Aktuelle Pressemitteilungen - Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung
Rede Petra Grimm-Benne, Ministerin für Arbeit, Soziales und Integration
Sperrfrist: 04. April 2019 ? Redebeginn - Es gilt das gesprochene Wort
Landtagssitzung vom 04. bis 05. April 2019
TOP 7 ? Drs. 7/3484 ? Große Anfrage Pflegekinderwesen in Sachsen-Anhalt und
Drs. 7/4143 Strukturen des Pflegekinderwesens verbessern ? Alleinerziehende stärker unterstützen
04.04.2019, Magdeburg – 26
- Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete!
Für immer mehr Kinder und Jugendliche in
Sachsen-Anhalt bedarf es der Betreuung und Förderung in einer Pflegefamilie,
weil die Herkunftsfamilie aus verschiedenen Gründen zumindest vorübergehend
nicht in der Lage ist, ihrer Erziehungsaufgabe nachzukommen. Seit dem Jahr 2011
sind es fast doppelt so viele Kinder und Jugendliche, die in Pflegefamilien
betreut werden: Waren es 2011 noch 1.434, so waren es im Jahr 2017insgesamt
2.650.
Ursachen für diesen deutlichen Anstieg lassen
sich aus den Quellen der Kinder- und Jugendhilfestatistik nicht ohne weiteres
ableiten. Insgesamt wird man jedoch davon ausgehen können, dass der
Unterstützungsbedarf der Familien gestiegen ist, aber auch die Aufmerksamkeit
in der Gesellschaft für Hilfebedarfe deutlich zugenommen hat.
Gleichzeitig wird aber mit der Feststellung
dieses Anstieges auch deutlich, dass sich immer mehr Familien in Sachsen-Anhalt
der herausfordernden Aufgabe stellen.
Anrede,
wenn man sich vor Augen führt, wie wertvoll
diese Form der Hilfe für den einzelnen jungen Menschen und damit für unsere
Gesellschaft insgesamt ist, dann ist es aus meiner Sicht selbstverständlich,
dass sich alle Beteiligten vor Ort, aber auch auf der Ebene des Landes intensiv
darum bemühen, die Rahmenbedingungen für das Pflegekinderwesen bestmöglich
auszugestalten.
Die Koalitionsfraktionen haben sich daher
bereits im Koalitionsvertrag darauf verständigt, die finanziellen
Rahmenbedingungen neu zu gestalten. Erstmals seit vielen Jahren, genau seit dem
Jahr 2010, wurde im Jahr 2017 das Pflegegeld, bestehend aus dem Grund- und dem
Erziehungsbetrag, deutlich angehoben und an die damals aktuellen Empfehlungen
des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge angepasst.
Für die Pflegefamilien bedeutete dies für den
Grundbetrag eine monatliche Mehrleistung in Höhe von 75 ? 93 ?, je nach
Altersgruppe.
Und in einem zweiten Schritt haben wir dann
im Jahr 2018 eine erneute Anpassung an die dann aktuellen Empfehlungen des
Deutschen Vereins vorgenommen und zudem dafür Sorge getragen, dass in den
kommenden Jahren das Pflegegeld dynamisch an die jeweilig aktuellen Sätze
angepasst werden wird. Das heißt konkret: jede Pflegefamilie erhält zeit- und
inhaltsgleich den Satz, den der Deutsche Verein empfiehlt.
Durch eine Entscheidung des
Oberverwaltungsgerichtes des Landes Sachsen-Anhalt vom 19. Februar 2019 sind
wir jedoch gezwungen, die Verordnung neu in Kraft zu setzen. Das gilt
insbesondere für das Jahr 2017, aber auch für die Folgejahre. Wir haben die
Urteilsbegründung am 18. März 2019 erhalten und werten diese gerade aus.
Nur so viel: Wir werden auch in der
Neufassung der Verordnung weiterhin an der dynamischen Anpassung der
Pflegesätze auf Basis der Empfehlungen des Deutschen Vereins auch für das
bereits begonnene Jahr festhalten. Die Pflegeeltern in Sachsen-Anhalt sollen
die Anerkennung erfahren können, die ihnen für ihre anspruchsvolle Aufgabe
zusteht.
Anrede,
neben einer angemessenen finanziellen
Ausstattung der Pflegefamilien bedarf es aber auch der Sicherung und Qualifizierung
der diese begleitenden Unterstützungsstrukturen.
Hierzu zählt die finanzielle Unterstützung
des Fachzentrums Pflegekinderwesen, die der Landtag auch in diesem
Haushaltsjahr ermöglicht.
