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Aktuelle Pressemitteilungen - Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung

?Teilhabe für alle?
Regierungserklärung von Norbert Bischoff, Minister für Arbeit und Soziales?, gehalten in der Sitzung des Landtages am 29. Januar 2015

29.01.2015, Magdeburg – 6

  • Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung

 

 

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ES GILT DAS GESPROCHENE WORT!  

 

 

 

Die Schwerpunkte der sozialpolitischen

Diskussion bewegten sich in den vergangenen Jahren innerhalb der Schlagworte

Demografie und Inklusion. Der Ausspruch ?Vielfalt tut gut? akzeptiert, dass

Menschen unterschiedlich sind und mit ihren unterschiedlichen Möglichkeiten das

Leben der Gesellschaft prägen und bereichern. Der Satz ?Es ist normal

unterschiedlich zu sein?, bringt diesen Gedanken auf den Punkt. Dann ist es

nicht wichtig, alt oder jung, Frau oder Mann, behindert oder nicht behindert zu

sein. Weil jeder Mensch das in die Gesellschaft einbringt, was er kann und wozu

er in der Lage ist.

 

 

 

Was aber benötigt eine Gesellschaft, damit

sich Menschen mit ihrer Unterschiedlichkeit engagieren und beteiligen können?

Brauchen wir immer neue Hilfesysteme, um Benachteiligungen und Behinderungen

auszugleichen? Können wir in Zukunft auf isolierte ?Spezialangebote? und

?Spezialeinrichtungen? verzichten, weil wir eine Infrastruktur schaffen, die

für viele nutzbar ist? Und können daran dann wenige besondere Angebote

anknüpfen, die wieder aufgegeben werden, wenn sie nicht mehr gebraucht werden?

 

 

 

Aber auch für Menschen mit Beeinträchtigungen

stellt der von mir verfolgte menschenrechtliche Ansatz der Teilhabe eine

Herausforderung dar. Sie sind Teil der Vielfalt des gesellschaftlichen Lebens

und haben nun im Rahmen ihrer Möglichkeiten die Chance,  Selbstbestimmung anzunehmen und auszuüben.

 

 

 

In meiner Regierungserklärung geht es nicht

in erster Linie um verschiedene Schwerpunkte im Bereich des Sozialministeriums

und auch nicht um eine Bestandsaufnahme politischen Handelns. Das Thema dieser

Regierungserklärung ist mehr in die Zukunft gerichtet. 

 

 

 

Ich möchte Ihnen meine konkreten Gedanken zur

Teilhabepolitik der Landesregierung näher bringen anhand von vier Thesen.

 

 

 

Diese vier Thesen lauten: 

 

1.      

 ?Teilhabe für alle? ist in allen Lebensbereichen

und in allen politischen Aufgabenfeldern möglich, wir müssen aber dazu bereit

sein!

 

2.      

?Teilhabe für alle? ist auch unter den

Bedingungen des demografischen Wandels möglich!

 

3.      

?Teilhabe für alle? erfordert nicht zwingend

mehr Geld, aber sicher neue Konzepte!

 

4.      

?Teilhabe für alle? ist von großem Nutzen für

alle und eine Aufgabe für alle!

 

 

 

Zu These 1: ?Teilhabe

für alle? ist in allen Lebensbereichen und in allen

politischen Aufgabenfeldern möglich, wir müssen nur dazu bereit sein!

 

 

 

Teilhabepolitik betrifft alle Menschen. Ihren

Ursprung aber findet sie in der Politik für Menschen mit Behinderungen. Die

Aufnahme des Benachteiligungsverbots ins Grundgesetz setzte im Jahr 1994 einen

Paradigmenwechsel in Gang, der auch auf Ebene der Gesetzgebung noch keineswegs

vollendet ist. Im Zentrum der Politik für Menschen mit Behinderungen steht

seitdem nicht mehr der Begriff der Fürsorge, sondern die Verwirklichung eines

selbstbestimmten Lebens in einer offenen Gesellschaft.

