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Lena (21 Jahre)

„Auch wenn es sich nicht so an­fühlt, mit sehr hoher Wahr­schein­lich­keit wird es bes­ser wer­den.“

Ge­walt­er­fah­run­gen, Ein­sam­keit, Ab­leh­nung und Eingesperrt-​Sein prä­gen meine Er­in­ne­run­gen aus frü­hes­ter Kind­heit. Mein Stief­va­ter, den ich bis heute „den Teu­fel“ nenne, sperr­te mich und mei­nen Bru­der tags­über ein. Es gab kein Spiel­zeug, keine Ge­bor­gen­heit und Nie­man­den, der uns half. Meine Mut­ter schaff­te es nicht, uns zu be­schüt­zen.  Erst durch mei­nen Onkel vor die Wahl ge­stellt, traf meine Mut­ter die Ent­schei­dung für sich und uns Kin­der.  Diese Er­fah­run­gen sit­zen tief. Auch wenn sie sich letzt­end­lich zu un­se­ren Guns­ten ent­schie­den hat, zog ich be­reits mit 17 Jah­ren von zu­hau­se aus. Lei­der in eine Be­zie­hung mit einem ge­walt­tä­ti­gen Mann. In der Hoff­nung, dass ein ge­mein­sa­mes Kind, die Ge­walt be­en­den würde, bekam ich früh meine Toch­ter. Wäh­rend der Schwan­ger­schaft er­fuhr ich tat­säch­lich auch keine Ge­walt, aber be­reits nach der Ge­burt re­agier­te mein Part­ner schnell ag­gres­siv und wurde er­neut hand­greif­lich. Um meine Toch­ter zu schüt­zen, be­en­de­te ich die Be­zie­hung und floh. Nach einer kur­zen Zeit, die ich bei mei­ner Mut­ter wohn­te, zog ich al­lein mit mei­ner Toch­ter in eine ei­ge­ne Woh­nung. Hier zeig­te sich schnell, dass mich die Si­tua­ti­on über­for­der­te. Ich be­gann, mich selbst zu ver­let­zen, bekam Ess­stö­run­gen. Einem Rat fol­gend, begab ich mich in psych­ia­tri­sche Be­hand­lung. Von dort aus ver­mit­tel­te man mir den Kon­takt zu dem Pro­jekt MIKA, einem Pro­jekt, wel­ches al­lein­er­zie­hen­den Müt­tern ohne Schul­ab­schluss auf dem Weg in die Aus­bil­dung hilft. Ich habe viel Hilfe be­kom­men und wohne nun wie­der al­lein mit mei­ner Toch­ter in un­se­rer ei­ge­nen Woh­nung. Das Leben fällt mich nicht leicht, aber ich habe ein Ziel.

Aus­führ­li­che Dar­stel­lung: Ir­gend­wann hat mal je­mand zu mir ge­sagt: „Wir schaf­fen das!“, das war als ich in der Psych­ia­trie war. Je­mand hat an mich ge­glaubt, zu einem Zeit­punkt in dem ich selbst nicht mehr an mich ge­glaubt habe. Es waren klei­ne Schrit­te, wie ein Kind sie macht. Aber es lohnt sich an sich zu glau­ben!

