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Sozialministerin Dr. Gerlinde
Kuppe: Fortschritte bei der Integration von behinderten Menschen, aber kein
Grund für Selbstzufriedenheit
08.05.2009, Magdeburg – 59
- Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung
Ministerium für Gesundheit und Soziales - - Pressemitteilung Nr.:
059/09
Ministerium für Gesundheit und Soziales -
Pressemitteilung Nr.: 059/09
Magdeburg, den 7. Mai 2009
Sozialministerin Dr. Gerlinde
Kuppe: Fortschritte bei der Integration von behinderten Menschen, aber kein
Grund für Selbstzufriedenheit
/ Rede der Ministerin für
Gesundheit und Soziales, Dr. Gerlinde Kuppe, im Landtag zur Großen Anfrage
¿Teilhabe behinderter Menschen ermöglichen ¿ Paradigmenwechsel real umsetzen¿
(DRS 5/1662)
Sehr geehrter Herr Präsident!
Sehr geehrte Herren und Damen Abgeordnete!
Seit der Darstellung der
Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen im Arbeitsmarkt- und
Sozialbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2000/2001 haben der Bund und das Land
die rechtlichen Rahmenbedingungen für Teilhabeleistungen zu Gunsten von
Menschen mit Behinderungen mehrfach geändert. Grundlegend für die
Weiterentwicklung des Schwerbehindertenrechts war die Einführung des SGB IX im
Jahre 2001, mit dem der Paradigmenwechsel von der Fürsorge zu Teilhabe und Selbstbestimmung in einem einheitlichen
Regelwerk niedergelegt worden ist. Das
war die für mich bis dahin wichtigste und einschneidende Veränderung des Rechtsrahmens
zur Umsetzung des Artikel 3, Grundgesetz.
Ebenfalls im Jahre 2001 hat der
Bund mit dem Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und
bei Erwerbsminderung eine eigenständige Grundsicherungsleistung für ältere und
dauerhaft erwerbsgeminderte Menschen eingeführt. Diese wurde mit dem Gesetz zur
Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch im Jahre 2003 wieder
in das Sozialhilferecht, in das SGB XII übernommen.
Auf Landesebene ist
insbesondere das Behindertengleichstellungsgesetz vom November 2001 zu nennen,
das die Rechte von Menschen mit Behinderungen stärkt und ihre Partizipation an
den Prozessen der politischen Willensbildung sichert. Mit der Änderung des
AGB-BSHG im Jahre 2004 und durch das AG SGB XII aus dem Jahre 2005 wurde die
Zuständigkeit für die ambulanten
Eingliederungshilfen und für die ambulanten Hilfen zur Pflege auf den
überörtlichen Träger der Sozialhilfe übertragen wurde. Ambulante,
teilstationäre und stationäre Eingliederungshilfen und Hilfen zur Pflege
werden seither in einheitlicher
Zuständigkeit wahrgenommen. Durch diese Zusammenführung der Zuständigkeiten
wurde dem in der überörtlichen Sozialhilfe anerkannten Organisationsprinzip der
Hilfegewährung aus einer Hand Rechnung getragen.
Mit der UN-Konvention über die
Rechte behinderter Menschen, die Anfang 2009 innerstaatlich in Kraft getreten
ist, werden die Teilhabechancen von Menschen mit Behinderungen weiter gestärkt.
Vor dem Hintergrund dieser
Entwicklungen ist eine grundlegende Aufarbeitung der fachlichen Daten und
Entwicklungstendenzen angezeigt und hilfreich.
Etwa drei Prozent der
Eingliederungshilfe bundesweit wird in Sachsen-Anhalt geleistet. Dieses ist
auffällig, da die Bevölkerungsentwicklung in Sachsen-Anhalt stärker rückläufig
ist als im Bund. Daran wird deutlich, dass die demografische Entwicklung eine
große Herausforderung auch für die Behindertenpolitik im Land ist.
Infolge des In-Kraft-Tretens
des Sozialgesetzbuches IX im Jahre 2001 und die
Behindertengleichstellungsgesetze in Sachsen-Anhalt und im Bund sind die
Grundsätze von Selbstbestimmung und Teilhabe in den Mittelpunkt der
fachpolitischen Auseinandersetzung und Praxis getreten. Durch gesetzliche
Regelungen und Maßnahmen der Verwaltung sind diese Zielsetzungen seither verfolgt
worden.
In diesem Zusammenhang sind
insbesondere zu nennen:
Die Anstrengungen des Landes zur Herstellung
der Barrierefreiheit in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens - mit teilweise sehr ansprechenden
Ergebnissen.