 

 

 

Starke neue Impulse zur Verwirklichung von

Gleichstellung, Selbstbestimmung und Teilhabe gibt das im Jahre 2009 in

Deutschland in Kraft getretene ?Übereinkommen der Vereinten Nationen über die

Rechte von Menschen mit Behinderungen? ? kurz ?Behindertenrechtskonvention?. Die

Behindertenrechtskonvention geht in ihrem Ansatz weit über das bisherige

Verständnis des Benachteiligungsverbots hinaus. Sie hat den Blick dafür

geöffnet, dass Menschen mit körperlichen, geistigen oder mentalen

Beeinträchtigungen nicht per se behindert sind. Behinderungen entstehen viel

mehr erst im Zusammenwirken der Beeinträchtigungen mit einstellungs- und

umweltbedingten Barrieren, die sie an einer gleichberechtigten Teilhabe in der

Gesellschaft hindern.

 

 

 

Zu diesen Barrieren zählt nicht nur die zu

hohe Bordsteinkante, sondern beispielsweise auch der unnötig komplizierte

Bedienungshinweis an Fahrkartenautomaten- und auch manch vorgefasste Meinung

über eingeschränkte Fähigkeiten von Menschen mit Beeinträchtigungen.

 

 

 

Mit der Ratifizierung der

UN-Behindertenrechtskonvention und mit dem Beschluss des Nationalen

Aktionsplans im Jahr 2011 hat die Bundesregierung die Inklusion in das Zentrum

ihrer Bemühungen gestellt. Kritisch hat die Bundesregierung dazu 2013 in ihrem

Teilhabebericht festgestellt, dass nicht abschließend geklärt ist, unter

welchen Bedingungen Teilhabe im Sinne von Inklusion möglich ist. Bund und

Länder müssen nun die Faktoren herausarbeiten, die einerseits Teilhabechancen

verhindern und andererseits Exklusionsrisiken bedingen. Auf dieser Grundlage

müssen die Strukturen der Teilhabeleistungen fortentwickelt werden. So hat es

auch die Arbeits- und Sozialministerkonferenz 2013 auf Antrag Sachsen-Anhalts

einstimmig beschlossen.

 

 

 

Eine zentrale Rolle werden in den kommenden

Jahren die Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe, die Umsetzung des neuen Bundesteilhabegesetzes

und die Einführung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs einnehmen. Unter

dem Motto ?Eingliederungshilfe reformieren ? Modernes Teilhaberecht entwickeln?

wird in der Koalitionsvereinbarung des Bundes angekündigt, die gemeinsamen Anstrengungen

von Bund, Ländern und Kommunen für mehr Inklusion mit einem sicheren

gesetzlichen Rahmen auszustatten. Die Bundesregierung erarbeitet daher ein

Bundesteilhabegesetz für Menschen mit Behinderungen.

 

 

 

Menschen, die aufgrund einer wesentlichen Behinderung

nur eingeschränkte Möglichkeiten der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft

haben, sollen aus dem bisherigen ?Fürsorgesystem? herausgeführt werden. Ziel

ist, die Eingliederungshilfe zu einem modernen Teilhaberecht

weiterzuentwickeln. Die Leistungen sollen sich am persönlichen Bedarf

orientieren und personenbezogen ermittelt und bereitgestellt werden.

 

 

 

Die Arbeiten zu einem neuen

Bundesteilhabegesetz sollen in der laufenden Legislaturperiode abgeschlossen

werden. Verbände und Länder sind in die Arbeitsgruppe auf Bundesebene

unmittelbar eingebunden.

