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Aktuelle Pressemitteilungen - Ministerium für Arbeit und Soziales

Folsäure, Gesundheit und Schwangerschaft

Informationen von Prof. Dr. Volker Steinbicker, Leiter des
Fehlbildungsmonitorings Sachsen-Anhalt zum Start der Info-Kampagne "Folsäure
für dich?mein Kind"

15.10.2003, Magdeburg – 1

  • Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung

 

 

 

 

 

 

 

 

Ministerium für Gesundheit und Soziales - - Info-Dienst Nr.:

001/03

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ministerium für Gesundheit und

Soziales - Info-Dienst Nr.: 001/03

 

 

 

Magdeburg, den 13. Oktober 2003

 

 

 

Folsäure, Gesundheit und Schwangerschaft

 

Informationen von Prof. Dr. Volker Steinbicker, Leiter des

Fehlbildungsmonitorings Sachsen-Anhalt zum Start der Info-Kampagne "Folsäure

für dich¿mein Kind"

 

Folsäure ist ein wasserlösliches Vitamin der B-Gruppe,

welches in den 40iger Jahren des vorigen Jahrhunderts entdeckt wurde. Der Name

Folsäure leitet sich von dem lateinischen Begriff "Folium" (das Blatt) ab, da

dieses Vitamin zuerst aus Spinatblättern isoliert wurde.

 

Folate kommen in tierischen und pflanzlichen Lebensmitteln

vor. Vor allen Dingen Blattgemüse hat einen hohen Gehalt dieses Vitamins. Viel

Folat findet sich in Spinat, Salaten, Weißkohl, Tomaten, Orangen und Getreide.

Von tierischen Lebensmitteln ist die Leber besonders reich an Folsäure.

 

Nach dem Bericht der Deutschen Gesellschaft für Ernährung,

werden mit der heute üblichen Ernährungsweise in Deutschland frisches Obst und

Gemüse in zu geringen Mengen verzehrt, so dass die Versorgung der Bevölkerung

mit Folatsäure als unzureichend bezeichnet werden muss. Durch vermehrten

Verzehr von Obst und Gemüse ließe sich die Folatversorgung der Bevölkerung

sicherlich verbessern. Entsprechende Kampagnen ("5 am Tag") haben nicht den

gewünschten Erfolg gezeigt. Dazu kommt noch, dass Folsäure durch die

Zubereitung (kochen u. ä.) und durch unsachgemäße Lagerung zwischen 30% und 90%

ihrer biologischen Aktivität als Vitamin verliert.

 

1. Folsäureversorgung in Deutschland:

 

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt

für gesunde Erwachsene eine tägliche Nahrungsfolatzufuhr von 400 µg. In der

Schwangerschaft wird eine höhere Zufuhr und zwar 600 µg/Tag empfohlen, da der

Bedarf durch die besonderen Umstände der Schwangerschaft, wie das Wachstum von

Gebärmutter und Embryo, deutlich erhöht ist. Die gleichen Empfehlungen wurden

auch in den USA und Kanada ausgesprochen.

 

Nach Angaben des deutschen Ernährungsberichtes aus dem

Jahr 2000 nehmen männliche Personen im Durchschnitt täglich 235µg und weibliche

Personen im Durchschnitt täglich 214 µg auf. Dies entspricht lediglich 61% bzw.

55% der empfohlenen Menge. Auch bei Kindern und Jugendlichen liegen die

durchschnittlichen täglichen Aufnahmemengen von Folsäure deutlich unter denen,

die von der DGE empfohlen wurden.

 

1998 wurde in einem s. g. Ernährungssurvey die

Nährstoffversorgung der deutschen Bevölkerung untersucht. Danach lag die

mittlere Folataufnahme bei 283 µg bei Männern und 238 µg bei Frauen.

 

Wegen der vergleichsweise relativ geringen Folsäuremenge

in Obst und Gemüse und deren Verlust durch Zubereitungsprozesse ist es kaum

möglich, den gesamten Folsäurebedarf durch die Nahrung oder z. B. auf dem Weg

einer bestimmten Diät zu decken. Dies ist nur durch die regelmäßige Einnahme

von Multivitaminpräparaten mit entsprechend hohem Folsäureanteil oder von

Kombinationspräparaten, z. B. Eisen und Folsäure oder durch reine

Folsäurepräparate möglich.

 

Da nur etwa 5% der Bevölkerung in den neuen Bundesländern

täglich  Multivitaminpräparate zu sich

nimmt, ist von einer ständigen Unterversorgung der Bevölkerung mit diesem

Vitamin auszugehen.

