- Wie ist der aktuelle Stand?
- Warum wurde der Landesrahmenvertrag zur Eingliederungshilfe gekündigt?
- Was wäre passiert, wenn der Vertrag nicht gekündigt worden wäre? Gab es Mahnungen zur besseren Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) und der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK)?
- Wie werden die Befürchtungen von Wohlfahrtsverbänden bewertet, dass dadurch Angebote für Menschen mit Behinderungen möglicherweise nicht mehr fortgeführt werden können?
- Mit welchem zusätzlichen Verhandlungsaufwand ist für die Trägerseite (z.B. Anzahl der zu verhandelnden Einzelverträge) zu rechnen?
- Was war mit dem Vertrag bisher geregelt und um welche Leistungen geht es dabei?
- Auf welche Inhalte für den neuen Rahmenvertrag wurde sich in den Verhandlungen verständigt?
- Wie hoch sind die damit verbundenen Ausgaben des Sozialministeriums? Geht es bei der Kündigung des Vertrages um das Einsparen von finanziellen Mitteln?
- Ist mit einem massiven Personalabbau bei den Trägern der Eingliederungshilfe zu rechnen?
- Wie viele Menschen mit Behinderungen profitieren aktuell von den Angeboten, die durch den Landesrahmenvertrag abgedeckt sind?
Wie ist der aktuelle Stand?
Sachsen-Anhalt richtet die Eingliederungshilfe neu aus. Dazu hat das Land den entsprechenden Rahmenvertrag für Leistungen, die Träger von beispielsweise Behindertenwerkstätten, Wohneinrichtungen bzw. Wohngruppen erhalten, zum Jahresende 2024 gekündigt. Bis ein Anschlussvertrag mit den Leistungserbringern im Land verhandelt ist, hat das Kabinett in Magdeburg eine Übergangsverordnung beschlossen. Die Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen gelten bis zum Abschluss neuer Vereinbarungen fort.
Nach vielen, wöchentlichen Verhandlungsrunden haben sich das Sozialministerium und die Verbände der Leistungserbringer Anfang Oktober auf einen neuen Landesrahmenvertrag verständigt. Dieser regelt künftig die Erbringung von Leistungen für der Eingliederungshilfe. Der erzielte Kompromiss soll zeitnah umgesetzt werden. Dazu werden die Leistungserbringerverbände nun ein formelles Zustimmungsverfahren in ihrer jeweiligen Mitgliedschaft durchführen, bevor der Rahmenvertrag unterschrieben werden kann.
Warum wurde der Landesrahmenvertrag zur Eingliederungshilfe gekündigt?
Ziel ist es, im Rahmen einer Neuverhandlung die wesentlichen Ziele des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) und der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) unter Beachtung der Abschließenden Bemerkungen des UN-BRK-Vertragsausschusses vom September 2023 besser umzusetzen. Dies ist trotz intensiver Bemühungen bisher leider nicht zufriedenstellend gelungen. Hierfür müssen auch effizientere Verhandlungs- und Entscheidungsstrukturen vereinbart werden. Inhaltlich geht es um stärkere Teilhabe, Selbstbestimmung und mehr Inklusion von Menschen mit Behinderungen. Beispielsweise hat Sachsen-Anhalt die höchste Dichte an besonderen Wohnformen (stationären Einrichtungen). Dem gegenüber nehmen vergleichsweise wenig Menschen die Leistungen des ambulant betreuten Wohnens in Anspruch. Zudem müssen auch Alternativen zu der Beschäftigung in Werkstätten geschaffen werden. Ziel ist, mehr Menschen mit Behinderungen eine Chance zur Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu geben.
Was wäre passiert, wenn der Vertrag nicht gekündigt worden wäre? Gab es Mahnungen zur besseren Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) und der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK)?
Die aktuell mangelnde Deinstitutionalisierung der Eingliederungshilfe in Deutschland hat auch zu Kritik bei der Umsetzung der UN-BRK im Rahmen der Staatenprüfung geführt. Das zeigt: Wir haben hier im Land Nachholbedarf. In den Verhandlungen neuer Rahmenvereinbarungen wird die Chance gesehen, die fachlichen Ziele der Inklusion noch stärker zu verfolgen und besser erreichen zu können.
Wie werden die Befürchtungen von Wohlfahrtsverbänden bewertet, dass dadurch Angebote für Menschen mit Behinderungen möglicherweise nicht mehr fortgeführt werden können?
Der bestehende Rahmenvertrag ist zum 31. Dezember 2024 ausgelaufen. Der Leistungsträger hat mit den Leistungserbringern zum 1. Januar 2024 individuelle Leistungsvereinbarungen gemäß § 125 Absatz 2 SGB IX abgeschlossen. Diese gelten unbefristet und sind ungekündigt. Damit gelten die Leistungsvereinbarungen gemäß § 125 Absatz 2 SGB IX weiter und sind weiterhin Grundlage der Leistungserbringung. Leistungsempfänger müssen auch seit Januar 2025 keine Einschränkungen befürchten.
Mit welchem zusätzlichen Verhandlungsaufwand ist für die Trägerseite (z.B. Anzahl der zu verhandelnden Einzelverträge) zu rechnen?