Die Einführung des Rechtsanspruchs auf das
Trägerübergreifende Persönliche Budget zu Beginn des Jahres 2008. Diesem
war eine vierjährige Pilotphase vorangegangen, an der sich das Land
Sachsen-Anhalt aktiv beteiligt hat.
Die Zusammenführung der Zuständigkeit für
stationäre und ambulante Maßnahmen der Eingliederungshilfe beim Land, die
zu einer Stärkung der ambulanten Versorgung in der Eingliederungshilfe und
des selbstbestimmten Wohnens in der eigenen Häuslichkeit beigetragen hat.
Die Übernahme der Zuständigkeit für die
Frühförderung durch das Land, die zu einer verbesserten Teilhabe von
Kindern im Vorschulalter an Maßnahmen der Rehabilitation und
frühkindlichen Förderung beigetragen hat.
Zur Stärkung der Position von
Menschen mit Behinderungen und zu Ihrer Einbindung in die politischen
Entscheidungsprozesse hat die Landesregierung neben dem ¿Runden Tisch für
Behinderte¿ den ¿Landesbehindertenbeirat¿ eingerichtet. Die Mitarbeit am
¿Runden Tisch¿ steht allen Menschen mit und ohne Behinderungen offen und zwar
unabhängig von Partei- oder Verbandszugehörigkeit. Aufgabe des
Landesbehindertenbeirates ist es, die Landesregierung in Fragen der
Behindertenpolitik zu beraten. Diese beiden Gremien ¿Runder Tisch¿ und
Landesbehindertenbeirat, die in den Kreisen Betroffener über ein hohe Akzeptanz
verfügen, haben mit In-Kraft-Treten des Behindertengleichstellungsgesetzes,
welches Sachsen-Anhalt nach Berlin als zweites Bundesland im November 2001
verabschiedet hat, eine gesetzliche Grundlage bekommen.
Die Landesregierung unterstützt
die chancengleiche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in allen
Lebensbereichen, vom Wohnen bis zur Teilhabe am allgemeinen Arbeitsmarkt.
Insgesamt meine ich, dass der
Integrationsprozess von Menschen mit Behinderungen in Sachsen-Anhalt in den vergangenen
Jahren sichtbare Fortschritte gemacht hat. Gleichwohl sind noch erhebliche
Anstrengungen notwendig, um zu einer allumfassenden Integration, Teilhabe und
Inklusion mit Einbindung in die örtlichen sozialen Netzwerke zu gelangen.
Insbesondere gilt es, auf eine Fortentwicklung des Bewusstseins in der
Öffentlichkeit hinzuwirken.
Einen starken Impuls hin zu
noch mehr Teilhabe und Inklusion gibt die jetzt innerstaatlich in Kraft
getretene UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen.
Aus der Vielzahl der in der
Antwort der Landesregierung herausgestellten
Fakten, die eine Stärkung der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben im
Sinne von Normalität belegen, will ich die Quote der ambulanten Leistungen im
Bereich Wohnen herausgreifen. Der Anteil der
ambulanten Leistungen der Eingliederungshilfe ist von 10,7 % im Jahre
2001 auf über 36 % im Jahre 2008 angestiegen. Somit erhalten heute über ein
Drittel aller Leistungsberechtigten
Leistungen der Eingliederungshilfe in ambulanter Form. Dies ist ein
erfreulicher Schritt in die richtige Richtung. Das selbstbestimmte Wohnen in
der eigenen Häuslichkeit wird in der UN-Konvention gefordert.
Die Zahl der stationären Plätze
in der Eingliederungshilfe konnte seit 2004 auf rund 9.200 begrenzt werden. Der
Trend geht auch hier zu niedrigschwelligeren und wohnortnaheren Angeboten in
Form des Intensiv betreuten Wohnens. In diesem Bereich sehe ich die
Notwendigkeit, neue und flexibel anzupassende Angebote zu entwickeln. Innovativ
und mit ermutigenden Anfangserfolgen wurde das Persönliche Budget eingeführt,
das eine Wahlmöglichkeit für Menschen mit Behinderungen eröffnet und ein Stück
Emanzipation von herkömmlichen Hilfeformen ermöglicht. Hier gibt es noch viele
Ressourcen der Weiterentwicklung.
Zu den Hilfeangeboten im Rahmen
der Frühförderung in der Schule kann ich folgende Entwicklung darstellen. Seit
der Übernahme der Aufgabenwahrnehmung durch das Land ist die Zahl der betreuten
Kinder im vorschulischen Alter von rund 350 auf 1.600 im Jahre 2008 gestiegen. Während
2002 rund 1,7 Millionen Euro aufgewendet wurden, waren es im Jahr 2008 rund 5,9
Millionen Euro.