 

2. Folsäure und Gesundheit

 

2.1. Fehlbildungen

und Schwangerschaft

 

Etwa 5% aller neugeborenen Kinder leiden an einer

Fehlbildung, die entweder gleich nach der Geburt oder später im Leben dieser

Kinder einmal ärztlich behandelt werden muss. Fehlbildungen des zentralen

Nervensystems (der Wirbelsäule und des Gehirns), zu denen der sogenannte

"offene Rücken" gehört (Neuralrohrdefekt), sind relativ häufig. In

Sachsen-Anhalt hat etwa von 900 Geborenen ein Kind einen Neuralrohrdefekt.

Neuralrohrdefekte entstehen durch eine Störung des Neuralrohrschlusses. Je nach

Sitz der Verschlussstörung hat dies das Freiliegen von Gehirn oder Rückenmark

zur Folge, was entweder mit dem Leben nicht zu vereinbaren ist oder zu einer

schweren Beeinträchtigung der Lebensqualität mit Bewegungsunfähigkeit der Beine

und Störungen der Blasen- und Mastdarmfunktion führt. Zusätzliche

Veränderungen, wie im Bereich der Harnwege oder das Auftreten eines

Wasserkopfes, komplizieren diese Entwicklungsstörungen. In Sachsen-Anhalt

werden etwa 80% der Kinder mit einer solchen Fehlbildung bereits durch

Ultraschalluntersuchungen in der 18.-22. Schwangerschaftswoche entdeckt und die

Schwangerschaften auf Wunsch der Schwangeren wegen der Schwere der Fehlbildung

abgebrochen. Es wird geschätzt, dass jährlich in Deutschland etwa 470 ¿ 800

Säuglinge mit Neuralrohrdefekten lebend geboren werden und bei weiteren 500

Kindern ein Abbruch der Schwangerschaft nach der 20. Schwangerschaftswoche

erfolgt. Hat eine Frau bereits eine durch ein Kind mit einem Neuralrohrdefekt

belastete Schwangerschaft hinter sich, ist das Wiederholungsrisiko bei einer

weiteren Schwangerschaft für ein Kind mit einem Neuralrohrdefekt etwa 20 mal

höher, als bei Frauen ohne familiäre Belastung.

 

Seit vielen Jahren ist wissenschaftlich belegt, dass die

Höhe der Folsäurezufuhr vor Eintritt einer Schwangerschaft die Häufigkeit von

angeborenen Fehlbildungen, insbesondere der des Neuralrohres, beeinflusst. Eine

Vielzahl von Studien aus aller Welt belegen eindeutig, dass die Einnahme von

mindestens 0,4 mg Folsäure täglich, beginnend 4 Wochen vor Beginn einer

Schwangerschaft bis 8 Wochen nach Eintritt einer Schwangerschaft, das Auftreten

von Neuralrohrfehlbildungen bis zu 80% verhindert.

 

Einige Untersuchungen weisen auch darauf hin, dass durch

eine rechtzeitige Folsäureeinnahme das Risiko für Lippen-, Kiefer- und

Gaumenspalten (Hasenscharte) reduziert werden kann. Wahrscheinlich müssen hier

aber größere Folsäuremengen zugeführt werden. Außerdem scheint auch die

Vermeidung bestimmter angeborener Herzfehler durch die Gabe von Folsäure, bzw.

von folsäurehaltigen Multivitaminpräparaten möglich zu sein. Auch einige

Harmwegsfehlbildungen lassen sich durch vor der Schwangerschaft einsetzende

folsäurehaltige Multivitaminpräparate deutlich reduzieren. Und letztlich wird

diskutiert, ob auch das Auftreten von Chromosomenstörungen, wie das

Down-Syndrom, oder auch das von Leukämien im Kindesalter, durch

Folsäureeinnahme in der Schwangerschaft reduziert werden kann.

 

2.2 Herz-Kreislauferkrankungen und Folsäure

 

Unerlässlich für den Aufbau von Geweben von Mensch und

Tier sind die Aminosäuren, die die Bausteine für Eiweiße sind. Einige dieser

Aminosäuren entstehen beim Abbau (Stoffwechsel) anderer Aminosäuren. Diese

Stoffwechselvorgänge sind kompliziert und müssen koordiniert ineinander

greifen, damit ein normales Wachstum von Zellen und Geweben funktionieren kann.

 

Eine dieser Aminosäuren ist das Homocystein, das beim

Abbau einer anderen Aminosäure, des Metionins, entsteht. Das Homocystein wird

weiter abgebaut, wobei hierzu Folsäure und Vitamin B6 und B12 notwendig sind.

