- Warum wurde der Landesrahmenvertrag zur Eingliederungshilfe gekündigt?
- Was wäre passiert, wenn der Vertrag nicht gekündigt worden wäre? Gab es Mahnungen zur besseren Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) und der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK)?
- Wie werden die Befürchtungen von Wohlfahrtsverbänden bewertet, dass dadurch Angebote für Menschen mit Behinderungen möglicherweise nicht mehr fortgeführt werden können?
- Wann sollen die Neuverhandlungen aufgenommen werden?
- Mit welchem zusätzlichen Verhandlungsaufwand ist für die Trägerseite (z.B. Anzahl der zu verhandelnden Einzelverträge) zu rechnen?
- Was passiert, wenn es keine Einigungen bis zum 31.12.2024 gibt? Welche Konsequenzen hat dies für die Menschen mit Behinderung in den Einrichtungen?
- Was war mit dem Vertrag bisher geregelt und um welche Leistungen geht es dabei?
- Wie hoch sind die damit verbundenen Ausgaben des Sozialministeriums? Geht es bei der Kündigung des Vertrages um das Einsparen von finanziellen Mitteln?
- Ist zu Beginn des Jahres 2025 mit einem massiven Personalabbau bei den Trägern der Eingliederungshilfe zu rechnen?
- Wie viele Menschen mit Behinderungen profitieren aktuell von den Angeboten, die durch den Landesrahmenvertrag abgedeckt sind?
Warum wurde der Landesrahmenvertrag zur Eingliederungshilfe gekündigt?
Das Sozialministerium hat den Landesrahmenvertrag fristgemäß zum Jahresende 2024 gekündigt. Ziel ist es, im Rahmen einer Neuverhandlung die wesentlichen Ziele des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) und der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) unter Beachtung der Abschließenden Bemerkungen des UN-BRK-Vertragsausschusses vom September 2023 besser umzusetzen. Dies ist trotz intensiver Bemühungen bisher leider nicht zufriedenstellend gelungen. Hierfür müssen auch effizientere Verhandlungs- und Entscheidungsstrukturen vereinbart werden. Inhaltlich geht es um stärkere Teilhabe, Selbstbestimmung und mehr Inklusion von Menschen mit Behinderungen. Beispielsweise hat Sachsen-Anhalt die höchste Dichte an besonderen Wohnformen (stationären Einrichtungen) und eine vergleichsweise geringe Ambulantisierungsquote. Zudem müssen auch Alternativen zu der Beschäftigung in Werkstätten geschaffen werden. Ziel ist, mehr Menschen mit Behinderungen eine Chance zur Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu geben.
Das Sozialministerium hat mit der Kündigung umgehend zu neuen Verhandlungen aufgefordert. Ziel ist es, diese Neuverhandlungen zügig abzuschließen.
Was wäre passiert, wenn der Vertrag nicht gekündigt worden wäre? Gab es Mahnungen zur besseren Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) und der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK)?
Die aktuell mangelnde Deinstitutionalisierung der Eingliederungshilfe in Deutschland hat auch zu Kritik bei der Umsetzung der UN-BRK im Rahmen der Staatenprüfung geführt. Das zeigt, wir haben hier im Land Nachholbedarf. In den Verhandlungen neuer Rahmenvereinbarungen wird die Chance gesehen, die fachlichen Ziele der Inklusion noch stärker zu verfolgen und besser erreichen zu können.
Wie werden die Befürchtungen von Wohlfahrtsverbänden bewertet, dass dadurch Angebote für Menschen mit Behinderungen möglicherweise nicht mehr fortgeführt werden können?
Die bestehenden RV gilt bis zum 31.12.2024 fort. Der Leistungsträger hat mit den Leistungserbringern zum 01.01.2024 individuelle Leistungsvereinbarungen gemäß § 125 Absatz 2 SGB IX abgeschlossen. Diese gelten unbefristet und sind ungekündigt. Damit gelten die Leistungsvereinbarungen gemäß § 125 Absatz 2 SGB IX weiter und sind weiterhin Grundlage der Leistungserbringung. Leistungsempfänger müssen auch ab Januar 2025 keine Einschränkungen befürchten.
Wann sollen die Neuverhandlungen aufgenommen werden?
Das Sozialministerium hat umgehend zu Verhandlungen aufgefordert und neue Verhandlungsangebote unterbreitet. Ziel ist es, die Verhandlungen, die auf dem bisher Erreichten aufbauen werden, zügig abzuschließen. Dazu bedarf es aber auch effizienterer Verhandlungs- und Entscheidungsstrukturen. Daher sollen auch diese bei der Neuverhandlung in den Blick genommen werden. Die Verhandlungen im Ausschuss der „GK 131“ finden im wöchentlichen Rhythmus statt. Es gab keinerlei Verzögerungen im Verhandlungsablauf.