Von einem Mehraufwand für die Einrichtungsträger durch Einzelverhandlungen ist nicht auszugehen. Zunächst gelten die Regelungen des aktuellen Rahmenvertrages bis zum fort, auch nach Ablauf des bisherigen Rahmenvertrags ab Januar 2025. Die Kündigung des aktuellen Landesrahmenvertrages zum Jahresende schränkt die bedarfsgerechte Gewährung der Leistungen für Menschen mit Behinderung nicht ein. Das bedeutet: Obwohl trotz der wöchentlichen Verhandlungsrunden bislang kein neuer Landesrahmenvertrag steht, laufen die Leistungsvereinbarungen weiter. Alle zum Jahresanfang abgeschlossenen Leistungsvereinbarungen sind unbefristet und ungekündigt und bleiben weiterhin Grundlage der Leistungserbringung.
Was war mit dem Vertrag bisher geregelt und um welche Leistungen geht es dabei?
Die Landesrahmenverträge nach § 131 Abs. SGB IX bilden die Grundlage, auf der die Träger der Eingliederungshilfe und die Leistungserbringer eines Bundeslandes ihre Einzelverträge nach § 125 SGB IX schließen. Den Inhalt der Landesrahmenverträge hat der Bundesgesetzgeber in § 131 SGB IX festgelegt. Die Aufzählung in Absatz 1 ist abschließend.
Aufgabe der Landesrahmenverträge ist es, die gesetzlichen Regelungen zu konkretisieren, Abgrenzungsfragen zu klären und möglichst landesweit eine einheitliche Basis für Struktur und Inhalt der Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen nach § 125 SGB IX zu schaffen. Da diese Vereinbarungen Inhalt, Umfang, Qualität und Vergütung der Eingliederungshilfeleistungen regeln, spielen die Landesrahmenverträge eine wichtige Rolle für die Realisierung der zentralen Ziele des Bundesteilhabegesetzes (BTHG/ SGB IX). Menschen mit Behinderungen soll eine möglichst volle und wirksame Teilhabe in allen Bereichen für eine selbstbestimmte Lebensführung ermöglicht werden.
Auf welche Inhalte für den neuen Rahmenvertrag wurde sich in den Verhandlungen verständigt?
Im Mittelpunkt des neuen Landesrahmenvertrags stehen mehr Teilhabe, Selbstbestimmung und Inklusion von Menschen mit Behinderungen.
Jeder Mensch, ob mit oder ohne Behinderung, hat Anspruch auf einen individuellen Lebensentwurf. Das Bundesteilhabegesetz sieht daher vor, dass Menschen mit Behinderungen nicht länger als homogene Gruppe mit standardisierten Angeboten betrachtet werden. Ihre Wünsche und Vorstellungen bei der Gestaltung von Teilhabeleistungen werden künftig verbindlich berücksichtigt. Ein zentraler Bestandteil des neuen Rahmenvertrags ist daher die Modularisierung der Leistungen. Dadurch wird eine stärker personenzentrierte Unterstützung anstelle pauschaler Komplexleistungen ermöglicht.
Leistungsumfang und Inhalte werden künftig über einen transparenten Leistungskatalog festgelegt, wie ihn das Bundesteilhabegesetz vorsieht. Künftig soll beispielsweise eine leistungsberechtigte Person, die in einer eigenen Wohnung lebt, gezielt verschiedene Leistungen unterschiedlicher Anbieter auswählen können – etwa Assistenz im Alltag oder Unterstützung bei Freizeitaktivitäten. Damit verabschiedet sich das Land vom einrichtungsbezogenen Denken und standardisierten Angeboten hin zu individuell zugeschnittenen Leistungen. Der personenzentrierte Ansatz soll sicherstellen, dass jeder Mensch mit Behinderung in Sachsen-Anhalt die Möglichkeit erhält, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.
Zugleich sollen mehr Alternativen zur Beschäftigung in Werkstätten geschaffen werden. Dafür sieht der neue Rahmenvertrag den Abschluss von Zielvereinbarungen mit Werkstätten für Menschen mit Behinderungen vor, um Übergänge auf den allgemeinen Arbeitsmarkt gezielt zu fördern und zu realisieren.
Wie hoch sind die damit verbundenen Ausgaben des Sozialministeriums? Geht es bei der Kündigung des Vertrages um das Einsparen von finanziellen Mitteln?
Es gab und gibt keine Haushaltsreduzierung. Das Gegenteil ist der Fall: Während die Ausgaben des Landes in diesem Bereich im Jahr 2021 rund 572 Millionen Euro betrugen, sind 2025 711 Millionen Euro und 2026 723 Millionen Euro eingeplant.
Die Entwicklung der Kosten der Eingliederungshilfe (EGH) ist dabei nicht spezifisch für das Land Sachsen-Anhalt, sondern bildet einen bundesweiten Trend ab. Mit der Kündigung des gültigen Rahmenvertrages wird die Möglichkeit gesehen, gezielt individuelle Bedarfe der Menschen mit gezielteren Angeboten begleiten zu können.
Ist mit einem massiven Personalabbau bei den Trägern der Eingliederungshilfe zu rechnen?
Ein massiver Personalabbau ist nicht intendiert und wird seitens des Trägers der Eingliederungshilfe auch nicht erwartet. Zur konkreten Vereinbarung der Personalrichtwerte wird derzeit im Rahmen der „GK 131“ verhandelt.
Wie viele Menschen mit Behinderungen profitieren aktuell von den Angeboten, die durch den Landesrahmenvertrag abgedeckt sind?
2023 erhielten 30 820 Menschen im Land Sachsen-Anhalt Leistungen der Eingliederungshilfe nach SGB IX (Pressemitteilung StaLa vom 21.10.2024).