Bei Fehl- oder Mangelernährung kann es zu einem Vitamin B6-, Vitamin B12- und

einem Folsäuremangel kommen, wodurch Homocystein nicht im notwendigen Umfang

abgebaut werden kann und sich mehr als normal im Blut anreichert. Die gleiche

Erscheinung tritt bei bestimmten erblich bedingten Störungen des Homocystein-

und des Folsäurestoffwechsels auf. Seit etwa 10 Jahren ist bekannt, dass das

Homocystein als isolierter Risikofaktor für das Entstehen von

Herz-Kreislauf-Erkrankungen angesehen werden kann. Untersuchungen haben

ergeben, dass ein deutlicher Zusammenhang zwischen dem Auftreten von

Herzinfarkten oder von Schlaganfällen, aber auch von Durchblutungsstörungen an

Armen und Beinen durch erhöhte Homocysteinwerte im Blut hervorgerufen werden

kann. Während die genauen Ursachen für diese Erscheinungen nicht bekannt sind,

weiß man, dass durch Gaben von Folsäure der erhöhte Homocysteinspiegel im

Durchschnitt um 25% gesenkt werden kann. Wird neben der Folsäure noch

zusätzlich Vitamin B12 und B6 zugeführt, kann dieser Effekt verstärkt werden.

Auf Grund der hier kurz geschilderten Studienergebnisse und der Tatsache, dass

in Europa die Herz-Kreislauf-Erkrankungen für 40% aller Todesfälle unter 75

Jahren verantwortlich sind, und damit auch in Deutschland als häufigste

Todesursachen unter Erwachsenen fungieren, wird die Bedeutung einer ausreichenden

Folsäureaufnahme deutlich.

 

2.3. Folsäure und Demenz

 

In Mitteleuropa und besonders in Deutschland werden die

Menschen immer älter. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Kinder ab, was zu einer

Vergreisung der Bevölkerung im Ganzen führt. Diese demografische Entwicklung

rückt den Stellenwert der Alzheimerschen Erkrankung und anderer Demenzzustände

mehr und mehr in das Blickfeld ärztlicher Betrachtungen. Es gibt Hinweise, dass

Folsäure die Altersdemenz und u. U. auch die Alzheimersche Erkrankung in ihrem

Auftreten wenn auch nicht verhindern, aber deren Verläufe günstiger gestalten

kann, da wahrscheinlich der erhöhte Homocysteinspiegel bei der Entstehung

dieser Erkrankungen eine Rolle spielt.

 

In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass ein

Zusammenhang zwischen niedrigen Folatspiegeln und dem Auftreten melancholischer

Depressionen festgestellt wurde. Es ist davon auszugehen, dass zumindest die

Behandlungserfolge von Depressionen mit entsprechenden Präparaten durch Gabe

von Folsäure verbessert werden können.

 

2.4. Folsäure und Krebs

 

Es wird diskutiert, ob Folsäure auf Grund seiner Bedeutung

für die Synthese von DNA vor Krebserkrankungen schützen könnte. Eine Auswertung

von 32 Studien zum Thema Folsäure und Krebserkrankungen hat gezeigt, dass ein

Zusammenhang zwischen (niedrigem) Folsäuregehalt des Blutes und dem Risiko für

Dickdarmkrebs besteht. Inwieweit hier noch der Alkoholkonsum eine Rolle spielt,

wird differenziert beurteilt. So soll bei Frauen, die regelmäßig Alkohol zu

sich nehmen, Folsäure möglicherweise auch das Risiko einer Brustkrebserkrankung

reduzieren. Ein Zusammenhang wird derzeit zwischen Folsäurestatus und dem

Bauchspeicheldrüsenkrebs bei Rauchern untersucht.

 

Die hier dargestellten Ausführungen sollen belegen, dass

zum Einen eine ausreichende Folsäureaufnahme durch die Nahrung auf Grund

unserer Ernährungsgewohnheiten kaum möglich ist. Auf der anderen Seite sollte

gezeigt werden, in welcher Weise Folsäure mit der Gesundheit des Menschen im

Zusammenhang steht. Vordergründig ist dabei die Vorbeugung von Fehlbildungen,

wozu eine Folsäureeinnahme vor Beginn einer Schwangerschaft notwendig ist, d.

h. diese Form der Prophylaxe käme nur für die Frauen in Frage, die eine

Schwangerschaftsverhütung mit dem Ziel aufgeben, schwanger zu werden und beim

Absetzen z. B. der Anti-Baby-Pille sofort zur Folsäuretablette greifen. Die

anderen genannten Studienergebnisse weisen auf die Bedeutung von Folsäure z. B.

auch für ältere Menschen hin.

 

 

 

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