Mit welchem zusätzlichen Verhandlungsaufwand ist für die Trägerseite (z.B. Anzahl der zu verhandelnden Einzelverträge) zu rechnen?
Von einem Mehraufwand für die Einrichtungsträger durch Einzelverhandlungen ist nicht auszugehen. Zunächst gelten die Regelungen des aktuellen Rahmenvertrages bis zum 31.12.2024 fort. Die Neuverhandlungen sollen möglichst zeitnah abgeschlossen werden, sodass ein neuer Rahmenvertrag ab 01.01.2025 in Kraft treten könnte. Die Kündigung des aktuellen Landesrahmenvertrages zum Jahresende wird die bedarfsgerechte Gewährung der Leistungen für Menschen mit Behinderung nicht einschränken. D.h. selbst wenn trotz der wöchentlichen Verhandlungsrunden am Jahresende kein neuer Landesrahmenvertrag stehen sollte, laufen die Leistungsvereinbarungen weiter. Alle zum Jahresanfang abgeschlossenen Leistungsvereinbarungen sind unbefristet und ungekündigt und bleiben weiterhin Grundlage der Leistungserbringung.
Was passiert, wenn es keine Einigungen bis zum 31.12.2024 gibt? Welche Konsequenzen hat dies für die Menschen mit Behinderung in den Einrichtungen?
Sollte im Rahmen der Neuverhandlungen keine Einigung erzielt werden können, wird die Landesregierung die Inhalte durch Rechtsverordnung regeln. Rechtsgrundlage hierfür ist § 131 Abs. 4 SGB IX. Die Leistungs- und Vergütungsregelungen gelten solange – auch nach dem 01.01.2025 – fort, bis auf der neuen rechtlichen Grundlage eine neue Leistungsvereinbarung zwischen Leistungserbringer und Kostenträger vereinbart wird. Die Umstellung auf das neue System soll durch eine Übergangsreglung unterstützt werden. Dadurch soll ein für alle Seiten leistbarer Übergang ermöglicht werden.
Was war mit dem Vertrag bisher geregelt und um welche Leistungen geht es dabei?
Die Landesrahmenverträge nach § 131 Abs. SGB IX bilden die Grundlage, auf der die Träger der Eingliederungshilfe und die Leistungserbringer eines Bundeslandes ihre Einzelverträge nach § 125 SGB IX schließen. Den Inhalt der Landesrahmenverträge hat der Bundesgesetzgeber in § 131 SGB IX festgelegt. Die Aufzählung in Absatz 1 ist abschließend. Aufgabe der Landesrahmenverträge ist es, die gesetzlichen Regelungen zu konkretisieren, Abgrenzungsfragen zu klären und möglichst landesweit eine einheitliche Basis für Struktur und Inhalt der Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen nach § 125 SGB IX zu schaffen. Da diese Vereinbarungen Inhalt, Umfang, Qualität und Vergütung der Eingliederungshilfeleistungen regeln, spielen die Landesrahmenverträge eine wichtige Rolle für die Realisierung der zentralen Ziele des Bundesteilhabegesetzes (BTHG/ SGB IX). Menschen mit Behinderungen soll eine möglichst volle und wirksame Teilhabe in allen Bereichen für eine selbstbestimmte Lebensführung ermöglicht werden.
Wie hoch sind die damit verbundenen Ausgaben des Sozialministeriums? Geht es bei der Kündigung des Vertrages um das Einsparen von finanziellen Mitteln?
Es gab und gibt keine Haushaltsreduzierung. Das Gegenteil ist der Fall: Während die Ausgaben des Landes in diesem Bereich im Jahr 2021 rund 572 Millionen Euro betrugen, sind 2025 711 Millionen Euro und 2026 723 Millionen Euro eingeplant.
Die Entwicklung der Kosten der EGH ist dabei nicht spezifisch für das Land Sachsen-Anhalt, sondern bildet einen bundesweiten Trend ab. Mit der Kündigung des gültigen Rahmenvertrages wird die Möglichkeit gesehen, gezielt individuelle Bedarfe der Menschen mit gezielteren Angeboten begleiten zu können.
Ist zu Beginn des Jahres 2025 mit einem massiven Personalabbau bei den Trägern der Eingliederungshilfe zu rechnen?
Ein massiver Personalabbau ist nicht intendiert und wird seitens des Trägers der Eingliederungshilfe auch nicht erwartet. Zur konkreten Vereinbarung der Personalrichtwerte wird derzeit im Rahmen der „GK 131“ verhandelt.
Wie viele Menschen mit Behinderungen profitieren aktuell von den Angeboten, die durch den Landesrahmenvertrag abgedeckt sind?
2023 erhielten 30 820 Menschen im Land Sachsen-Anhalt Leistungen der Eingliederungshilfe nach SGB IX (Pressemitteilung StaLa vom 21.10.2024).