Aktuelle Pressemitteilungen - Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung
Rede Petra Grimm-Benne, Ministerin für Arbeit, Soziales und Integration
Sperrfrist: 25. Oktober 2019 ? Es gilt das gesprochene Wort
Landtagssitzung vom 24. und 25. Oktober 2019
Aktuelle Debatte Drs.7/5104 und Drs. 7/5089
"Flächendeckende Krankenhausversorgung aufrechterhalten ? Investitionsstau auflösen, Finanzierung nachhaltig absichern."
25.10.2019, Magdeburg – 301
- Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung
"Flächendeckende
Krankenhausversorgung aufrechterhalten ? Investitionsstau auflösen,
Finanzierung nachhaltig absichern."
Sehr
geehrte Frau Präsidentin,
meine
sehr verehrten Damen und Herren,
die
Debatte gibt mir die Möglichkeit, generell zu erklären, wie
Krankenhausfinanzierung funktioniert. Wir haben eine geteilte Verantwortung.
Die Krankenkassen finanzieren die stationären Leistungen und schließen mit den
Krankenhäusern Leistungs-, Qualitäts- und Entgeltvereinbarungen. Das Land hat
für die notwendigen Investitionen zu sorgen, die die Krankenhäuser brauchen, um
diese Leistungen qualitätsgerecht erfüllen zu können.
Wir
haben eine Krankenhauslandschaft, die uns auch im ländlichen Raum eine Grundversorgung
sichert. Soweit Studien wie die von Bertelsmann den Abschied von
Kleinstkrankenhäusern fordern, kann ich sagen: das ist kein vordringliches
Problem mehr in Sachsen-Anhalt, sondern eher in Nordrhein-Westfalen. Unsere
Strukturen passen. 72 Krankenhäuser gab es zur Wende in Sachsen-Anhalt; heute
sind es 48. Wir haben erhebliche Überkapazitäten abgebaut und die Qualität der
Leistungen verbessert. Es gab einen Prozess von Fusionen, Schließungen und
Neugründungen.
Sachsen-Anhalt
hat fast 3,9 Milliarden Euro über die Jahre investiert. Etwas mehr als eine
Milliarde entfällt auf die pauschalen Fördermittel, die benötigt werden, um
Apparate, Geräte und Einrichtungsgegenstände wieder zu beschaffen. Wir haben
praktisch die gesamte Infrastruktur erneuert. Trotzdem haben wir einen immensen
Investitionsstau, weil nach 20 Jahren auch viele Ersatzinvestitionen anstehen.
Wo
stehen wir also? Und wie wollen wir uns aufstellen?
Erstens:
Wir setzen auf qualitätsbasierte Krankenhausplanung, auf zukunftsfähige
Strukturen durch Schwerpunktbildung. Wo niedergelassene Ärzte fehlen, sollen
die Krankenhausstrukturen stärker für die ambulante Versorgung genutzt werden,
die sogenannte sektorenübergreifende Versorgung.
Zweitens:
Wir haben im Frühjahr ein modernes Krankenhausgesetz verabschiedet, das
Qualität groß schreibt, und wir sind dabei, auf dieser Grundlage bis zum
Jahresende den Krankenhausplan neu aufzustellen. Bis vorgestern konnten Anträge
eingereicht werden. Über den Krankenhausplan wird der konkrete Bedarf an
stationären Krankenhausleistungen im Land ermittelt. Das bildet die Grundlage
für die Förderung nach Maßgabe des Krankenhausfinanzierungsgesetzes und des
Landes-Krankenhausgesetzes.
Drittens:
Wir müssen uns dem Thema Fachkräftegewinnung widmen! Es fehlen Mediziner, aber
es fehlt insbesondere auch Pflegepersonal. Nicht umsonst werden mancherorts
fünfstellige Abwerbeprämien gezahlt. Hier brauchen wir ein Maßnahmebündel, und
wir haben schon viel auf den Weg gebracht, von der Landarztquote bis zur
?Perspektive Pflege?, um den Um- und Ausbau der Pflegeausbildung zu begleiten.