Wesentlich ist aber auch eine qualifizierte Interessenvertretung
der Pflegefamilien. Ich bin daher bemüht, für den kommenden Haushalt eine
finanzielle Unterstützung einer Interessenvertretung auf Landesebene zu
ermöglichen, die mit der vergleichbar ist, die (andere) Familienverbände schon
seit Jahren erhalten. Wie Sie gegebenenfalls wissen, hat der Landesverband für
Pflege- und Adoptiveltern einen Antrag auf institutionelle Förderung gestellt.
Dieser Antrag wird gerade geprüft, ich stehe ihm aber grundsätzlich positiv
gegenüber.
Wichtig sind mir auch der regelmäßige und
ebenso der anlassbezogene Austausch mit den Verbänden und den örtlichen Trägern
der öffentlichen Jugendhilfe. Dieser soll fortgesetzt und intensiviert werden.
So haben wir uns bereits im vergangenen Jahr
mit den im Pflegekinderwesen tätigen Vereinen und Verbänden ausgetauscht zu der
Frage, welche Erleichterungen Pflegefamilien benötigen, um sich mit ganzer
Kraft auf ihre vornehmliche Aufgabe, die Pflege und Erziehung des Pflegekindes
konzentrieren zu können. Einiges von dem, was in diesem Rahmen vorgetragen
worden ist, spiegelt sich auch in der Antwort auf die Große Anfrage der
Fraktion DIE LINKE wieder:
So äußerten auch die Vereine, dass sie sich
eine größere Einheitlichkeit und Vereinfachung bei der Gewährung von Leistungen
wünschen, die von den örtlichen Trägern neben dem Erziehungs- und Grundbetrag
zu leisten sind. Zu nennen sind hier bspw. finanzielle Aufwendungen für die
Teilnahme an Freizeiten oder die Erstattung der Kosten bspw. für Hilfsmittel,
die von den Krankenkassen nicht übernommen werden.
Soweit die Landkreise und kreisfreien Städte
zu ihren Aufwendungen in diesem Bereich freiwillig Daten übermittelt haben,
deuten diese auf eine unterschiedliche Praxis der örtlichen Jugendämter hin.
Allerdings: Hier bedarf es einer sorgfältigen Herstellung einer
Vergleichbarkeit der Daten, die nur im Dialog mit den örtlichen Trägern möglich
ist. Diesen Dialog wollen wir aufnehmen und ich gehe davon aus, dass auch die
örtlichen Träger hieran ein Interesse haben werden. Denn ein transparenter und
vergleichbarer Umgang mit den zusätzlichen finanziellen Bedarfen der
Pflegefamilien kann deren Bindung an ein Jugendamt festigen, das Abwerben von
Pflegeltern durch andere Jugendämter vermeiden und die Attraktivität der
Übernahme einer Pflegschaft erhöhen.
Entsprechendes gilt auch für den Wunsch der
Vereine, Möglichkeiten einer Vereinfachung bei der Beantragung einmaliger
Beihilfen auszuloten.
Auch hier gehe ich davon aus, dass der Wunsch
der Pflegeltern und Vereine den Interessen der örtlichen Träger der
öffentlichen Jugendhilfe an einem angemessenen, aber ressourcenschonenden
Antragsverfahren entgegenkommt.
Anrede,
ganz besonders wichtig ist mir aber, mit den
örtlichen Trägern und den Kommunalen Spitzenverbänden darüber ins Gespräch zu
kommen, was unter einer der Komplexität der Aufgabe angemessenen
Personalausstattung der Jugendämter zu verstehen ist. Hier müssen wir uns auf
ein Niveau verständigen, welches für die Pflegeeltern eine bedarfsgerechte
Betreuung und Begleitung gewährleistet und gleichzeitig den notwendigen Schutz
der ihnen anvertrauten Pflegekinder sicherstellt.
Dabei geht es mir nicht darum, in die Hoheit
der Landkreise und kreisfreien Städte einzugreifen, ihre Aufgabenerledigung
selbst zu organisieren und zu verantworten. Aber ich gehe auch hier davon aus,
dass es im Interesse auch der örtlichen Jugendhilfeträger liegt, einen
gesellschaftlichen Konsens über das Mindestmaß an Begleitung der Pflegeeltern
und auch an Aufsicht zu erzielen.
Denn auf einen solchen sollten sie sich berufen
können, sollte einmal die Frage einer ausreichenden Aufsicht im Einzelfall in
Frage stehen, weil Pflegeeltern ihrer Verantwortung gegenüber dem Pflegekind
nicht gerecht geworden sind.
Anrede,
neben den vielen schon genannten Punkten ist
den Pflegefamilien noch eines ganz wichtig: nämlich gesellschaftliche
Anerkennung für ihre gar nicht hoch genug zu schätzende Aufgabe. Dafür können
wir sicher alle bei entsprechenden Gelegenheiten etwas beitragen. Die
Landesregierung wird dieses Anliegen auch aufgreifen und künftig einen Empfang
für Pflegefamilien ausrichten, um deren Engagement zu würdigen.
Vielen Dank.
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