 

Als eines von bislang zehn Bundesländern hat

das Land Sachsen-Anhalt 2013 einen eigenen Landesaktionsplan zur Umsetzung der

Behindertenrechtskonvention auf den Weg gebracht. Der Landesaktionsplan wird

von allen Ressorts der Landesregierung umgesetzt. Er enthält unter anderem die folgenden

Handlungsfelder:

 

·       

- Barrierefreiheit,

 

·       - Kommunikation,

 

·       

- Information und unabhängige Lebensführung,

 

·       

- Bildung und lebenslanges Lernen,

 

·       

- Arbeit und Beschäftigung,

 

·       

- Gesundheit,

 

·       - 

Rehabilitation und Pflege,

 

·       

- Teilhabe am politischen und öffentlichen

Leben,

 

·       

- Sport, Kultur und Tourismus

 

 

 

Das Ministerium für Arbeit und Soziales

übernimmt als staatliche Anlaufstelle die Koordination der

ressortübergreifenden Maßnahmen. Zur langfristigen und strategischen Begleitung

der Umsetzung und der Fortschreibung des Landesaktionsplans wurde ein

Inklusionsausschuss eingerichtet. Der Landesaktionsplan enthält aktuell 164

teilhabepolitische Maßnahmen. Er ist zunächst auf eine Dauer von zehn Jahren

angelegt und soll fortwährend evaluiert und fortgeschrieben werden. Einen

aktuellen Schwerpunkt stellt die Überprüfung der Normen des Landes anhand der

Vorgaben der Behindertenrechtskonvention dar. Darüber hinaus unterstützen wir

die Kommunen bei der Erstellung von eigenen Aktionsplänen. Dieses Angebot wurde

bereits von einigen Kommunen in Anspruch genommen. Eine konkrete Unterstützung

der Landkreise und kreisfreien Städte ist auch im Rahmen der neuen

Strukturfondsperiode vorgesehen. Aus Mitteln des ESF werden wir mit 18,75 Millionen

Euro das örtliche Teilhabemanagement stärken. 

 

Die Meilensteine der Teilhabepolitik der

vergangenen Jahre haben bei den meisten von uns einen Bewusstseinswandel

eingeleitet. Uns steht der Lackmustest allerdings noch bevor: Akzeptieren wir

wirklich die Herausforderungen, die Inklusion an uns stellt? Wie begegnen wir

einem autistischen Kollegen, der in seinem Aufgabengebiet vorbildliche

Leistungen erbringt? Wie begegnen wir Eltern, die nicht akzeptieren, dass neben

ihrem Kind ein gelähmter Schüler sitzt, der allein mit der Bewegung seiner

Augen - unterstützt durch assistive Technik - kommuniziert? 

 

Die Inklusionskompetenz von Politik und

Gesellschaft entwickelt sich nach und nach. Voraussetzung ist, dass wir

Inklusion in die Tat umsetzen und gute Beispiele bekannt machen. Dies geschieht

auch mit einer jetzt vorgelegten Broschüre ?Sachsen-Anhalt auf dem Weg zur

Inklusion?, die das Sozialministerium im Übrigen auch komplett  in Leichter Sprache veröffentlicht hat.

 

 

 

Ich nenne gelungene Beispiele:

 

Die wohnortnahe Betreuung behinderter Kinder

in den Kinderkrippen, Kindergärten und Horten ist uns seit vielen Jahren ein

Herzensanliegen. Wir verfügen bekanntlich über eine hervorragend ausgebaute

Struktur der Kinderbetreuung in unserem Land. Die Zahl der integrativ

betreuenden Kindertagesstätten ist von 187 im Jahr 2005 auf aktuell 346

Einrichtungen gewachsen. Gleichzeitig konnten wir mit den Trägern die

integrativen Leistungen inhaltlich neu ausrichten und qualitativ verbessern.

 

 

 

Ein weiteres wichtiges Handlungsfeld, die gemeinsame

Beschulung, ist in diesem hohen Hause vielfach diskutiert worden. Ich möchte

dazu nur anmerken, dass es uns inzwischen gelingt, auch Schülerinnen und

Schülern mit schwersten und mehrfachen Behinderungen schulische Bildung zuteil

werden zu lassen. 