Das ist ein extrem wichtiges Thema, aber heute nicht das vordringliche.
Worum
geht es uns also bei der Krankenhausplanung?
Ich
betone hier noch einmal: ich trete für den Erhalt der Krankenhäuser der
Grundversorgung im Land ein, mit Innerer Abteilung und allgemeiner Chirurgie
und möglichst auch Geburtsabteilung und Frauenheilkunde. Krankenhäuser, die im
Notfall schnell erreichbar sind.
Es
geht aber auch ganz deutlich um Qualität. Qualität kann nur dort geboten
werden, wo es genügend Fachkräfte gibt und wo eine angemessene Mindestzahl an
Fällen erreicht wird. Es macht eben einen Unterschied, ob die Abteilungen gut
besetzt sind und ob ein komplizierter Eingriff 2 oder 200mal im Jahr
vorgenommen wird. Deshalb wird es bei der Krankenhausplanung darum gehen, neben
der Grundversorgung auch Schwerpunkte und Zentren zu definieren, die für die
spezialisierte Versorgung zur Verfügung stehen.
Daneben
steht die Diskussion über die Frage, wie eine auskömmliche Finanzierung erreicht
werden kann. Wir haben die Pauschalförderung in Höhe von ca. 50 Millionen Euro
wieder aufgenommen, nachdem es jahrelang keine eigenen Mittel aus dem
Landeshaushalt gegeben hatte. Aber das reicht ganz offensichtlich nicht aus,
den Investitionsstau aufzulösen. Darum sage ich: wir brauchen ein
Investitionsprogramm, wie es das mit gutem Erfolg in Sachsen-Anhalt in den 90er
Jahren gegeben hat, unter Sozialminister Wolfgang Böhmer. Die letzten Raten des
Schuldendienstes haben wir 2018 bezahlt.
Die
Kliniken, einschließlich der Unikliniken, die nicht über die Rücklagen verfügen
wie private Anbieter, müssen sich darauf verlassen können, die notwendigen
Investitionen tätigen zu können. Wir sind mit der Investitionsbank und dem
Finanzministerium im Gespräch, ob so etwas erneut aufgelegt werden könnte. Ich
gehe davon aus, dass wir zusammen eine Lösung finden.
Denn
warum kommt es plötzlich zu einem Crash wie beim Klinikum des
Burgenlandkreises, wo ein Insolvenzfahren in Eigenverantwortung eröffnet worden
ist?
Die letzten
Gesetzesvorhaben des Bundes hatten richtigerweise die Qualitätssicherung der
Krankenhausleistungen und die Gewährleistung einer angemessenen Pflege zum
Ziel. Stichworte sind hier die Pflegeuntergrenzen, also Vorgaben zum
Mindestpersonal, flächendeckende Leistungsdokumentation sowie Strukturvorgaben
und die Einrichtung von Pflegebudgets.
Unter
sonst gleichen Bedingungen schränkt beides die wirtschaftliche
Handlungsfähigkeit der Krankenhäuser ein. Wenn es den Krankenhäusern erschwert
wird, Rücklagen zu bilden, reduziert das zwangsläufig auch deren
Kreditfähigkeit. Das wiederum schränkt ihre Handlungsfähigkeit ein, wenn es
darum geht, Investitionen aus Eigenmitteln zu finanzieren. Besonders betroffen
sind dabei kleinere Einrichtungen. Verschärft wird das, wenn sich Banken
zurückziehen. Im Burgenlandkreis ist es genau das, was am Ende in die Insolvenz
geführt hat: die Bank für Sozialwirtschaft ist ausgestiegen.
