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Arbeitsminister Bischoff: Sehe
die Kürzungen des Bundes bei der Arbeitsmarktförderung mit Sorge
06.10.2011, Magdeburg – 73
- Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung
Ministerium für Arbeit und Soziales - - Pressemitteilung Nr.: 073/11
Ministerium für Arbeit und Soziales -
Pressemitteilung Nr.: 073/11
Magdeburg, den 6. Oktober 2011
Arbeitsminister Bischoff: Sehe
die Kürzungen des Bundes bei der Arbeitsmarktförderung mit Sorge
Rede des Ministers im Landtag am 6. Oktober 2011 in der Aktuellen
Debatte / TOP 2: Arbeitsmarktpolitik der Bundesregierung und die Folgen für
Sachsen-Anhalt / Antrag der der Fraktion SPD / Drucksache 6/454
Vor einer Woche wurden die
Arbeitsmarktzahlen für den Monat September veröffentlicht. Diese zeigen aus
meiner Sicht zwei wesentliche Trends:
Erstens: Die Situation auf dem
Arbeitsmarkt in Sachsen-Anhalt ist insgesamt besser als sie jemals in den zurückliegenden
20 Jahren war. Die Arbeitslosigkeit sinkt weiter deutlich (im Bereich des SGB
III um fast 15% gegenüber Vorjahr). Die beruflichen Chancen von qualifizierten
Fachkräften werden immer besser.
Zweitens: Es gibt aber nach wie
vor eine hohe Zahl von Langzeitarbeitslosen im Rechtskreis des SGB II (knapp
100.000). An diesen Menschen ist die positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt
bisher leider größtenteils vorbeigegangen. Deren Zahl konnte gegenüber dem
Vorjahr nur leicht um rund 4% reduziert werden. Dieses Problem löst sich auch
bei anhaltend positiver Gesamtentwicklung auf dem Arbeitsmarkt nicht von
selbst.
Dies bedeutet für mich, dass
wir auch in Zukunft arbeitsmarktpolitische Instrumente brauchen werden, mit
denen wir die Integration von Langzeitarbeitslosen in Arbeit und Beschäftigung
sinnvoll unterstützen können. Dies ist nicht nur eine sozial- und
gesellschaftspolitische Verpflichtung. Dies ist nach meiner Überzeugung vor
allem auch eine wirtschaftspolitische Notwendigkeit. Vor dem Hindergrund
zunehmenden Fachkräftebedarfs bei schrumpfender Bevölkerung können wir es uns
nicht erlauben, auf dieses Potenzial an Arbeitskräften zu verzichten.
Vor diesem Hintergrund sehe ich
die aktuelle arbeitsmarktpolitische Strategie der Bundesregierung mit Sorge. Die
Reform des arbeitsmarktpolitischen Instrumentenkastens im SGB III und SGB II
hat nach meinem Eindruck vorrangig das Ziel, die von der Bundesregierung
geplanten Einsparungen im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik möglich zu
machen. Das kann nicht unwidersprochen bleiben. Wir haben uns mit der Mehrheit
der anderen Länder dafür eingesetzt, hier das Schlimmste zu verhindern und für
zentrale Instrumente der Arbeitsmarktpolitik bessere Regelungen zu erreichen.
Ich möchte nur ein Beispiel
nennen: Wir haben uns im Bundesratsverfahren dafür stark gemacht, dass
Maßnahmen zur befristeten Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen nicht durch
überzogene Anforderungen an Zusätzlichkeit und Wettbewerbsneutralität und durch
ungünstige Finanzierungskonditionen praktisch unmöglich gemacht werden. Diese
Maßnahmen können nach unserer Überzeugung bei richtiger Ausgestaltung
wesentlich zur Aktivierung, Stabilisierung und Arbeitsmarktintegration von
arbeitsmarktfernen Personen im SGB II-Bezug beitragen.
Aufgrund des
überdurchschnittlich hohen Anteils von SGB-II-Leistungsbeziehern in
Sachsen-Anhalt hat das Land großes Interesse am Erhalt praktisch umsetzbarer
Förderkonditionen in diesem Bereich. Leider konnten wir uns an diesem Punkt
nicht durchsetzen. Die meisten konstruktiven
Vorschläge der Länder wie zum Erhalt des Existenzgründerzuschusses, zur
dauerhaften Absicherung des Instruments der Einstiegsqualifizierung oder zum
zielgenaueren Einsatz von beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen auch für
Langzeitarbeitslose hat der Bund letztlich vom Tisch gewischt.