 

Der Landesaktionsplan widmet sich auch

intensiv der weiterführenden und lebenslangen Bildung. Die

Hochschulrektorenkonferenz des Landes hat im Jahr 2011 einen Beschluss zur

Herstellung der Barrierefreiheit gefasst. Unsere Hochschulen stellen

Nachteilsausgleiche zur Verfügung, die es auch Studentinnen und Studenten mit

Beeinträchtigungen ermöglichen, zu studieren und Leistungsnachweise zu

erbringen.

 

Die berufliche Orientierung, die berufliche

Ausbildung und die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen auf dem

allgemeinen Arbeitsmarkt  sind

Schwerpunkte unserer Bemühungen. Es ist leider immer noch so, dass manche

Arbeitgeber die Potentiale von behinderten Arbeitnehmern nicht erkennen,

vielleicht auch, weil Vorbehalte existieren. Diese abzubauen, ist ein

langwieriger Prozess. Wir fördern die Teilhabe am Arbeitsleben mit der

Umsetzung der sogenannten ?Initiative Inklusion?, mit dem Arbeitsmarktprogramm

?Arbeitsplätze für besonders betroffene schwerbehinderte Menschen?, mit dem

Landesprojekt ?Unterstützung des Übergangs von Mitarbeiterinnen und

Mitarbeitern der Werkstätten für Menschen mit Behinderung auf den allgemeinen

Arbeitsmarkt? und mit dem Werben für die Gründung von Integrationsprojekten.

 

 

 

Zu These 2: ?Teilhabe

für alle? ist auch unter den Bedingungen des demografischen Wandels möglich! 

 

Die Bewältigung des demografischen Wandels

betrifft die ostdeutschen Bundesländer ganz besonders. Wir müssen lernen, damit

umzugehen und die Chancen, die sich daraus ergeben, zu sehen und zu nutzen.

Dass wir älter werden, ist zudem eine Errungenschaft, die auf verbesserte

Lebensbedingungen, weniger Umweltverschmutzung und die moderne Medizin

zurückzuführen ist. Für immer mehr Menschen geht der Traum in Erfüllung, den

Lebensabschnitt nach der Berufstätigkeit bei relativ guter Gesundheit noch

viele Jahre aktiv gestalten zu können.

 

 

 

Wenn Menschen das Wort Demografie hören,

verbinden sie das mit Angst vor Verlusten. Im ländlichen Bereich spürt man das

besonders deutlich. Viele fürchten das Wegbrechen wichtiger Strukturen vor Ort.

Junge Menschen ziehen weg, Ältere bleiben. Häuser verwahrlosen und das

dörfliche Leben erlahmt.

 

 

 

Man kann das so sehen und mit den Schultern

zucken. Man kann aber auch vor Ort überlegen, welche Formen des Zusammenlebens

erhalten werden können, weil die Bewohner selbst ein Interesse daran haben, im

ländlichen Bereich zu leben. In vielen Fällen ist es vielleicht nicht möglich,

einen festen Lebensmittelladen wirtschaftlich zu betreiben oder den Bus

regelmäßig überall halten zu lassen. Aber: Man kann die Bereitstellung

öffentlicher Infrastruktur mit individuellen oder gemeinschaftlich getragenen

Initiativen sinnvoll verknüpfen. Unterstützen, moderieren und auch honorieren

sollten wir daher beispielsweise,

 

·       

- wenn sich Menschen  zusammenfinden, um etwa den

Schülerverkehr  zur nächstgelegenen

Haltestelle selbst zu organisieren,

 

·      

- wenn Kirchengemeinden im Ort ihre Kirche

nicht nur für gottesdienstliche Zwecke selbst nutzen, sondern sie auch für

andere Veranstaltungen öffnen, denn das schafft neue Möglichkeiten für ein

Miteinander,

 

·       

- wenn sich Arztpraxen zusammenschließen und

unterschiedliche Fachärzte an bestimmten Tagen tätig werden. Denn so

erschließen sich völlig neue Qualitäten.