Die
Geburtshilfe, das möchte ich an dieser Stelle ganz deutlich sagen, ist nicht
der Grund dafür. Die ist in Zeitz wirtschaftlich solide aufgestellt! Laut Geburtenbuch
sind 440 Kinder 2018 in Zeitz geboren worden, 499 in Naumburg. Die Schließung
der Zeitzer Babystation war vom Saniererteam empfohlen worden, um durch Zusammenlegung
deutlich mehr als eine Million Euro zu sparen, nicht weil die Abteilung
unhaltbar unwirtschaftlich wäre. Die notwendigen Einsparungen müssen sich
anders generieren lassen!
Ganz
ausdrücklich möchte ich mich beim Landrat und beim Kreistag des
Burgenlandkreises bedanken, die beide Geburtsstationen in Zeitz und Naumburg
erhalten wollen und bereit sind, dafür auch finanziell in die Bresche zu
springen. Vorausgesetzt, das Insolvenzverfahren wird erfolgreich abgeschlossen
und die Klinik bleibt in kommunaler Hand.
Auch
das Land steht bereit. Nach positivem Abschluss des Insolvenzverfahrens werden
wir prüfen, ob Mittel aus dem Strukturfonds des Bundes bei der
Neustrukturierung, die es geben muss, unterstützen können. Im laufenden
Insolvenzverfahren geht das nicht.
Ich
setze auf die Zukunft der kommunalen Kliniken! Wir brauchen Trägervielfalt, das
Nebeneinander von privaten, frei gemeinnützigen und kommunalen Krankenhäusern.
Wir brauchen kommunale Krankenhäuser, die ihre Rolle in der Daseinsvorsorge
ernst nehmen und die z.B. eine Geburtshilfe vorhalten, wenn es sonst kein
Angebot in der Region gäbe. Das sage ich ausdrücklich mit einem Blick nach
Zeitz.
Und
weil die aktuellen Finanzierungsschwierigkeiten ganz offenbar insbesondere
kleine und kommunale Häuser treffen, werde ich zu einem Fachgespräch ins
Ministerium einladen, um mich mit den Kliniken über die Schlussfolgerungen aus
der Situation auszutauschen.
Anrede,
die
Tatsache, dass die Krankenhausinvestitionen bei fast allen Ländern deutlich
hinter dem zurückbleiben, was für die Substanzerhaltung notwendig wäre, ist
Indiz dafür, dass es sich hier um ein systembedingtes Phänomen handelt. Mit der
vorhandenen Einnahmestruktur der Länder ist es offenbar kaum möglich, die
notwendigen Investitionen für die Krankenhäuser zu finanzieren. Eine Lösung des
Problems scheint darin zu liegen, den Bund und die Krankenkassen stärker in die
Investitionsfinanzierung einzubinden.
Die
Gesundheitsminister von Bund und Ländern versuchen für die vielfältig
beschriebenen Problemlagen Lösungen zu entwickeln. Alleine kann das
Sachsen-Anhalt so wenig, wie es die anderen Bundesländer können.
Anrede,
Der
Bund legt gesetzlich fest, wie die Krankenhausfinanzierung in Deutschland
funktioniert. Er gibt vor, wie die Mittelverteilung etwa zur Förderung der Aufrechterhaltung
einer breiten stationären Grundversorgung erfolgt.
Ich
werde gemeinsam mit Länderkollegen einfordern, dass die sog.
Sicherstellungszuschläge, die zur Absicherung einer stationären Grundversorgung
in der Fläche beitragen, erhöht werden.
Auch
der Krankenhausstrukturfonds des Bundes, der bislang Strukturmaßnahmen zur
Erhöhung der Qualität fördert, muss künftig dafür eingesetzt werden können, die
stationäre Grundversorgung im ländlichen Raum und damit auch die Bildung von
lokalen Gesundheitszentren zu fördern.
Anrede,
Es
geht nicht vordergründig darum, mehr Geld vom Bund zu fordern. Es geht darum,
das vorhandene Geld optimal einsetzen zu können. Und es geht darum, hier im
Land die Weichen gut zu stellen.
Herzlichen
Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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