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Julia (28 Jahre)

„Es gibt Gesetze, die verhindern, dass wir Frauen so abhängig von unseren Männern sind. Wir haben Rechte.“

Ich habe alles hinter mir gelassen, um mit meinem Ehemann und meinem kleinen Kind ein neues Leben fern meiner Familie, Freunden und ohne eigene Karriere zu beginnen. Mein Mann verhinderte , mir einen eigenständigen Neubeginn als Frau und Mutter zu ermöglichen. Ich durfte kein eigenes Konto haben, er teilte mir das Geld zu, mit dem ich die Familie versorgen sollte. Das Geld reichte bei weitem nicht aus, um mich und unser Kind zu ernähren. Ich war auf Spenden angewiesen, auch für Kleidung und Spielzeug. Irgendwann entschied ich mich, dieses Leben so nicht weiterleben zu wollen und suchte Hilfe bei einer Beratungsstelle. Der erste Versuch missglückte, da mein Ehemann den Trennungsversuch mitbekam. Er begann, mich zu bedrohen. Mit zunehmenden Alter unserer Tochter verhielt sich mein Mann merkwürdig, kam unserer Tochter in verschiedenen Situationen viel zu nah. Ich vermutete, sexuelle Übergriffe, was er jedoch vehement bestritt. Die Situation verschlechterte sich und mein Ehemann wurde zunehmend aggressiver. Er drohte, mein Leben zu zerstören, so dass ich den Entschluss fasste, erneut Hilfe zu suchen. Ich wurde im Frauenhaus aufgenommen, wo behutsam das gesamte Ausmaß des sexuellen Missbrauchs unserem Kind gegenüber herausgefunden wurde. Für mich und meine Tochter beginnt nun ein neuer Lebensabschnitt,  in dem mit der emotionalen Aufarbeitung und der Suche nach einem Weg in ein eigenständiges Leben begonnen werden kann.

Ausführlichere Darstellung: Ich bin erst vor wenigen Wochen hier im Frauenhaus angekommen. Meine Tochter und ich. Wir sind ganz glücklich, dass wir hier sein dürfen. Und dass ich nicht mehr bei meinem Ehemann sein muss. Er war kein guter Ehemann. Kein guter Vater. Aber ich habe lange gebraucht, um das zu verstehen.

Meinem Mann zuliebe habe ich meine Familie zurückgelassen und meine Karriere aufgegeben. Als wir uns kennen lernten, war ich noch sehr jung. Ich habe studiert und er hat dort an der Universität gearbeitet. Als ich schwanger geworden bin, wollte ich dieses Kind behalten. Ich konnte das Kind nicht abtreiben, ich bin sehr konservativ erzogen worden. Also haben wir geheiratet und ich habe mein Studium aufgegeben. Dann verlor mein Mann sein Job und schaffte es nicht, eine neue, gute Arbeit zu finden. Entweder überstand er die Probezeit nicht oder das Geld, was er verdiente, reichte einfach nicht aus. Jedenfalls nicht für Essen und Kleidung, für Alkohol und andere unnütze Dinge schon. Manchmal gab er mir nur 20 Euro im Monat. Mit dem Geld musste ich klarkommen. Um uns, meine Tochter und mich, zu ernähren, bin ich oft zur Tafel gegangen und habe Essen geholt. Auch Sachen und Spielzeug für mein Kind musste ich irgendwo her besorgen. Ich habe das geschafft, aber es hat sich wie betteln angefühlt. Ihm war es egal. Er hat sich nicht mehr für mich interessiert, aber mit unserem Kind wollte er immer viel Zeit verbringen, was ich komisch fand. Anfangs dachte ich noch, dass er Kinder einfach sehr mag. Er hatte  auch in der Vergangenheit oft gesagt, dass er lieber mit Kindern zusammen sei als mit Erwachsenen. Das ist doch nicht normal, oder? Aber er sagte mir, dass es nicht weiter schlimm sei. Er würde mit ihr, unserer Tochter, nur Spiele spielen. Für mich war es schwer. Er verhielt sich komisch. Er sorgte nicht für uns. Und ich traute mich nicht länger aus dem Haus zu gehen. Meine Tochter wollte mich nie gehen: Sie weinte und hielt sich fest, sobald ich es versuchte. Das war so kein Leben. Er behandelte mich zunehmend schlechter, also habe ich mir Hilfe bei einer Beratungsstelle gesucht. Man sagte mir, dass ich meine Papiere und die des Kindes an mich nehmen soll. Und dass ich ein eigenes Konto brauche. Irgendwie hat mein Mann davon erfahren und er begann, mich einzuschüchtern. Ich sei nichts Wert und könnte ohne ihn sowieso nicht überleben. Er drohte mir, dass die Behörden ihm das alleinige Sorgerecht für unsere Tochter zusprechen würden. Davor hatte ich große Angst.

Dann fand er einen neuen Job in einer anderen Stadt. Ich dachte, es würde besser werden. Wirklich. Ich dachte, wir hätten mehr Geld und könnten es uns ein wenig schöner machen. Ich wollte immer noch ein eigenes Konto, aber das ließ er nicht zu. Immerhin versprach er mir, dass ich eine Karte zu seinem Konto bekommen sollte. Aber als ich die dann hatte, war dort nie Geld drauf. Das half mir also nichts. Als ich mit meiner Tochter einmal eine Bekannte besuchte und sie dort in den Kühlschrank schaute, in dem Essen war, kam sie hinterher zu mir und fragte, ob wir gerade bei reichen Leuten seien. Das brach mir das Herz. Als meine Tochter älter wurde, wurde es immer komischer. Er ließ sie nie allein auf Toilette gehen und sie musste bei uns im Bett schlafen. Er kaufte ihr ständig neues Spielzeug, obwohl wir nicht mal richtig zu essen hatten. Er verlor wieder seine Arbeit und es wurde noch schlimmer. Einmal drohte er mir damit, mein Leben zu zerstören als ich ihm sagte, dass es so nicht weiter geht. Er würde mich ins Gefängnis bringen und dann würde ich mein Kind nie wieder sehen. Ich hatte Angst, große Angst, aber ich wusste auch, dass wir nicht bei ihm bleiben konnten.

Ich wartete nur noch auf den richtigen Moment. Dann bin ich zum Frauenhaus gegangen. Mit meinen Papieren, aber ohne Geld. Und ich durfte bleiben. Aber am Anfang war das mit meiner Tochter nicht klar. Der Vater hat ja ein Recht darauf, seine Tochter zu sehen. Aber als ich erzählte, was ich alles beobachtet hatte, haben sie genauer nachgefragt. Erst da habe ich erfahren, was er ihr alles angetan hat. Er darf sie nicht mehr sehen. Und darüber bin ich sehr froh. Wir dürfen erst einmal hier im Frauenhaus bleiben. Das ist ein großer Segen. Er kann uns hier nicht finden. Ich weiß noch nicht, wie es weiter geht, aber wir werden einen Weg finden. Einen, der besser ist als alles, was wir bisher erlebt haben. Meine Tochter und ich, wir bleiben zusammen. Und sind hier sicher.