 

 

 

Jeder von uns kennt zur Genüge die

Darstellung der demografischen Entwicklung: In Sachsen-Anhalt wird in den

kommenden zehn Jahren die Bevölkerung auf unter zwei Millionen Einwohner schrumpfen

und der Anteil an Erwerbsfähigen auf knapp 54 Prozent gefallen sein. In der

Folge werden wir uns großen Herausforderungen stellen und dabei die Chancen

einer umfassenden Teilhabepolitik nutzen müssen: 

 

Es wird darauf ankommen, das

Arbeitskräftepotential bei einer alternden Bevölkerung zu erhalten. Die

Förderung der  Beschäftigung von

schwerbehinderten Menschen gehört unbedingt dazu.

 

 

 

Mit Blick auf die dünne Besiedelung in den

ländlichen Regionen und die Alterung der Bevölkerung sind Erhalt und

Investitionen in die Infrastruktur nur dann nachhaltig, wenn die Nutzbarkeit

für alle sichergestellt ist. Getrennte Infrastrukturen für unterschiedliche

Generationen, Bevölkerungs- und Zielgruppen sind weder finanzierbar noch

wirtschaftlich.

 

Konkret heißt dies zum Beispiel:

 

·       - Der Erhalt der Wohninfrastruktur ist nur

unter Beachtung der Barrierefreiheit und der Nutzbarkeit für alle sinnvoll.

Unsere Verkehrsinfrastruktur muss nicht nur äußerst flexibel, sondern zwingend

auch barrierefrei ausgestaltet sein, damit sie von Kindern, Senioren und

Menschen mit Beeinträchtigungen genutzt werden kann.

 

·       

- Unsere Bildungsangebote müssen universell

nutzbar sein. Dies gilt für alle Angebote von der frühkindlichen Bildung bis

zum lebenslangen Lernen.

 

·       

- Arbeitsstätten und Arbeitsplätze müssen

barrierefrei ausgestaltet und betriebliches Eingliederungs- und

Gesundheitsmanagement zum Repertoire der Arbeitgeber gehören.

 

·       

- Die Angebote der Gesundheitswirtschaft und

der Rehabilitation müssen nicht nur barrierefrei zugänglich, sondern auch

inhaltlich auf die Belange von Menschen mit Beeinträchtigungen vorbereitet

sein.

 

·       

- Unsere Infrastrukturen für Freizeit, Kultur

und Sport müssen offen sein für alle Generationen und Menschen mit

Beeinträchtigungen.

 

·      - Die Partizipation aller an den politischen

Entscheidungsprozessen muss gewährleistet sein. Beispielweise müssen auch

Kommunalparlamente für mobilitätseingeschränkte Menschen zugänglich sein.

 

 

 

Ich bin guten Mutes, dass wir diese

Herausforderungen meistern können, denn wir haben gute Voraussetzungen, um einer

Teilhabe für alle auch unter den Bedingungen des demografischen Wandels gerecht

zu werden.

 

 

 

Wir verfügen in Sachsen-Anhalt über ein

dichtes Netz an Angeboten der Teilhabe und Rehabilitation. Auf diesen Punkt

möchte ich etwas näher eingehen. Man kann sagen: In den 1990er Jahren haben wir

?Teilhabe in Beton gegossen?. Wir haben Krankenhäuser, Pflegeheime,

Behinderteneinrichtungen und andere Gebäude in großer Zahl gebaut. Diese

Einrichtungen dienen der Sicherstellung von Teilhabe und Rehabilitation in

unserem dünn besiedelten Flächenland. Sie werden sich aber weiterentwickeln und

für den Sozialraum öffnen müssen. Sie werden auch bei der Überwindung von

Sektorengrenzen mitwirken müssen. Dazu bieten wir Unterstützung an.