Ich habe daher im Ausschuss für
Arbeit und Sozialpolitik des Bundesrates einen Antrag zur Anrufung des
Vermittlungsausschusses unterstützt. Das Ziel ist dabei eine grundlegende
Überarbeitung des Gesetzentwurfes zur Instrumentenreform im SGB III. Da das
Gesetz aber nicht zustimmungspflichtig ist, müssen wir uns realistisch auf
erhebliche Verschlechterungen und finanzielle Kürzungen im Bereich der
Arbeitsmarktpolitik des Bundes einstellen, die deutliche Auswirkungen auch auf
Sachsen-Anhalt haben werden.
Allein im Bereich des SGB III -
also bei den Arbeitsagenturen - sollen bundesweit in den nächsten vier Jahren
rund acht Milliarden Euro - also zwei
Milliarden Euro pro Jahr - gespart werden. Dies bedeutet, dass die
Arbeitsagenturen in Sachsen-Anhalt im SGB III-Bereich ab 2012 pro Jahr gut 60 Millionen
Euro weniger für aktive Arbeitsmarktpolitik zur Verfügung haben werden. Das
entspricht einer Mittelkürzung von knapp 20% gegenüber 2011 und sogar von rund 30%
gegenüber 2010.
Noch gravierender sind die
Kürzungen, die von der Bundesregierung im Bereich des SGB II - also bei den Jobcentern der Gemeinsamen
Einrichtungen und der zugelassenen kommunalen Träger - bereits vorgenommen
wurden oder noch erfolgen sollen. Schon im Jahr 2011 müssen die Jobcenter mit
erheblich weniger Geld für SGB-II¿Leistungen zur Eingliederung in Arbeit
auskommen als in den Vorjahren. Diese also ohnehin schon knappen Mittel sollen
im nächsten Jahr weiter drastisch abgesenkt werden. Nach dem Entwurf des
Bundeshaushalts werden die Eingliederungsmittel für den SGB-II-Bereich im Jahr
2012 bundesweit noch einmal um etwa 20% niedriger liegen als 2011 und sogar um 40%
niedriger als im Jahr 2010. In absoluten Zahlen bedeutet dies, dass im Jahr
2012 bundesweit rund 2,6 Milliarden Euro weniger für aktive Arbeitsmarktpolitik
im Bereich des SGB II eingesetzt werden können als noch im Jahr 2010.
Nach Berechnungen und Prognosen
des Bremer Instituts für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe, das die
finanzielle Ausstattung der Jobcenter seit Jahren analysiert, werden die
Jobcenter in den neuen Ländern sogar überdurchschnittlich von den Kürzungen
betroffen sein. Nach diesen Prognosen wird das Eingliederungsbudget der
Jobcenter in Sachsen-Anhalt von rund 393 Millionen Euro im Jahr 2010 auf rund
217 Millionen Euro im Jahr 2012 sinken. Das entspricht einem Rückgang von 45%
im Landesdurchschnitt. In einigen Landkreisen wird der Rückgang sogar noch
deutlich höher ausfallen. Die größten Kürzungen mit fast 55% sind nach diesen
Berechnungen für den Altmarkkreis Salzwedel zu erwarten.
Wir werden diese Kürzungen
nicht annähernd durch Aktivitäten oder Programme des Landes ausgleichen können.
Aber wir sind bestrebt, durch eine gute Zusammenarbeit mit den Arbeitsagenturen
und vor allem auch den kommunalen Akteuren der Arbeitsmarktpolitik das
bestmögliche Ergebnis auch unter den schlechten Rahmenbedingungen zu erreichen.
Wir wollen die aktive
Arbeitsmarktpolitik im Bereich des SGB II gemeinsam mit den zugelassenen
kommunalen Trägern und der Bundesagentur für Arbeit so gestalten, dass die
arbeitsmarktpolitische Wirkung in diesem Bereich in Bezug auf Integration in
den Arbeitsmarkt und Beendigung der Hilfebedürftigkeit verbessert wird. Ganz
konkret sind wir derzeit dabei, für die letzte Phase der
ESF-Strukturfondsperiode unter dem Namen ¿Regionale Beschäftigungsinitiative¿
noch ein ergänzendes Landesprogramm zur befristeten Beschäftigung und
Arbeitsmarktintegration von schwer vermittelbaren SGB-II-Beziehern
vorzubereiten. Dieses Programm soll in enger Kooperation mit den kommunalen
Trägern entwickelt und in den Jahren 2012 bis 2014 umgesetzt werden.
Zielgruppen dieses Programms sollen insbesondere Alleinerziehende und Familien
mit mehreren arbeitslosen Erwachsenen sein. Auch mit diesem Angebot wollen wir
der Kürzungspolitik der Bundesregierung ein positives Signal entgegensetzen.
Ich danke Ihnen.
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