Der Weg, den ich gehe, der ist ziem­lich an­stren­gend. Manch­mal möch­te ich ein­fach auf­ge­ben. Aber dann weiß ich so­fort, für wen ich das mache. Für meine Toch­ter. Sie hat etwas Bes­se­res ver­dient. Sie hat eine Mut­ter ver­dient, die sich für sie stark macht. Meine Mut­ter konn­te das nicht immer. Auch wenn wir jetzt ein gutes Ver­hält­nis haben, gab es eine Zeit, da hat sie sich nicht gut um uns Kin­der ge­küm­mert. Mein Bru­der und ich waren noch klein. Sie hatte da­mals einen Freund. Ich nenne ihn bis heute den Teu­fel. Er hat uns tags­über in un­se­re Zim­mer ein­ge­sperrt. In den Zim­mern stand nur ein Bett. Kein Spiel­zeug. Leere Wände. Nur in der Nacht haben mein Bru­der und ich uns raus ge­traut und konn­ten uns sehen. Nachts, wenn meine Mut­ter und ihr Freund ar­bei­ten waren. Sie haben in einer Knei­pe hin­ter dem Tre­sen ge­stan­den. Was ich bis heute nicht ver­ste­he, dass nie­mand nach uns ge­fragt hat. All die Jahre hat sich nie­mand für uns in­ter­es­siert. Dabei wuss­ten doch alle, dass meine Mut­ter Kin­der hat. Es gab nur einen Onkel. Der hat sich ir­gend­wann vor meine Mut­ter ge­stellt und ge­sagt: „Ent­we­der die Kin­der oder der Teu­fel“. Sie hat sich für uns ent­schie­den. Von da an wurde es bes­ser. Ich habe mit acht Jah­ren das erste Mal Ge­burts­tag ge­fei­ert.

Mit 17 bin ich von Zu­hau­se aus­ge­zo­gen. Ich hatte da­mals einen Freund, der älter war als ich. Ich bin zu ihm in die Woh­nung ge­zo­gen. Meine Mut­ter wuss­te von An­fang an, dass er kein guter Mensch war. Er war schnell ag­gres­siv und wurde auch hand­greif­lich. Auch vor an­de­ren. Wenn es wie­der es­ka­lier­te, bin ich zu mei­ner Mut­ter ge­flüch­tet. Aber ich habe ihr nie er­zählt, wie schlimm es wirk­lich war. Trotz­dem woll­ten wir ein Kind be­kom­men, weil ich wuss­te, dass meine Chan­cen Mut­ter zu wer­den mit jedem Jahr, das ich älter werde, ge­rin­ger sind. Ich habe eine Krank­heit, die das Kin­der­krie­gen er­schwert. Als ich schwan­ger war, hörte er auf mich zu schla­gen. Aber so­bald meine Toch­ter ge­bo­ren war, fing er wie­der an. Als mir klar wurde, dass es für meine Toch­ter auch ge­fähr­lich wer­den konn­te, bin ich raus. Ich habe meine Sa­chen ge­nom­men und bin ein­fach an­ge­hau­en. Erst­mal zu mei­ner Mut­ter, aber bald auch in eine ei­ge­ne Woh­nung. Ich hatte noch nie al­lein ge­wohnt und war jetzt auch ver­ant­wort­lich für mein Kind. Das war mir auf ein­mal zu viel. Ich wuss­te nicht, wie ich das schaf­fen soll­te und woll­te mir das Leben neh­men. Ich weiß nicht mehr wie, aber ir­gend­wie bekam ich Kon­takt zum Elterncafé der El­tern AG hier in der Stadt. Dort traf ich Men­schen, die genau die glei­chen Pro­ble­me hat­ten wie ich. Die auch mit der Er­zie­hung über­for­dert waren. Wir El­tern tra­fen uns re­gel­mä­ßig und das war gut. Ich bekam aber auch noch eine an­de­re Be­ra­tung, weil ich ess­ge­stört war und mich immer wie­der selbst ver­letz­te. Sie gaben mir den Rat in die Psych­ia­trie zu gehen. Meine Mut­ter bot an sich um mein Kind zu küm­mern. Es hat mich allen Mut ge­kos­tet, aber ich habe es ge­macht. Das war der An­fang. Von der The­ra­pie bin ich wei­ter ver­mit­telt wor­den an „MIKA“, ein Pro­jekt, das al­lein­er­zie­hen­den Müt­tern un­ter­stützt, eine Aus­bil­dung zu fin­den. Ich habe viel Hilfe be­kom­men. Auch vom Ju­gend­amt. Jetzt wohne ich wie­der al­lein mit mei­ner Toch­ter und weiß genau, was ich wer­den will. Bei man­chen scheint das Leben so leicht. Mir fällt es nicht leicht. Aber ich habe ein Ziel und das ist das Wich­tigs­te.