 

 

 

Zu These 3: ?Teilhabe für alle? erfordert

nicht zwingend deutlich mehr Geld, aber sicher neue Konzepte!

 

 

 

Die Verwirklichung

des menschenrechtlichen Ansatzes der Teilhabe setzt eine übergreifende sozial-

und gesellschaftspolitische Strategie voraus. Bedingung für das Gelingen einer

ressortübergreifenden, menschenrechtsorientierten Teilhabestrategie ist die

Überwindung von Ressortegoismen. Nur so kann Teilhabe verwirklicht werden.

 

 

 

Welchen Sinn soll es machen, dass sich

einerseits das Kultusministerium bemüht, die Schulen im ländlichen Raum bei

rückläufigen Schülerzahlen aufrecht zu erhalten, andererseits eine

Landvolkshochschule ein eigenes Domizil mit staatlichen Mitteln saniert und

aufrechterhält? Und was, wenn beide Einrichtungen gleichermaßen schwach

ausgelastet sind, während dem Gemeinderat im dritten Stock eines

denkmalgeschützten, aber für die überwiegende Zahl der betagten Gemeinderäte

nur unter äußersten Schwierigkeiten zu erreichenden Versammlungsortes nichts

Besseres einfällt, als Mittel für den Neubau einer Kindertagesstätte zu

beantragen, die zu allem Überfluss weder barrierefrei zugänglich noch

universell nutzbar ist? Ist es wirklich sinnvoll, die Sportstätte am Rand der

Stadt den jungen und mittelalten Fußballern anzudienen, während die

gesundheitsbewussten älteren Damen und der Rehasport erfolglos nach einer

Heimstätte fahnden?

 

 

 

Ein Beispiel dafür, wie es gelingen kann,

soziale Angebote für alle zugänglich zu machen und besondere Angebote für

besondere Personengruppen in diesen Rahmen zu integrieren, ist das im

vergangenen Jahr novellierte Landesgesetz zur Familienförderung und zur

Förderung sozialer Beratungsangebote. Auf Vorschlag der Wohlfahrtsverbände hat

der Landtag hier die Grundlage dafür gelegt, dass aus einer spezialisierten und

verschachtelten Beratungslandschaft das flächendeckende Angebot einer

integrierten psychosozialen Beratung für alle Ratsuchenden entsteht. Teilhabe

für alle ist möglich! Ich möchte Sie daher bitten, mitzuarbeiten an der

Verwirklichung einer universellen Teilhabestrategie für unser Land.

 

Zu These 4: ?Teilhabe für alle? ist von

großem Nutzen für alle und eine Herausforderung für alle!

 

 

 

Wir alle sind auf eine soziale Infrastruktur

angewiesen, die uns die Erfüllung von Grundbedürfnissen ermöglicht. Sei es in

den Bereichen Wohnung, Ernährung, Gesundheit oder Bildung. Dafür gibt es

Rahmenbedingungen, die wirtschaftliches Handeln und Daseinsfürsorge

ermöglichen. Soziale Sicherungssysteme stellen ein Mindestmaß an

Dienstleistungen und materiellen Ressourcen zur Verfügung, um menschenwürdig zu

leben und am gesellschaftlich kulturellen Leben teilhaben zu können.

 

 

 

Stärker als bisher wird bei der

Bereitstellung von Angeboten danach gefragt, ob diese für möglichst viele

Bürgerinnen und Bürger genutzt werden können. Ob sich die jeweilige Struktur

oder das jeweilige Angebot sowohl an Jüngere wie an Ältere richtet, ob es

gleichermaßen Frauen und Männer erreicht und ob Menschen mit Einschränkungen

und Handicaps daran teilhaben können. Und nur, wenn die jeweilige Maßnahme

viele Menschen erreicht und nicht nur eine bestimmte Gruppe, darf sie in

weitere Überlegungen einbezogen werden.