Die frühzeitige Intervention
zur Überwindung drohender Behinderungen und der Überwindung von
Entwicklungsstörungen und -Verzögerungen in der Entwicklung ist besonders
wirkungsvoll. Frühe Interventionen helfen spätere weitaus aufwändigere und
weniger wirksame Interventionen zu vermeiden oder zu reduzieren. Die
verstärkten Anstrengungen im
Zusammenhang mit der Frühförderung und die hier erzielten Ergebnisse begrüße
ich nachdrücklich. Sie sind sicher einem gewachsenen Bewusstsein für die
Bedeutung einer frühen Intervention und einem höheren Informationsgrad zu
verdanken.
Hinsichtlich der allgemeinen
schulischen Bildung und es Ausbaus des gemeinsamen Unterrichts verweise ich
insbesondere auf die betreffende Große Anfrage aus dem vergangenen Jahr und die
Antwort hierzu.
Zur Situation in den
Werkstätten für behinderte Menschen, Fördergruppen und Tagesförderung kann ich
zusammenfassen: Die Zahlen der in
geschützten Werkstätten beschäftigten Menschen ist im Laufe der vergangenen
Jahre deutlich gestiegen ¿ auch im Bundestrend. Zur Verbesserung der Qualität
wurde in Sachsen-Anhalt die sonderpädagogische Zusatzqualifikation für
Gruppenleiterinnen und Gruppenleiter in den Werkstätten für behinderte Menschen
durchgesetzt. Eine Prüfungsordnung über die Prüfung zum anerkannten Abschluss
Geprüfte Fachkraft zur Arbeits- und Berufsförderung in Werkstätten wurde 2003
erlassen.
Die Beschäftigungssituation
behinderter Menschen auf dem ersten Arbeitsmarkt ist unverändert schwierig. Es
wurden und werden weiterhin bundesgesetzliche Regelungen umgesetzt und
unterstützt, aber auch eigene Arbeitsmarktprogramme zielgruppenspezifisch
aufgelegt. So können punktuelle Verbesserungen erzielt werden. Mit der Aufnahme
des Fördertatbestandes der unterstützenden Beschäftigung in das SGB IX hat der
Bundesgesetzgeber im vergangenen Jahr ein wichtiges Instrument für die Teilhabe
behinderter Menschen am Arbeitsleben geschaffen. Allerdings liegen Praxiserfahrungen
noch nicht vor.
Aufgrund der demografischen
Entwicklungen und der Alterung der Bevölkerung, von der auch Menschen mit
Behinderungen betroffen sind, steht das
Land vor neuen Herausforderungen. Mit Blick auf den steigenden Anteil älter
werdender Menschen mit Behinderung, die Leistungsberechtigte sind, bedarf es
einer systematischen Lösung, die sich mit den grundsätzlichen
Gestaltungsprinzipien des SGB XII und der Eingliederungshilfe vereinbaren
lässt. Schwerpunkt muss die Realisierung des Grundsatzes der Gewährung
ambulanter vor teil- bzw. stationärer Leistungen sein. Ziel ist in den nächsten
Jahren der Ausbau weiterer abgestufter ambulanter Wohnformen einschließlich
einer entsprechend abgestuften Tagesstruktur, um älteren und alten Menschen mit
Behinderungen einen würdigen Lebensabend zu ermöglichen.
Insgesamt gilt es die
selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben in allen ihren Facetten
allen Instrumenten, Abläufen und Prozessen der Verwaltung und der
Leistungsgewährung zu Grunde zu legen. Diesem Ziel dient auch die Einführung
des so genannten Gesamtplanverfahrens und des
Entwicklungsberichts im laufenden Jahr. Der Gesamtplan ist ein
Instrument zur Steuerung im Einzelfall, der die ganzheitliche und umfassende
Betrachtung ermöglicht und zugleich dem Wunsch- und Wahlrecht durch eine
frühzeitige Einbeziehung der Leistungsberechtigten bei der Ermittlung der Ziele
und der Gestaltung und der Koordination der Hilfen gerecht werden soll.
Zusammenfassend: Seit
Einführung des SBG IX wurde ein Paradigmenwechsel hin zu einer umfassenden
teilhabe behinderter Menschen eingeleitet. Die in den vergangenen acht Jahren
gewonnenen Erfahrungen und vorgenommenen Veränderungen geben Ansporn, den Weg
weiter zu beschreiten, damit ein umfassendes Verständnis von Teilhabe, die
Akzeptanz behinderter Menschen in der Gesellschaft und deren Inklusion
(Integration) weiter in die tägliche Realität vordringen.
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