden und heterogenen Gesellschaft werden.