 

 

 

Dazu möchte ich einige Beispiele für

gelungene Inklusion in diesem Sinne nennen:

 

Barrierefreie Bahnsteige oder Straßen mit

abgesenkten Bordsteinkanten werden nicht nur von Rollstuhlfahrern und Gehbehinderten

genutzt, sondern genauso von Fahrradfahrern, Eltern mit Kinderwagen und

Reisenden mit Rollkoffern. Der Rollkoffer an sich ist übrigens schon ein

Beispiel für den inklusiven Gedanken. War er vor Jahren noch eine

Begleiterscheinung älterer Menschen, greifen heute sogar Schüler und Studenten

zum zwei- oder vierrädrigen Begleiter. Ein weiteres Beispiel sind die auch von

uns vielfach benutzten Fahrstühle, Rolltreppen und Laufbänder. Sie sind nutzbar

für alle.

 

 

 

Auch die Arbeitswelt profitiert zunehmend vom

inklusiven Gedanken. In der Produktion wird auf Assistenzsysteme gesetzt, die

nicht nur den älteren Mitarbeitern mit körperlichen Einschränkungen die Arbeit

erleichtern, sondern schon bei der jungen Generation zu einer Entlastung führen.

Sie bleiben somit länger fit und damit einsatzbereit.  

 

 

 

Als weiteres Beispiel möchte ich den

Wohnungsbau nennen. Wenn schon in der Planungsphase Häuser und Wohnungen so

gestaltet werden, dass sie für Familien genauso nutzbar sind wie für ältere

Menschen, ermöglicht dies einen Mehrgenerationenansatz und man kann auf spätere

Umbauten für beispielsweise Fahrstühle verzichten. Damit ermöglicht man älteren

Menschen auch im Pflegefall lange bei der Familie zu bleiben, oder in Alten-WGs

in vertrauter Umgebung und familiennah betreut zu werden.

 

 

 

Die skizzierten Veränderung brauchen Zeit und

Vertrauen. Aufgrund der demografischen Entwicklung und der stärkeren

beruflichen Mobilität verändert sich auch unser Zusammenleben. Die Kinder gehen

dorthin, wo sie sich beruflich besser entfalten können. Die Welt wird für sie

kleiner und nicht wenige werden temporär in anderen Ländern Fuß fassen und

Wurzeln schlagen. Junge Menschen aus anderen Ländern werden bei uns heimisch

werden, weil sie die Möglichkeiten einer hochmodernen und innovativen

Wirtschaft nutzen. Diese zunehmende Bereitschaft zur Mobilität ist für uns eine

Chance, denn ohne Zuwanderung von Fachkräften und solchen, die es werden

wollen, können wir unseren wachsenden Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften

nicht sichern.

 

 

 

Diese Veränderungen verursachen auf der einen

Seite Unsicherheiten auf der einen Unternehmungslust. Für viele jüngere

Menschen sind die neuen Möglichkeiten echte Herausforderungen, ihre Fähigkeiten

unter Beweis zu stellen, während gerade die Älteren Angst haben, Halt und

Orientierung zu verlieren. Beides müssen wir im Blick behalten und vor allen

Dingen: Wir müssen die Menschen mitnehmen in diesen Prozessen, sie beteiligen

und ihnen auch zutrauen, neue Wege zu gehen. 

 

Wir Politiker und Politikerinnen brauchen vor

allem den Blick auf alle. Dass Menschen bei Ängsten und Problemen meist zuerst

sich selbst sehen und für sich selber kämpfen, ist verständlich. Das sehen wir

auch an den Protestaktionen der vergangenen Wochen. Unsere Unterstützung

brauchen die, die keine Lobby haben. Und unser entschiedener Protest muss denen

gelten, die vermeintliche oder tatsächliche eigene Benachteiligungen und Ängste

denen anlasten, deren Leben auf dem Spiel steht und daher als Flüchtling oder

Asylbewerber zu uns kommen.

 

 

 

Wir dürfen dabei

nicht den Eindruck vermitteln, dass wir uns vor realen Problemen wegducken. Wir

müssen da sein, wo die Fragen und Ängste entstehen, wir müssen umfassend

informieren und Menschen einbeziehen. Wir müssen auch dann präsent sein und

Haltung zeigen, wenn es konflikthaft wird, etwa wenn ein Flüchtlingsheim neu

eingerichtet wird oder wenn es zu Konflikten im Wohngebiet, in den Schulen oder

andernorts kommt.

 

 

 

?Teilhabe für alle?

ist ein Maßstab, mit dem unsere Angebote für alle Menschen und Bevölkerungsgruppen

zu messen sind. Der Anspruch, allen Menschen Teilhabechancen zu eröffnen und

ihnen möglichst gleichberechtigt Zugang zu öffentlichen Diensten und Leistungen

zu ermöglichen, gilt daher auch für die Menschen, die zu uns kommen und Schutz

vor Verfolgung, Krieg, Ausgrenzung und Diskriminierung suchen. Unabhängig

davon, ob er oder sie schließlich eine Aufenthaltsperspektive in Deutschland

erhält, hat jeder Mensch das Recht, als Mensch bei uns offen und in Würde

aufgenommen zu werden und dass die vorgetragenen Schutzgründe ernsthaft und

unvoreingenommen geprüft werden.

 

 

 

Je früher wir

schutzsuchenden Menschen die Möglichkeit zum Erwerb der deutschen Sprache, zu

Qualifizierung, Anerkennung von Abschlüssen und damit den Zugang zum

Arbeitsmarkt ermöglichen, umso schneller können sie ihr Leben selbständig

gestalten und unabhängig von sozialen Leistungen werden. Sprachkurse sind dabei

in mehrfacher Hinsicht Zukunftsinvestitionen: Es sind Investitionen in die

Potentiale der zu uns kommenden Menschen, in gelingende interkulturelle

Begegnung zwischen Einheimischen und Zugewanderten und es ist eine Investition in

ein Bild von einem weltoffenen Deutschland, das die so Aufgenommenen in die

Welt hinaustragen. Frühzeitige Integration in Arbeit und Gesellschaft entlastet

aber auch Bund, Länder und Kommunen und trägt schließlich dazu bei, die

Aufnahmebereitschaft in unserer Gesellschaft zu erhöhen. Gelungene Integration

von Flüchtlingen und Zuwandernden ist daher die beste Prävention von

Ausländerfeindlichkeit.

 

 

 

Jenen, die sich um

den Zustand der christlich-jüdisch geprägten Abendlandkultur sorgen, sei

gesagt: Mitmenschlichkeit bedeutet, den Menschen, die hier Heimat und Schutz

suchen, mit offenen Herzen zu begegnen. Ressentiments und Parolen, die die

Religionsfreiheit, das Asylrecht und den Minderheitenschutz in Frage stellen,

erteilen wir eine klare Absage. Wir Demokratinnen und Demokraten stehen für

eine offene Gesellschaft, deren Mitglieder gleich an Würde und Rechten sind und

die allen Menschen Chancen auf Teilhabe eröffnet.

 

 

 

Wenn Menschen in ihrer Not hier bei uns

Heimat und Schutz erfahren, wenn sie unsere Sprache lernen und hier arbeiten

können, dann werden sie in ihren jeweiligen Ländern berichten, dass Deutschland

ein tolles Land ist, mit freundlichen Menschen, mit einer wunderschönen Kultur,

einer reizvollen Landschaft. Wenn Deutschland so wahrgenommen werden könnte in

der Welt, wird es die Wirtschaft leichter haben zu exportieren, wir werden uns

auf unseren Reisen wohl fühlen, weil wir Anerkennung erfahren und wir könnten

dann zurecht stolz sein, in einem weltoffenen Land leben zu dürfen.

 

 

 

Nur Mut ? für die Teilhabe aller Menschen in

einer offenen Gesellschaft!

 

 

 

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